Bundestag debattiert über Cannabis: Gesetz zur War­nung vor Hirn­schäden

von Hasso Suliak

18.10.2023

Wenn an diesem Mittwoch im Bundestag das Ampel-Vorhaben einer Cannabislegalisierung beraten wird, warnt nicht nur die Opposition vor dem Konsum des berauschenden Hanfs – sondern auch der federführende Gesundheitsminister.

Eine stille Freude dürfte die sog. Cannabis-Community in Deutschland, also die Freundinnen und Freunde des Konsums von Marihuana und Haschisch, an diesem Mittwochabend erfüllen. Denn dann wird in erster Lesung das Cannabisgesetz (CanG) der Ampel im Plenum des Bundestages beraten. Zwar nur knapp 40 Minuten, aber die Debatte könnte hitzig werden. Eingebracht wurde nicht nur der Gesetzentwurf der Bundesregierung, sondern auch Anträge von Union und AfD. Beide fordern die Ampel auf, ihr Vorhaben aufzugeben. Die Debatte zum CanG war wegen der Lage in Israel verschoben worden.  

Der Weg, auf dem das Vorhaben nunmehr im Bundestag landete, erwies sich in den letzten Monaten als äußerst beschwerlich. Vor rund einem Jahr hatte Lauterbach noch ein Eckpunktepapier vorgelegt, das er anschließend vor allem wegen einer Kollision mit internationalem Recht eindampfen musste. In erster Linie den Grünen und der FDP war es zu verdanken, dass das Vorhaben dennoch weiterverfolgt wurde.  

Nun also liegt dem Bundestag ein abgespecktes Gesetz der Bundesregierung vor, in dem es im Rahmen des europarechtlich Zulässigen in erster Linie um Entkriminalisierung geht: Für Konsumentinnen und Konsumenten des noch unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Cannabis dürfte jedenfalls das CanG demnächst Erleichterung bringen: Ohne Angst vor einer drohenden Strafverfolgung dürfen sie bis zu 25 Gramm Gras besitzen und zu Hause (inklusive Garten) bis zu drei Pflänzchen ziehen. Kleiner Wermutstropfen ist die deutsche Regelungswut: Das Gesetz ist voller Regularien und Auflagen für Anbauvereinigungen. Diverse neue Verbotsvorschriften zielen im Wesentlichen auf den Kinder- und Jugendschutz. 

Lauterbach: "Das Problem Cannabis wächst"

Dass dieser – und nicht etwa die Umsetzung eines alten Hippie-Traums – bei dem Vorhaben im Vordergrund steht, betont auch der federführende Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Staccato-Takt. Ihm war es von Beginn an nie ein Anliegen, Millionen Cannabis-Konsumenten in Deutschland vom Stigma des Kriminellen zu befreien. Lauterbach, bis vor nicht allzu langer Zeit selbst noch erklärter Gegner einer Legalisierung, versteht den Liberalisierungskurs der Ampel beim Cannabis als Akt der Prävention und Bekämpfung des Schwarzmarktes. Mit dem Gesetz solle in erster Linie Kindern und Jugendlichen verdeutlicht werden, wie gefährlich der Konsum von Cannabis für sie sei. Zum Beispiel drohten ihnen Hirnschäden. "Das Problem Cannabis wächst", warnte Lauterbach am Mittwoch im Deutschlandfunk. Bestandteil seines Gesetzes seien entsprechende Präventionskampagnen. Auf die eigentlich beabsichtigte Kürzung der Mittel für Suchtprävention im Haushalt der Ampel angesprochen, sagte er, dass man darüber im Haushaltsauschuss noch einmal verhandeln werde. 

Während der SPD-Gesundheitsminister also sein Gesetz zur Freigabe in erster Linie mit einer Warnung vor dem Konsum von Cannabis versieht, bemühen sich die für das Thema in den Ampelfraktionen zuständigen Abgeordneten, das aus ihrer Sicht überregulierte Gesetz weiter zu entschärfen.  

70 Prüfbitten ans BMG 

Nach LTO-Informationen haben allein FDP und Grüne rund 70 Prüfbitten mit ihren Wünschen an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geschickt. Zum Ziel haben diese wohl in erster Linie, strenge Vorgaben im Gesetz wieder abzuschwächen. 

Kristine Lütke MdB, sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, erläutert gegenüber LTO: "Der vorliegende Gesetzentwurf hat an vielen Stellen noch Unklarheiten, die wir früh im parlamentarischen Prozess klären wollen – wir Freie Demokraten haben daher einen umfassenden Fragenkatalog eingereicht, damit am Ende ein praxistaugliches Gesetz ohne unnötige Umsetzungshürden verabschiedet werden kann". Bei vielen ihrer Fragen an Lauterbach gehe es, so Lütke, um konkrete Klarstellungen, "damit wir eine gute, rechtssichere und praktikable Lösung mit wenig Bürokratie erreichen". Beispiele hierfür seien die geplanten Abstandsregelungen für Cannabis Clubs sowie für den Konsum im öffentlichen Raum.

