Digitalpakt für Schulen: Staats­rechtler kri­ti­sieren Grund­ge­setz­än­de­rung

von Hasso Suliak

03.12.2018

Bröckelt der Föderalismus? Einige Bundesländer wenden sich gegen die vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung zur Umsetzung des Digitalpaktes für Schulen. Rückendeckung bekommen sie nun auch von renommierten Staatsrechtlern.

Gegen die bereits vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung für die Schuldigitalisierung kommt massiver Widerstand aus den Ländern – im Bundesrat könnte sie deshalb am 14. Dezember scheitern. Die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen machten in einem gemeinsamen Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) ihre Ablehnung deutlich, weil die Änderung aus ihrer Sicht zu sehr in die Länderhoheit eingreife. Renommierte Staats- und Verfassungsrechtler unterstützen ihre Kritik nun.

Bildung ist in Deutschland bislang Ländersache. Die Änderung des Grundgesetzes (GG) soll die Mitfinanzierung der Schulen nunmehr durch den Bund ermöglichen. Dieser soll Länder und Kommunen im Bildungsbereich sowie beim sozialen Wohnungsbau umfassender mit Finanzhilfen unterstützen können. Entsprechende Änderungen der Finanzverfassung des GG zur Änderung der Art. 104c, 104d, 125c und 143e GG verabschiedete der Bundestag am vergangenen Donnerstag in zweiter und dritter Lesung in namentlicher Abstimmung mit großer Mehrheit.

Mit den GG-Änderungen im Bildungsbereich soll dann ein milliardenschweres Digitalisierungsprogramm umgesetzt werden, das die Schulen von 2019 an schrittweise mit Digitaltechnik ausstattet.

Bundesmittel nur unter Bedingungen

Kern der GG-Änderung ist eine Neufassung von Art.104c GG: Bislang konnte der Bund den Ländern Finanzhilfen nur für Investitionen der finanzschwachen Gemeinden im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. Durch eine Aufhebung dieser Beschränkung in Art. 104c GG wird die Möglichkeit des Bundes nunmehr erweitert, Länder und Kommunen bei ihren Investitionen in die kommunale Bildungsinfrastruktur, insbesondere Ganztagsschul- und Betreuungsangebote, Digitalisierung und berufliche Schulen zu unterstützen.

Für die digitale Ausstattung der Schulen will der Bund auf diese Weise insgesamt fünf Milliarden Euro investieren, davon 3,5 Milliarden noch in dieser Legislaturperiode. Die Änderung soll ermöglichen, dass die Bundesregierung ihre Investitionsoffensive für Schulen umsetzen kann. Sie sieht auch zwei Milliarden Euro für den Ausbau von Ganztagsschul- und Betreuungsangeboten vor.

Der Widerstand der Länder regt sich insbesondere gegen die Neufassung von Art. von 104b GG, nach der die Länder verpflichtet würden, Investitionen des Bundes im Bildungsbereich um mindestens denselben Betrag aufzustocken: "Die Mittel des Bundes sind in jeweils mindestens gleicher Höhe durch Landesmittel für den entsprechenden Investitionsbereich zu ergänzen; sie sind befristet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen", lautet die Neufassung von 104b Absatz 2 GG.

Nun befürchten die Länder, dass der Bund auf diese Weise zu starken Einfluss auf ihre Entscheidungen nehmen könnte. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil kritisiert die Neuregelung: Der SPD-Politiker sagte der dpa, er unterstütze zwar die geplante Grundgesetzänderung. "Diese Regelung aber würde das Verhältnis zwischen Bund und Ländern grundsätzlich verändern." Weil ließ offen, wie sich Niedersachsen bei der Abstimmung im Bundesrat verhalten will.

"Keine Einheitsschulpolitik aus Berlin"

Unterdessen sprachen sich die Länderchefs Armin Laschet (CDU), Winfried Kretschmann (Grüne), Volker Bouffier (CDU), Michael Kretschmer (CDU) und Markus Söder (CSU) im FAS-Beitrag explizit gegen eine Änderung des GG aus: "Die Länder wollen einen Digitalpakt ermöglichen. Eine Änderung des Grundgesetzes brauchen wir dafür eigentlich nicht." Die Länderchefs warnten davor, "zentrale Grundsätze des deutschen Föderalismus" über Bord zu werfen. "Wir wollen keine Einheitsschulpolitik aus Berlin." Die geplanten Änderungen des Grundgesetzes gingen an mehreren Punkten über das hinaus, "was zur Umsetzung eines Digitalpakts erforderlich wäre". Beim Digitalpakt gehe es darum, die digitale Infrastruktur an Schulen zu verbessern. "Der Vorschlag des Bundestags würde es dem Bund aber auch ermöglichen, in Inhalte der Schulbildung einzugreifen."

Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, sagte außerdem gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wenn man glaubt, dass die Länder mehr Geld für die Digitalisierung der Schulen brauchen, wäre der einfachste Weg, aus dem gemeinsamen Steueraufkommen von Bund und Ländern einen größeren Anteil den Ländern zur Verfügung zu stellen." So sehe es das Grundgesetz bereits vor. "Und der Vorteil: Man könnte es morgen beschließen, ohne andauernd an der Verfassung herumzuwerkeln."

Genau so sieht es auch der renommierte Verfassungs- und Staatsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis. Im Gespräch mit LTO unterstützte er die Kritik der Bundesländer. "Die richtige Lösung wäre in der Tat, wenn der Bund den Ländern im Bildungsbereich einen Teil seiner Steuererträge zukommen ließe, ohne dabei in die Länderkompetenzen einzugreifen." Am Ende gehe es bei dieser Frage auch um nichts weniger als um die Zukunft des Föderalismus. Der Bund dürfe nicht den Zahlmeister geben und auf eine Vereinheitlichung in der Bildungspolitik hinwirken.

"Schulpolitik braucht Wettbewerb"

"Wir brauchen in der Schulpolitik den Wettbewerb", sagte Battis. Dieser stelle schließlich sicher, dass in den Ländern nicht überall derselbe Fehler gemacht werde. Würde man die Grundgesetzänderung, wie vom Bundestag geplant, beschließen, sei damit ein Schritt in Richtung Abschaffung des Föderalismus gegangen, befürchtet Battis. Der Staatsrechtler warf den Ländern allerdings auch vor, im Rahmen vergangener Föderalismus-Reformen bereits zu viele Kompetenzen der Länder an den Bund regelrecht "verkauft" zu haben.

Ähnlich kritisch äußerte sich auch der Düsseldorfer Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Dr. Sebastian Roßner gegenüber LTO: "Es ist doch geradezu lachhaft, wenn man das Grundgesetz ändern muss, nur um Schulen besser mit Computer auszustatten". Roßner zufolge zeige das, dass der Föderalismus in Deutschland "nicht richtig justiert" sei. Er plädierte ebenfalls dafür, den Bund den Ländern Steuermittel zur Verfügung stellen zu lassen – ohne dabei, wie es jetzt geplant sei, in die Länder "hineinzuregieren".

Auch für den Speyerer Hochschullehrer für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, Prof. Dr. Joachim Wieland, stellt die geplante Grundgesetz-Änderung eine "weitere Beschneidung" von Länderrechten dar, wie er im LTO-Gespräch bekräftigte. "Eine GG-Änderung", so Wieland, "müsse aber so ausgestaltet werden, dass sie die Autonomie der Länder wahrt." Verständnis äußerte er allerdings auch für die Intention des Bundes: "Der Bund macht das ja nicht aus Übermut, sondern weil er zu Recht den Eindruck hat, dass im Bereich Digitalisierung in den Ländern etwas nicht gut läuft", so Wieland. Überdies würden sich derzeit nur die wohlhabenden Bundesländer beschweren. Diejenigen Bundesländer, denen es weniger gut ginge, benötigten Bundesmittel, um ihre Aufgaben in diesem Bereich schultern zu können.  Das dürfe bei der Diskussion nicht aus dem Blick geraten, so Wieland.

Ob die Änderungen wie vom Bundestag geplant in Kraft treten können, ist mehr als zweifelhaft. Denn stimmten die fünf Länder tatsächlich am 14. Dezember dagegen, käme die nötige Zweidrittelmehrheit des Bundesrates nicht zustande. Schon jetzt sprachen sich die fünf Ministerpräsidenten deshalb für eine Lösung des Konflikts im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag aus. "Diese Chance sollten wir nutzen," heißt es im Beitrag der FAS.

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Digitalpakt für Schulen: Staatsrechtler kritisieren Grundgesetzänderung . In: Legal Tribune Online, 03.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32499/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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