Coronavirus-Maßnahmen in Bayern: Kata­stro­phen­fall für den Hallo-Wach-Effekt

von Dr. Christian Rath

17.03.2020

Bayern hat an diesem Montag den Katastrophenfall ausgerufen. Damit regiert Bayern als erstes Bundesland in dieser Weise auf die Coronavirus-Epidemie. Im Moment ist das aber vor allem Katastrophensymbolik, meint Christian Rath.

Katastrophenschutz ist im deutschen Föderalismus Ländersache. Die Länder sind hier nicht nur als Exekutive zuständig, sie haben auch die Gesetzgebungskompetenz. Deshalb hat jedes Bundesland ein eigenes Landeskatastrophenschutzgesetz mit durchaus eigener Systematik. In Bayern gilt das Bayerische Katastrophenschutzgesetz (KatSchutzG) von 1996.

Am Montag hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Katastrophenfall für Bayern ausgerufen. Er stützte sich dabei auf § 4 KatSchutzG. Dort heißt es: "Die Katastrophenschutzbehörde stellt das Vorliegen und das Ende einer Katastrophe fest." Es geht also nicht nur um die Abwehr einer Katastrophe, in Bayern ist nun bereits der Eintritt einer Katastrophe festgestellt.

Es ist nicht der erste Katastrophenfall in Bayern, aber der erste Katastrophenfall, der landesweit gilt, so das Innenministerium. Bisher ging es eher um Ereignisse in einem Landkreis, etwa Hochwasser oder Lawinenabgänge.

Durchgriff für den Innenminister

Wichtigste Folge: Seit Montag ist das Landes-Innenministerium als oberste Katastrophenschutzbehörde gegenüber Feuerwehr und Hilfsorganisationen direkt weisungsbefugt. Auch auf alle bayerischen Behörden, die Gemeinden, Landkreise und Bezirke kann Innenminister Herrmann direkt zugreifen. Sie alle sind gemäß § 7 KatSchutzG zur "Katastrophenhilfe" verpflichtet. Nur gegenüber den anderen Ministerien ist Herrmann nicht weisungsbefugt.

Was Herrmann nun konkret anordnen und anweisen will, war bisher noch nicht Thema. Es geht wohl vor allem um das Zeichen der Entschlossenheit. "Jetzt muss alles in eine Richtung laufen, in einer koordinierten Form", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag bei der Pressekonferenz. Dabei besteht der bayerische Corona-Krisenstab bereits seit dem 1. März. Bayern ist bisher auch das einzige Bundesland, das den Katastrophenfall ausgerufen hat.

Immerhin zwei konkrete Befugnisse aus dem KatSchutzG konnte Herrmann gestern nennen, die er möglicherweise in Anspruch nehmen will. Zum einen könnten medizinische Geräte wie Beatmungsgeräte (wohl in Arztpraxen) beschlagnahmt werden, wenn es in Kliniken Mangel gibt. Zum anderen könnten Prioritäten für Coronavirus-Patienten bei der Erbringung bestimmter medizinischer Dienstleistungen angeordnet werden. Im Gesetz heißt es dazu in § 9: "Die Katastrophenschutzbehörde kann zur Katastrophenabwehr von jeder Person die Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen verlangen sowie die Inanspruchnahme von Sachen anordnen."

Maßnahmen ohne Katastrophenfall möglich

Dagegen hat das "Herunterfahren des öffentlichen Lebens", das am Montag am meisten mit dem Katastrophenfall in Verbindung gebracht wurde, damit nichts zu tun. Rechtsgrundlage hierfür ist § 28 des Infektionsschutzgesetzes, der die Gesundheitsbehörden zu allen "notwendigen Schutzmaßnahmen" ermächtigt. In Form einer Allgemeinverfügung verkündete Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) am Montag die Veranstaltungsverbote und Betriebsuntersagungen. Das Infektionsschutzgesetz war auch in anderen Bundesländern Grundlage von Schul- und Bäderschließungen.

Als weitere Rechtsgrundlage wurde in Humls Allgemeinverfügung noch das bayerische Ladenschlussgesetz genannt. Darauf stützt sich die vorübergehende Erlaubnis, Lebensmittelgeschäfte abends bis 22 Uhr und auch sonntags zu öffnen.

Auch die Maßnahmen, die Landeswirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) am Montag ankündigte, sind keine Folge des Katastrophenfalls und wären auch ohne diesen möglich gewesen. Das Land will die Liquidität der Wirtschaft mit Krediten und Soforthilfen sicherstellen, notfalls soll sich das Land über den Bayernfonds an notleidenden Unternehmen beteiligen.

Aufrüttelnde Symbolik

Nun bedeutet die Feststellung, dass es sich bei der Ausrufung des Katastrophenfalls vor allem um Symbolik handelte, noch keine Kritik an dieser Maßnahme. Etwas aufrüttelnde Symbolik ist angesichts der mittelfristig drohenden Gefahren und des vielfach noch unvorsichtigen Verhaltens der Bevölkerung durchaus vertretbar.

Allerdings hat Söders Vorpreschen in anderen Ländern möglicherweise den gegenteiligen Effekt. Solange diese nicht auch den Eintritt einer Katastrophe feststellen, müssen sie mit Vorwürfen rechnen, die eigenen Möglichkeiten weniger effizient auszunutzen als Bayern. Aber im Föderalismus ist sich nun mal jeder selbst der nächste und Markus Söder sowieso. Immerhin ziehen Bund und Länder bisher an einem Strang, was die verfolgte Strategie angeht: Die Verbreitung des Coronavirus soll möglichst verlangsamt werden, um eine Überlastung der Krankenhäuser zu vermeiden.

Notstand im Bund

Die Notstandsmaßnahmen, die auf Bundesebene getroffen werden könnten, sind vor allem militärischer Natur. So wird der Spannungsfall gemäß Art. 80a Grundgesetz (GG) vom Bundestag festgestellt, der Verteidigungsfall gemäß Art. 115a GG durch Bundestag und Bundesrat. Den Einsatz der Bundeswehr Zur Amtshilfe (Art 35 GG) und im innneren Staatsnotstand (Art. 87a, 91 GG) kann die Bundesregierung sogar selbst beschließen. Die Vorschriften gehören zu den "Notstandsgesetzen", die 1968 gegen den Widerstand der Außerparlamentarischen Opposition (APO) beschlossen wurden.

Als Notstandsgesetze werden auch rund zehn Sicherstellungsgesetze bezeichnet, die das öffentliche Leben und die militärische Verteidigung sichern sollen. In der Regel sind sie auf den Spannungs- und Verteidigungsfall beschränkt. Das "Ernährungssicherstellungsgesetz" (ESG) gilt aber auch, wenn die Bundesregierung eine "Versorgungskrise" festgestellt hat. Die Behörden können dann zum Beispiel Lebensmittel beschlagnahmen und öffentlich verteilen, sie können Unternehmen auch zur Erzeugung von Lebensmitteln verpflichten.

Doch davon sind wir wohl noch weit entfernt. Bis auf weiteres liegt das Management der Corona-Krise - mit und ohne Katastrophenfall - vor allem in den Händen der Länder.

Zitiervorschlag

Coronavirus-Maßnahmen in Bayern: Katastrophenfall für den Hallo-Wach-Effekt . In: Legal Tribune Online, 17.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40885/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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