EuGH zur Verwendung von frei zugänglichen Fotos im Internet: Lin­king, Fra­ming, Upload

von Dr. Ingo Jung

07.02.2018

Darf eine Schule ein fremdes Foto speichern und auf ihre Homepage hochladen, wenn es im Internet bereits frei verfügbar war? Der EuGH kann seine Rechtsprechung dazu am heutigen Mittwoch konkretisieren, erklärt Dr. Ingo Jung.

Auf der Internetseite einer Schule in Nordrhein-Westfalen war ein Schülerreferat aus der Spanisch-AG abrufbar, welches auch ein Foto der Stadt Cordoba abbildete. Darunter befand sich ein Hinweis auf die Website des Online-Reisemagazin-Portals, auf der das Foto frei zugänglich zu sehen war. Der Fotograf des Fotos macht geltend, dass er lediglich diesem Online-Portal erlaubt habe, das Foto zu nutzen. Die Veröffentlichung auf der eigenen Website der Schule – ohne seine Zustimmung - verletze sein Urheberrecht. Der Berufsfotograf nahm daher das Land als Träger der Schule auf Unterlassung und Schadensersatz in Höhe von 400 Euro in Anspruch.

Das Landgericht (LG) Hamburg verurteilte die Schule zunächst auf Unterlassung und Zahlung von 300 Euro Schadensersatz; auch in der zweiten Instanz wurde dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben. Der Bundesgerichtshof (BGH) tendiert in seinem Beschluss ebenfalls zur Annahme einer Urheberrechtsverletzung (Beschl. v. 23.02 2017, Az. I ZR 267/15). Vorliegend wurde nicht lediglich verlinkt. Vielmehr wurde das Foto zunächst auf einem Server gespeichert und dann hochgeladen.

Im Zuge dieses Streits hat der BGH dem Europäischen Gerichtshof (EuGH, C-161/17 Renckhoff) die entscheidende Frage vorgelegt, ob ein Werk, welches - mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers - auf einer fremden Internetseite allen Nutzern frei zugänglich ist, auf eine andere, ebenfalls öffentlich zugängliche Internetseite hochgeladen und veröffentlicht werden darf, oder ob dieses Hochladen ein genehmigungsbedürftiges "öffentliches Zugänglichmachen" im Sinne des § 19a Urhebergesetz (UrhG) darstellt. Diese Norm geht auf die Umsetzung von Art. 3 Abs.1 der Richtlinie 2001/29/EG zurück. Bei § 19a UrhG handelt es sich um ein besonderes Recht zur öffentlichen Wiedergabe, welches ausschließlich dem Urheber zusteht und richtlinienkonform ausgelegt werden muss. Das letzte Wort, also die Auslegungskompetenz, hat der EuGH.

Der EuGH hatte bereits ähnlich gelagerte Fälle entschieden. Im Urteil C-466/12 Svensson bestätigte der EuGH die Zulässigkeit von Querverweisen, also Hyperlinks, auf ein Werk, welches sich auf der verlinkten Website mit Willen des Urhebers an eine uneingeschränkte Öffentlichkeit im Internet richtet. Eine öffentliche Wiedergabe des geschützten Werkes im Sinne der Urheberrichtlinie erfordere eine Wiedergabe unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet. Ansonsten müsse es zumindest für ein neues Publikum wiedergegeben werden, d.h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten.

Ein Hyperlink stelle keine derartige "öffentliche Wiedergabe" dar. Werde das Werk auf einer für alle Internetnutzer zugänglichen Seite wiedergegeben, richte sich das Werk an alle Menschen mit Internetzugang, - genau wie der Hyperlink auf diese Website, der sich dann auch an jenes Publikum richte. In seiner Entscheidung C-160/15 GS Media (EuGH, Urt. v. 08.09.2016, Az. C-160/15) schränkt der EuGH dies jedoch ein. Wenn auf ein Werk verlinkt wird und dabei technische Hürden wie Passwörter oder Verschlüsselung umgangen werden oder der Verlinkende sogar weiß, dass das Werk auf der Website unbefugt veröffentlicht wurde - etwa weil ihn der Urheber darauf hingewiesen hat -, dann handelt es sich um eine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne der Richtlinie und damit um eine Urheberrechtsverletzung. Erfolgt die Verlinkung schließlich mit Gewinnerzielungsabsicht, welche vermutet werden darf, muss der Verlinkende sogar die rechtmäßige Veröffentlichung auf der Website nachprüfen, ansonsten droht die Haftung für eine Urheberrechtsverletzung. Jedoch reicht hier ein Nachfragen beim Betreiber der verlinkten Website aus.

