SV Wilhelmshaven wehrt sich gegen FIFA-Regeln: Asterix gegen die Römer

von Dr. Markus H. Schneider

25.04.2014

2/2: SV Wilhelmshaven verliert vor LG Bremen

Vorerst jedenfalls hat das LG Bremen den Wilhelmshavenern einen Schuss vor den Bug verpasst. In seinem Urteil von Freitag wies das Gericht die Klage des Vereins ab (Urt. v. 25.04.2014, Az. 12 O 129/13). Die Entscheidungen des CAS zum Punktabzug und Zwangsabstieg seien bindend. Durch die Teilnahme am Spielbetrieb habe sich der SV den Satzungsregelungen des NFV bzw. des DFB unterworfen. Der DFB sei verpflichtet, die Entscheidungen der FIFA umzusetzen und könne sich zur Vollstreckung des beklagten NFV bedienen. Dieser handele quasi nur als Vollstreckungsorgan. Deshalb könne sich der Verein mit seinem Begehren nicht an den Beklagten, sondern nur an die FIFA selbst wenden.

Der SV wird weiter kämpfen. Die heute veröffentlichte Pressemitteilung des LG Bremen gibt allerdings für endgültige Bewertungen nicht viel her. Offenbar spielte die Frage der Ausbildungsentschädigung als solche für das aktuelle Verfahren gar keine Rolle. Das verwundert. Auch Vollstreckungsorgane müssen sich an Recht und Gesetz halten und dürfen keine verfassungswidrigen Entscheide vollstrecken.

SV könnte in höheren Instanzen Chancen haben

Viel spricht nämlich dafür, dass die verhängten und vom SV Wilhelmshaven bekämpften Strafen nach deutschem Recht gegen die Berufsfreiheit verstoßen. Der BGH und das OLG Oldenburg beanstandeten in den eingangs erwähnten Entscheidungen das deutsche System der Ausbildungsentschädigung generell. Dieses begünstige nur jene Vereine, denen es zufällig gelinge, Spieler bis in den Profibereich zu bringen. Die Jugendarbeit aller anderen Vereine bliebe ungefördert. Daher handele es sich bei der Ausbildungsentschädigung nicht um eine allgemeine Förderung von Jugendarbeit – so wie es letztlich auch die FIFA sieht – sondern um die gezielte Förderung des bezahlten Fußballs. Das sei ein kommerzielles und kein ideelles Interesse. Eingriffe in das Recht der betroffenen Fußballer, ihren Beruf frei zu wählen, könne es nicht rechtfertigen.

Ausbildungsentschädigungen sind somit nicht prinzipiell verfassungswidrig. Sie können im Einzelfall durchaus zulässig sein. Die im Wege eines Vergleiches durch einen Jugendfußballer akzeptierte Entschädigung hatte etwa das Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht beanstandet (Urt. 25.04.2013 Az. 8 AZR 453/12) und einen Rückforderungsanspruch verneint.

EuGH: Pauschale Entschädigungssummen sind unzulässig

Der Europäische Gerichtshof steht den Ausbildungsentschädigungen im Fußball ebenfalls skeptisch gegenüber. 2010 sah er in einer tarifvertraglichen Regelung im französischen Fußball einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit. Die Regel sprach dem ausbildenden Verein das Recht zu, Jugendspielern nach deren Ausbildung einen Vertrag anzubieten und, sollte der Spieler den Vertrag ablehnen, Schadenersatz zu verlangen. Problematisch war aber letztlich die systematische Festlegung einer pauschalen Entschädigung. Diese könne den Einzelnen hindern, das Freizügigkeitsrecht auszuüben. Wenn ein Verein Ausbildungskosten konkret nachweisen könne, stünde ihm eine Entschädigung insoweit unter Umständen zu.

Ob die FIFA – bzw. stellvertretend der NFV – in höheren Instanzen erfolgreich sein wird, ist also zumindest ungewiss. Denn das FIFA-System sieht Pauschalen vor. Diese sind zwar nach bestimmten Kriterien gestaffelt. Pauschalen bleiben aber Pauschalen. Auf DFB-Ebene jedenfalls wird als Konsequenz auf die Rechtsprechung aus den Jahren 1999 und 2005 auf ein Solidarsystem auf freiwilliger Basis der Bundesligavereine gesetzt.

Auf den weiteren Verlauf kann man gespannt sein. Und die Drohungen, die bis zum theoretisch möglichen WM-Ausschluss Deutschlands reichen, nicht zu ernst nehmen. Der Weltfußballverband wird sich mit einem seiner besten Pferde im Stall nicht anlegen, eine andere Lösung wird sportpolitisch gefunden werden. Innerhalb der Familie, versteht sich.

Der Autor Dr. Markus H. Schneider ist Partner in der Kanzlei Dr. Schneider und Partner in Karlsruhe. Er promovierte zu einem sportrechtlichen Thema und ist Lehrbeauftragter für Sportrecht an der Universität Karlsruhe (KIT).

Zitiervorschlag

Dr. Markus H. Schneider, SV Wilhelmshaven wehrt sich gegen FIFA-Regeln: Asterix gegen die Römer . In: Legal Tribune Online, 25.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11799/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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