OLG München zu Zahlungsabwicklung bei Online-Glücksspiel: Kein Zocken ohne Risiko

von Claus Hambach

01.06.2019

Online-Spieler können ihre Verluste nicht einfach bei den Banken zurückfordern, das hat das OLG München klargestellt. Die Länder müssen endlich einheitliche Regeln für das Glücksspiel schaffen, fordert Claus Hambach.

Seit vielen Jahren streiten sich die für die Glücksspielregulierung zuständigen Länder über den richtigen Weg für einen neuen Staatsvertrag. Der bisher gültige Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahre 2012 (GlüStV) gilt als gescheitert. Da sich insbesondere die SPD-geführten Länder einer europarechtskonformen Marktöffnung für Online-Casinospiele verweigern, haben sich Schleswig-Holstein und Hessen nun für einen eigenen Weg entschieden.

Ihr Ansatz ist zwar konsequent an den Grundfreiheiten des Europarechts ausgerichtet, doch die Alleingänge führen dazu, dass immer mehr unterschiedliche, teils widersprüchliche Regelungen innerhalb des Bundesgebiets gelten. Das nicht enden wollende Rechtschaos sorgt für Verunsicherung sowohl bei den Anbietern als auch den Spielern.  

Nach der Veröffentlichung der "Paradise Papers" Ende 2017 gerieten deutsche Banken in den Fokus des Interesses. Der Vorwurf: Sie würden im Rahmen der von ihnen ausgeführten Transaktionen an illegalem Online-Glücksspiel mitwirken. Bei der Berichterstattung wurde jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Dienstleistungsfreiheit zu beachten ist. Diese gilt nach der Rechtsprechung des EUGH grundsätzlich auch für EU-ausländische Lizenznehmer, die nicht über eine Konzession im Inland verfügen (EuGH, Urt. v. 8.9.2010, Az. C-46/08). Überdies bestehen gegen Eingriffe in den Zahlungsverkehr von Bankkunden und die Abwicklung durch die Banken selbst erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken.

Anstatt den Fehler bei den zerstrittenen Ländern zu suchen, hat das Innenministerium Niedersachsen einzelne Zahlungsanbieter angewiesen, die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel von bestimmten Glücksspielanbietern in Zukunft zu unterlassen. Diese als sog. "Financial Blocking" bekannte Maßnahme war von dem hierfür zuständigen Ministerium aufgrund erheblicher Bedenken vorher nicht angewandt worden.

Aber auch einige Anwälte erkannten im Verbot der Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel (§ 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV) eine Argumentationsmöglichkeit, Glücksspielteilnehmern Hoffnung zu machen, ihre Spielverluste von den beteiligten Banken ersetzt zu bekommen. Über Webseiten wie www.gluecksspiel-retter.de oder www.wirholendeingeld.de informieren Rechtsanwälte wortgewandt darüber, wie Verluste angeblich zurückgefordert werden können. Danach ermögliche die Rechtslage Spiele bei Online-Casinos ohne Verlustrisiko. Dies käme praktisch einem Freibrief gleich, verspielte Einsätze sogleich von seiner Bank wieder erstatten zu lassen.   

Financial Blocking bedenklich

Um Finanzströmen zu blocken, ist ein rechtlich belastbares Fundament erforderlich. Die staatlichen Verbotsverfügungen richten sich nicht an die eigentlichen Verursacher des vermeintlich illegalen Spiels, sondern an Dritte. Fordert der Staat von Dritten ein solches Tätigwerden, so muss die Umsetzung in der Praxis aber auch rechtlich wie tatsächlich möglich und zumutbar sein.

So hat sich denn auch die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, Barbara Thiel, in ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht nunmehr gegen das Financial  Blocking ausgesprochen. Sie halte Maßnahmen zur Zahlungsunterbindung für "bedenklich". Denn dieses Verfahren sei "bereits dann unsicher, wenn ein Veranstalter neben unerlaubtem Glücksspiel auch legale Dienste anbietet". In diesem Fall sei "nicht auszuschließen, dass eine Zahlungsunterbindung den legalen Dienst betrifft und damit fehlerbehaftet ist."

Banken haften nicht für Spielverluste

Am 28. Februar 2018 entschied bereits das Landgerichts (LG) München I, dass ein Spieler seine Verpflichtung zum Ausgleich des Saldos aus dem Kreditkartenvertrag gegenüber seiner Bank nicht einfach deshalb ignorieren könne, weil er an einem illegalen Online-Glücksspiel teilgenommen habe (Az. 27 O 11716/17). Nach Einlegung der Berufung durch den Spieler wies das Oberlandesgericht (OLG) München in seiner Verfügung vom 6. Februar 2019 (Az. 19 U 793/18) darauf hin, dass diese "offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg" habe. Damit hat das OLG die  Bedenken der Landesdatenschutzbeauftragten Thiel im Kern bestätigt.

Das - inzwischen rechtskräftige - Urteil des LG  schließt eine Verantwortlichkeit der Banken also aus. Das LG erklärte insoweit, eine Überprüfung der Legalität der Glücksspiele für den Zahlungsdienstleister sei kaum möglich. Denn es sei schon "nicht erkennbar, von wo aus der Beklagte die Glücksspielangebote angenommen hat und welche Spiele er tatsächlich gespielt hat. Im Ausland ist eine Vielzahl von Glücksspielangeboten legal. Ebenso wenig dürfte erkennbar sein, ob jedes einzelne vom Beklagten wahrgenommene Spiel tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellt."

