OVG Koblenz zu Abschiebung nach Afghanistan: Nicht jeder ist bedroht

von Tanja Podolski

20.09.2017

2/2: Veränderung seit dem Terrorakt Ende Juni

Das OVG nennt eine Vielzahl von Urteilen mit gleicher Einschätzung der Sicherheitslage für verschiedene Regionen Afghanistans, in denen die Senate stets zum selben Ergebnis gekommen sind wie jetzt. Die entscheidende Frage war, ob sich die Sicherheitslage inzwischen verändert habe und auch durch die Sicherheitsbehörden in Afghanistan selbst in Form eines internen Schutzes nicht mehr gewährleistet werden könne.

Das OVG zog zur Beurteilung der aktuellen Lage den Bericht des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli 2017 hinzu. Daraus ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass nunmehr landesweit von einer solchen ernsthaften individuellen Bedrohung jedes Rückkehrers in Afghanistan auszugehen sei. Zwar habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan insgesamt seit Anfang 2016 deutlich verschlechtert. Allerdings lasse sich feststellen, dass die Bedrohungslage in den einzelnen Provinzen stark unterschiedlich sei. Das gelte für Angriffe auf administrative Einrichtungen, Sicherheitsorgane sowie westliche Staatsangehörige, Einrichtungen und Hilfsorganisationen ebenso wie für die Bedrohung der einheimischen Zivilbevölkerung.

Vergleichsweise ruhig im Westen und zentralen Hochland

In den ländlichen Gebieten forderten vor allem Kampfhandlungen am Boden und improvisierte Sprengsätze Opfer unter der Zivilbevölkerung. Dabei seien die höchsten Opferzahlen in der südlichen und in der östlichen Region zu verzeichnen. Demgegenüber stelle sich die Situation im Nordosten – bei einer Konzentration der Kampfhandlungen um Kunduz und den Kunduz-Baghlan-Korridor – und im Westen sowie in der zentralen Hochlandregion insgesamt gesehen als vergleichsweise ruhig dar.

Die städtische Bevölkerung insbesondere in Kabul werde vor allem durch Selbstmordanschläge, komplexe Attacken, gezielte Tötungen sowie Entführungen und Bedrohungen betroffen, teilten die Koblenzer Richter mit. Zwar weise die Opferzahl in der Provinz Kabul im ersten Halbjahr 2017 den höchsten absoluten Wert in Afghanistan auf. Gleichzeitig lebten in dieser Provinz aber mit 4,4 Millionen Menschen die meisten Einwohner. Die relative Zahl der zivilen Opfer bewege sich dort im landesweiten Durchschnitt.  Weiterhin ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass oppositionelle Gruppen – wie die Taliban – weite Teile des Landes beherrschten.

Aktuelle Asylzahlen

Vor einer Woche hatte Deutschland acht abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben, nach offiziellen Angaben waren sie verurteilte Straftäter.

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch die aktuellen Asylzahlen mitgeteilt. Im zweiten Quartal dieses Jahres sind in Deutschland 1.322 Menschen als asylberechtigt anerkannt worden, während 35.731 Flüchtlingsschutz und 28.823 subsidiären Schutz erhielten. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 V/VII des AufenthG wurde in 13.225 Fällen festgestellt. Die Gesamtschutzquote lag den Angaben der Bundesregierung zufolge bei 42,3 Prozent. Hauptstaatsangehörigkeiten waren Syrien mit insgesamt 25.043 Fällen vor Afghanistan mit 16.555 und dem Irak mit 11.847.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, OVG Koblenz zu Abschiebung nach Afghanistan: Nicht jeder ist bedroht . In: Legal Tribune Online, 20.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24621/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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