Noch sieht Lauerbachs Gesetz ein Konsumverbot von Cannabis in einer Schutzzone von 200 Metern Abstand zum Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten vor. Vor dieser Regelung graut es nun nicht nur den Fachpolitikern der Ampel, sondern auch den Behörden, die künftig die Einhaltung der neuen Regeln überwachen müssen. Etwa der Polizei, ansonsten strikter Gegner jeglicher Form der Legalisierung: "Für die mit der Einhaltung der Umsetzung der Vorgaben Betrauten wird es nur unter sehr hohem personellem und technischem und damit finanziellem Aufwand möglich sein, die jeweils vorgesehenen Abstände zu bestimmten Örtlichkeiten rechtssicher zu überwachen", heißt es in der Stellungnahme der Polizeigewerkschaft GdP

Wird die Anpassung des THC-Grenzwertes vorgezogen?  

Ganz oben auf dem Prüfstand innerhalb der Koalition steht in den nächsten Wochen wohl auch eine vorzeitige Anpassung des THC-Grenzwertes. Aktuell ist dieser so niedrig angesetzt, dass Cannabis-Konsumenten, die nüchtern am Steuer sitzen, u.a. mit einem Bußgeld oder einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) rechnen müssen. Das CanG verweist hier auf das für den Straßenverkehr zuständige Bundesverkehrsministerium. Im Hause von Volker Wissing (FDP) sollte eigentlich bis zum Frühjahr 2024 eine Anpassung des Grenzwertes in einer Arbeitsgruppe eingehend geprüft werden. Nun scheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass das früher passiert – und zwar bis zum geplanten Inkrafttreten des CanG Anfang 2024. Lauterbach sagte dazu am Mittwoch im DLF-Interview: "Volker Wissing arbeitet an einem Grenzwert. Wenn wir das Gesetz umsetzen, werden wir einen Grenzwert haben."  

Ein besonderes Anliegen wäre dies u.a. den Grünen: Kristine Kappert-Gonther, Vorsitzende des Gesundheitsausschuss in Deutschen Bundestag, erklärte dazu kürzlich gegenüber LTO: "Eine reine Prüfung des Grenzwerts ist zu wenig. Es ist hinlänglich bekannt, dass THC auch dann noch nachgewiesen werden kann, wenn kein Rauschzustand mehr vorhanden ist." Anders als bei Alkohol korreliere der im Blut messbare THC-Spiegel nicht unmittelbar mit dem Maß an Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Deutschland, so die Grünenpolitikerin, solle sich an internationalen Erfahrungen orientieren. "In Kanada wird primär die Beeinträchtigung und erst als zweiter Indikator der THC-Gehalt im Blut getestet. Die Anordnung einer MPU bzw. die Abgabe des Führerscheins von Personen, die Cannabis nur mit sich geführt haben, ist total unverhältnismäßig." 

FDP: Am 16. November verabschiedet der Bundestag das CanG 

Nach der Ersten Lesung am Mittwoch wird das CanG in die zuständigen Ausschüsse des Bundestages überwiesen. Für den 6. November ist eine Sachverständigenanhörung im Gesundheitsausschuss geplant. Parallel beraten die Ampelfraktionen jedoch untereinander und prüfen, auf welche Änderungsanträge zu Lauterbachs Gesetz sie sich verständigen können. Dass die fachliche Prüfung der Änderungswünsche der Gesundheitspolitiker von FDP und Grünen durch das BMG durchweg in ihrem Sinne ausfällt, darf bezweifelt werden. Auch die Fraktionsspitzen der Ampel werden möglichen Änderungen noch ihr Plazet geben müssen.   

Und zumindest beim größten Ampelpartner SPD dürfte die Vorfreude auf eine möglichst weitgehende Freigabe von Cannabis eher verhalten ausgeprägt sein. Hinter vorgehaltener Hand wird daher in Koalitionskreisen bereits spekuliert, dass die eigentlich für den 16. November geplante finale Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag (2./3. Lesung) sich nach hinten verschieben könnte. FDP-Frau Lütke winkt hier jedoch ab: Ihre Prüfbitten hätten keinen Einfluss auf den Zeitplan: "Das Ministerium muss liefern."

Zitiervorschlag

Bundestag debattiert über Cannabis: Gesetz zur Warnung vor Hirnschäden . In: Legal Tribune Online, 18.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52947/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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