Zwar sei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV auch die Mitwirkung an Zahlungen in Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten. Es sei "allerdings nicht Aufgabe des Kreditunternehmens, die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen". Das sei  vielmehr die Aufgabe der Glücksspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes.

Schließlich diene § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV jedenfalls nicht dazu, in den Zahlungsverkehr zwischen Spieler und Bank einzugreifen. Vielmehr solle die Regelung nur sicherstellen, dass die "zuständige Glücksspielaufsicht im Rahmen ihrer Befugnisse auch gegenüber Dritten vorgehen kann".

Das LG orientierte sich damit zutreffend an der amtlichen Begründung zum GlüStV. Selbst wenn man das Vertragsverhältnis zwischen Glücksspielanbieter und Spieler als nichtig ansehen würde, so würde dies nicht das Vertragsverhältnis mit der Bank berühren, so das LG mit Verweis auf Rechtsprechung des BGH. Denn der Spieler habe ja die "Zahlung selbst initiiert" und die Bank sei "nicht dazu verpflichtet, den Zahlungsvorgang zu überprüfen oder zu überwachen".
 
Das LG betonte schließlich auch, dass eine Haftung der Banken dem Schutzzweck des § 1 GlüStV eindeutig widerspreche. Das Ziel, u.a. das Entstehen von Spielsucht zu verhindern und Spieler vor illegalen Machenschaften zu schützen, würde "geradezu torpediert, wenn davon auszugehen wäre, dass eine Nichtigkeit der Autorisierung von Zahlungsvorgängen vorläge". Dann würde das regelmäßig gutgläubige Kreditinstitut auf den Aufwendungen sitzenbleiben und dem Spieler, der keinerlei finanzielle Einbußen mehr befürchten müsste, sozusagen ein Freibrief erteilt, so die Münchner Richter. Letztlich könnte so ein bösgläubiger Spieler, der sich wegen Teilnahme am unerlaubten Glücksspiel strafbar macht, gutgläubige Zahlungsinstitute für rechtswidrige Aktivitäten einspannen.

Politik muss nun das Regulierungschaos beseitigen

Die untauglichen Versuche von Vollzugsbehörden und "Spieler-Anwälten", Banken als Dritte für eine Haftung heranzuzuziehen, muss spätestens nach den klaren Aussagen der Datenschutzexperten und des OLG München als gescheitert gelten. Weder eignet sich das Payment Blocking als Vollzugsinstrument, um das Rechtschaos zu beseitigen, das die für die Regulierung zuständigen Länder selbst geschaffen haben, noch können Spieler mit einem Freibrief rechnen, sich ihre Spielverluste von Banken rückerstatten zu lassen.

Vielmehr sind die Länder aufgefordert, endlich einen Regulierungsrahmen zu schaffen, der Rechtssicherheit schafft und vor allem das Online-Glücksspiel einer regulativen Überwachung zur effektiven Vermeidung von Glücksspielsucht und Manipulationsgefahren zuführt. Den bestehenden natürlichen Spieltrieb in staatlich überwachte Bahnen zu lenken, sollte das Ziel sein. Das impliziert aber die Erkenntnis, dass die bisherige Verbotspolitik bezüglich des Internet-Glücksspiels schlicht nicht greift und damit die Schutzpflicht des Staates bezüglich Verbraucherschutzinteressen faktisch leerläuft.

Immerhin gibt es Anzeichen, dass einige Länder nicht länger die Hände in den Schoß legen wollen. Schleswig-Holstein hat den ersten Schritt hierfür bereits vollzogen: Am 17. Mai 2019 hat der Landtag ein bis Mitte 2021 befristetes Übergangsgesetz verabschiedet, wonach ausgelaufene Lizenzen für Anbieter von Online-Sportwetten, Casinospielen und Poker reaktiviert werden können.

Schleswig-Holstein, Hessen und Nordrhein-Westfalen haben außerdem bereits angekündigt, eine gemeinsame Glücksspielregelung zu erlassen, die eine dauerhafte Lizensierung auch von Casino- und Pokerspielen vorsieht. Auch die FDP spricht sich dafür aus, Online-Glücksspiele endlich formal zu erlauben.

Es bleibt zu hoffen, dass auch die übrigen Bundesländer den Mut aufbringen, im Zeitalter einer unaufhaltsam voranschreitenden Digitalisierung nicht einseitig nur die Risiken, sondern die zeitgleich bestehenden Chancen des Vertriebswegs Internet in den Blick zu nehmen: Mittels der Implementierung bundesweiter und anbieterübergreifender Sperrdatenbanken, der Einführung medienbruchfreier und geldwäschekonformer Identifizierungssysteme sowie der Bereitstellung eines Safe-Server-Systems als eine zentrale Schnittstelle zur staatlichen Überwachung des Marktes lassen sich Verbraucherschutz und Kriminalitätsbekämpfung effektiv umsetzen.

Wenn die Länder es schaffen, sich hierauf zu einigen, könnte endlich das Rechtschaos beseitigt werden und damit ein Fundament entstehen, auf dessen Basis Spieler, Anbieter wie auch Zahlungsdienstleister auf einer europarechtskonformen Grundlage agieren können.

Der Autor Claus Hambach ist Gründungspartner der Kanzlei Hambach & Hambach mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Glücksspiel-Regulierung und Steuern. Er ist Mitautor des Kommentars Streinz/Liesching/Hambach zum "Glücksspiel- und Gewinnspielrecht in den Medien".

 

 

 

Zitiervorschlag

OLG München zu Zahlungsabwicklung bei Online-Glücksspiel: Kein Zocken ohne Risiko . In: Legal Tribune Online, 01.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35711/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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