Kleiner aber feiner Unterschied – Framing oder Upload

Der BGH hat jedoch Zweifel, ob die Grundsätze der Hyperlink-Rechtsprechung im vorliegenden Fall anwendbar sind. Denn das Foto wurde nicht lediglich verlinkt, sondern es wurde zunächst auf dem Schulserver gespeichert und anschließend erneut hochgeladen.

Der Unterschied auch zwischen Framing und dem Hochladen des Fotos von Cordoba besteht nach der Ansicht des BGHs darin, dass beim Framing das Werk ausschließlich im Zugriffsbereich des Berechtigten verbleibt. Will dieser selbiges unterbinden, kann er das Werk von der Seite nehmen – der Link führt dann ins Leere. Beim Abspeichern und anschließendem Hochladen findet dagegen eine Vervielfältigungshandlung statt, an die der Urheberrechtsinhaber in der Regel nicht denkt, wenn er eine Veröffentlichung erlaubt.

Der BGH tendiert in seinem Vorlagebeschluss somit offenkundig zur Annahme einer Urheberrechtsverletzung, insbesondere unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Urheberrechtsrichtlinie, die eine angemessene Vergütung des Werkschaffenden und effektiven Urheberschutz ermöglichen soll.

Die entscheidende Frage könnte dabei sein, ob der vom EuGH geprägte Begriff des "neuen Publikums" einer weitergehenden Konkretisierung bedarf, wenn zwar faktisch dieselben Verkehrskreise angesprochen werden, die Veröffentlichung jedoch - entkoppelt von der ursprünglichen Veröffentlichung - über eine neue Website erfolgt.

Verlinkt, geteilt, reposted

Das EuGH-Urteil heute wird weitere Klarheit schaffen rund um das empfindliche Thema des Urheberrechts im Internet. Im Zeitalter der Digitalisierung und der gängigen Praxis des "Sharing" in den sozialen Netzwerken, wo "verlinkt", "geteilt" und "reposted" wird, wächst die Brisanz des Themas. Auch wenn für den Internetnutzer ein Hochladen und Framing zunächst gleich anmuten mag, da auch beim Framing fremde Inhalte auf der eigenen Website eingebettet werden, ist der vom BGH aufgezeigte feine Unterschied entscheidend: Sobald ein Bild vom eigenen PC ohne Zustimmung des Berechtigten neu hochgeladen wird, ist das Werk dessen Zugriffsmöglichkeit zunächst entzogen.

Der EuGH wird also einige wichtige Aspekte beleuchten müssen, denn anders als die einer Vernetzung im Internet immanente Linksetzung ist das Einstellen fremder Werke auf der eigenen Website für ein barrierefreies Funktionieren des Internets gerade nicht erforderlich. Eine vom Urheber ursprünglich bewusst beschränkte Einwilligung zu öffentlichen Zugänglichmachung auf einer bestimmten Website würde ansonsten umgangen und das Ziel eines hohen Schutzniveaus für die Urheber und deren Recht auf angemessene wirtschaftliche Verwertung ihrer Werke ausgehöhlt.

Das Land Nordrhein-Westfalen als beklagter Schulträger hofft demgegenüber darauf, dass die Grundsätze der Framing-Rechtsprechung auch auf das Hochladen von Fotos anwendbar sind. Zum Framing führte der EuGH in seiner Entscheidung C-348/13 BestWater (Youtube-Videos, EuGH, Beschl. v. 21.10.2014, Az. C-348/13; BGH, Urt. v. Urt. v. 09.07.2015, Az. I ZR 46/12) aus, dass Framing keine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne der Urheberrichtlinie darstelle, sofern das Werk auf der verlinkten Website frei zugänglich war. Und frei zugänglich war ja auch das Foto von Cordoba.

Der Autor Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte im Bereich Geistiges Eigentum & Medien in Köln.

Zitiervorschlag

Ingo Jung, EuGH zur Verwendung von frei zugänglichen Fotos im Internet: Linking, Framing, Upload . In: Legal Tribune Online, 07.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26919/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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