Die Grundsteuer vor dem BVerfG: Werden neue Häuser teurer?

von Hannes Wendt

16.01.2018

Am Dienstag verhandelt das BVerfG über die Grundsteuer und könnte sie letztendlich für verfassungswidrig erklären. Hannes Wendt erläutert, warum sie auf dem Prüfstand steht und was es bedeuten würde, falls die Karlsruher sie kippen sollten.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) könnte die Grundsteuer für verfassungswidrig erklären. Nach einer Beschwerde des Bundesfinanzhofs (BFH) prüfen die Karlsruher Richter aktuell die Rechtmäßigkeit der Einheitswerte zur Ermittlung der Grundsteuer von Gebäuden und Grundstücken, am Dienstag verhandeln sie.

Der BFH stellte in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2014 (Az. II R 16/13) deutlich dar, dass es seiner Auffassung nach zur Ermittlung der Grundsteuer einer realitätsgerechten Bewertung bedarf. Diese Bewertung habe auch zeitnah zu erfolgen und müsse sich am Verkehrswert orientieren. Der Knackpunkt: Aufgrund der über mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Hauptfeststellungen (1935 für die neuen Bundesländer und 1964 für die alten Bundesländer) haben sich erhebliche Wertverzerrungen ergeben. Daher ist der Zusammenhang zum Verkehrswert verloren gegangen.

Zu diesen Wertverzerrungen zählt der BFH unter anderem die rasante städtebauliche Entwicklung, die wesentlichen Veränderungen in der Ausstattung, der Bauweise, der Bauart und der Bautechnik modernerer Gebäude. Im Einzelnen führt der BFH wertbildende Faktoren auf wie die Energieeffizienz, das Vorhandensein von Solaranlagen, Wärmepumpen, Lärmschutz, luxuriöse Bad- und Kücheneinrichtungen, elektronische Steuerung der gesamten Haustechnik und Anschlussmöglichkeiten an Hochgeschwindigkeitsdatennetze.

Für derartige neue Gebäude gibt es nach Auffassung der Münchner Richter zu den damaligen Herstellungskosten auch keine Vergleichsmöglichkeiten, außerdem spiegelten sich die grundlegenden Veränderungen des Immobilienmarkts nicht im Einheitswert wieder. Eine Schätzung zu den damaligen Wertverhältnissen könne indes nur sehr grob vorgenommen werden - und sei daher nicht mehr mit einer notwendigen Genauigkeit und Überprüfbarkeit möglich.

Ebenfalls komme es dadurch zu weiteren Wertverzerrungen, dass bei der Bewertung im Sachwertverfahren eine Wertminderung des Gebäudes wegen Alters nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt ausgeschlossen ist. In der Praxis bedeutet das aktuell, dass beispielsweise ein 1964 in einem alten Bundesland gebautes Gebäude mit demselben Gebäudewert anzusetzen ist wie ein dort neu gebautes Gebäude.

Eine Reform steht in den Startlöchern

Sollte das Gesetz für verfassungswidrig erklärt werden, dann ist der Gesetzgeber in der Pflicht, die bereits vom Bundesrat eingebrachte Reform der Grundsteuer zeitnah umzusetzen. Dies hätte eine Neubewertung von Millionen Gebäuden und Grundstücken zur Folge - mit deutlichen Mehrbelastungen für viele Eigentümer und damit letztendlich auch Mieter. Verschiedene Berufsverbände haben den Gesetzentwurf bereits im Vorfeld stark kritisiert, das vorgeschlagene Bewertungsverfahren verstoße gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit verstoßen und sei damit gar nicht zulässig.

Ziel der Reform ist nunmehr die rechtssichere und zeitgemäße Neubewertung. Da in Deutschland rund 35 Millionen Immobilien neu zu bewerten wären, muss die Neubewertung verwaltungsökonomisch gestaltet werden. Daher weichen die Neuregelungen von dem Grundsatz ab, dass die Basiswerte für die Grundsteuer in etwa den Marktwerten entsprechen sollen.

Deutlich höhere Steuerabgaben möglich

Konkret sieht der vom Bundesrat im November 2016 eingebrachte und nun diskutierte Gesetzentwurf ein Bewertungsverfahren mit mehreren Komponenten vor. Die danach geplante Bemessungsgrundlage setzt sich aus Boden- und gegebenenfalls Gebäudewert zusammen, der als Kostenwert bezeichnet wird. Die Bodenwertermittlung erfolgt anhand von Bodenrichtwerten und die Gebäudewertermittlung auf Basis der Pauschalherstellungskosten und der Altersminderung eines Gebäudes.

Dabei problematisch: Die Gebäudewertermittlung sieht drei Baujahresgruppen vor, welche erhebliche Unterschiede aufweisen. So wird beispielsweise ein Bürogebäude mit dem Baujahr 2005 mit einem um 62 Prozent höheren Wert angesetzt als ein Bürogebäude mit dem Baujahr 2004. Hingegen werden alle Mehrfamilienhäuser mit einem Baujahr vor 1995, abgesehen von der linearen Alterswertminderung, gleich bewertet. Baumängel, unterschiedliche Ausstattung oder eine Kernsanierung werden zum Beispiel nicht berücksichtigt.

Für den Grundbesitzer böte das neue Verfahren die Vorteile, dass die Bewertung einfacher und klarer ist. Zudem reduziert sich für Eigentümer älterer Gebäude die Grundsteuer. Eigentümer neuerer Gebäude müssten hingegen mit einer teils massiv höheren Grundsteuer als zurzeit rechnen.

Grundsteuer und Reform – beides verfassungswidrig?

Die Darlegungen des BFH gehen deutlich von einem Verlust einer realitätsgerechten Einheitsbewertung aus, die sich überdies auch nicht mehr am Verkehrswert orientiert. Entsprechend dürfte sich das BVerfG überzeugen lassen und voraussichtlich feststellen, dass die Einheitsbewertung nicht mehr verfassungsgemäß ist.

Nun steht zwar für diesen Fall wie gezeigt die Reform der Grundsteuer bereit. Bei der Ermittlung des Kostenwerts enthalten die Neuerungen beim Ansatz der Pauschalherstellungskosten allerdings erhebliche Vereinfachungen, für die sie auch kritisiert werden. Verwiesen sei hier auf die bereits angeführten Beispiele zu den Bürogebäuden und der Nichtberücksichtigung von Kernsanierungen bei älteren Gebäuden, die zu Wertabweichungen von über 60 Prozent führen können.

Eine solche massive Abweichung ist wiederum problematisch: Das BVerfG stellte zur Bewertung des Grundvermögens im Beschluss zur Erbschaftsteuer vom 7. November 2006 (Az. 1 BvL 10/02) klar, dass eine Abweichung von plus beziehungsweise minus 20 Prozent der steuerlichen Bemessungsgrundlage vom Verkehrswert im Rahmen einer Typisierung noch vertretbar ist – mehr aber nicht.

Damit entspräche also auch die geplante Grundsteuerreform in der jetzigen Fassung nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Da die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber wohl nur eine kurze Übergangsfrist für eine verfassungskonforme Neuregelung geben werden, besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Grundsteuer für eine gewisse Zeit komplett entfallen könnte.

Hannes Wendt ist Sachverständiger für Grundstücksbewertung bei der Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Crowe Horwath Trinavis in Berlin.

Zitiervorschlag

Hannes Wendt, Die Grundsteuer vor dem BVerfG: Werden neue Häuser teurer? . In: Legal Tribune Online, 16.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26497/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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