Kündigung eines rauchenden Mieters bestätigt: Liebe Nachbarn, seid toleranter!

von Patricia Stelzer

31.07.2013

Selten hat ein Fall vor dem AG Düsseldorf die Gemüter so erhitzt und polarisiert. Am Mittwoch bestätigte Amtsrichter Tobias Rundell die fristlose Kündigung eines Mieters wegen übermäßiger Qualmerei. Wenn der Fall am Ende beim BGH liegt, könnte dieser neue Maßstäbe setzen für die Rauchgewohnheiten in einer Mietwohnung, meint Patricia Stelzer.

Manche haben ihn mit Raucher-Ikonen wie Helmut Schmidt und dem Neusser Bürgermeister Herbert Napp verglichen. Der Rentner Friedhelm Adolfs musste nun in erster Instanz eine Niederlage einstecken. Das Amtsgericht (AG) Düsseldorf bewertete das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Nachbarn höher als das Selbstbestimmungsrecht des Mieters und bestätigte damit die fristlose Kündigung des 75-jährigen Rauchers. Ausschlaggebend für das Urteil war allerdings nicht das Rauchen, sondern das falsche Lüftungsverhalten des Mieters. Dies habe nach Ansicht des Gerichts zu unzumutbarer Geruchsbelästigung im Treppenhaus geführt (Urt. v. 31.07.2013, Az. 24 C 1355/13).

Dass Adolfs die Entscheidung mit der Berufung angreifen wird, gilt als sicher. Ob die zweite Instanz das Urteil bestätigen wird, ist dagegen ungewiss. Als es um den Prozesskostenhilfeantrag des rauchenden Mieters ging, hatte das Landgericht (LG) Düsseldorf das Eingangsgericht korrigiert (Beschl. v. 08.07.2013, Az. 21 T 65/13). Anders als das AG gewährte die Kammer dem Rentner auf dessen Beschwerde staatliche Hilfe zu. Dabei interessant: Die Richter ließen durchblicken, dass sie die Rechtslage für unklar und höchstrichterlichen Klärung für wünschenswert halten.

BGH könnte neue Maßstäbe setzen

Der juristische Ausgangspunkt ist § 543 Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Danach darf ein Vermieter dem Mieter bei vertragswidrigem Verhalten fristlos kündigen. Doch was heißt vertragswidrig? Wenn der Mieter den Vermieter tätlich angreift, in einer Zwei-Zimmer-Wohnung 100 Wellensittiche hält oder die Nachbarn durch seinen Pitbull gefährdet, ist die Vertragswidrigkeit evident.

Das Rauchen in den eigenen vier Wänden stand jedoch als Grund für eine fristlose Kündigung bislang nicht zur Debatte. Vermieter konnten allenfalls Schadenersatz verlangen, soweit übermäßige Qualmerei des Mieters die Tapeten zu sehr strapaziert hatte. Das Rauchen an sich hat der Bundesgerichtshof jedoch bislang als vertragsgemäßes Verhalten qualifiziert, ohne dass es auf das Ausmaß ankomme.

Im Refugium der Wohnung dürfen Mieter in ihren Rauchgewohnheiten nicht eingeschränkt werden; es sei denn, die Parteien haben dies bei Abschluss des Mietvertrages ausdrücklich und individuell vereinbart. Vermieter mussten bislang sogar Minderungen der Nachbarn hinnehmen, ohne gegen den Störer vorgehen zu dürfen. Diese Maßstäbe könnten nun auf den Prüfstand kommen

Mehr Toleranz wünschenswert

Das Urteil dürfte sich schnell herumsprechen. Ergeht es doch in einer Zeit, in der das Thema Rauchen die Öffentlichkeit wie selten zuvor polarisiert. Wurde früher in Amtsstuben, Restaurants, auf Spielplätzen oder am Arbeitsplatz gnadenlos gequalmt, findet ein Raucher heute kaum noch Plätze, an denen er unbehelligt Nikotin inhalieren kann. Die Front der radikalen Nichtraucher wächst, in demselben Maße steigt aber auch die Zahl derjenigen, die sich durch Rauchverbote weder von der Politik noch den Gerichten bevormunden lassen wollen.

Der jetzt erstinstanzlich entschiedene Rechtsstreit wird daher ähnliche Verfahren nach sich ziehen. Andere Wohnungseigentümer werden versuchen, sich rauchender Mieter zu entledigen. Gerichte können und müssen dabei stets Einzelfallentscheidungen treffen. Bei Adolfs flossen unbeachtete Abmahnungen, verspäteter Sachvortrag und falsches Lüftungsverhalten in die Entscheidung mit ein. Dem standen eine 40-jährige Mietzeit und eine behauptete, jahrelange Duldung des Rauchens gegenüber. Indem er das Problem von der Wohnung ins Treppenhaus verlagerte, entzog sich der Düsseldorfer Richter der Schwierigkeit, über die Zulässigkeit übermäßigen Rauchens in der Wohnung zu entscheiden.

Wächst der gesellschaftliche Dissens, wird sich irgendwann die Politik einschalten müssen. Es ist bedauerlich, dass die Regulierungswut in immer mehr Lebensbereiche vordringt. Etwas mehr gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz wären wünschenswert.

Die Autorin Patricia Stelzer ist als Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Mietrecht in Düsseldorf tätig.

Zitiervorschlag

Patricia Stelzer, Kündigung eines rauchenden Mieters bestätigt: Liebe Nachbarn, seid toleranter! . In: Legal Tribune Online, 31.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9256/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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