Film Die Dunkle Seite des Mondes: Anwälte passen nicht in den Wald

von Tobias Sommer

14.01.2016

2/2: Porsche, Krawatten und Nachtarbeit

Doch welches Bild vermittelt der Film von M&A-Anwälten? Urs Blank fährt einen Jaguar XJ, seine Frau schwingt die Beine statusgerecht aus einem Porsche. Zur Geburtstagseinladung erscheint man im Anzug und steigt nach einem kräftigen Schluck Wein alkoholisiert ins Auto. Der Tag beginnt auf dem Laufband mit Blick auf Wolkenkratzer, das Binden der Krawatte wird als Ritual inszeniert. Und gearbeitet wird selbstverständlich auch, wenn es draußen dunkel ist. Auf die Frage, was er denn so mache, spielt er seinen Job runter mit den Worten: "Wirtschaftsrecht, Fusionen und so´n Kram." Die Frage "Und, was interessiert Dich daran?" beantwortet er nicht.

Der Film beginnt mit der Abschlussverhandlung für eine Großfusion im Pharmabereich in den Räumen der Anwaltskanzlei. Ein weiterer, noch größerer Zusammenschluss  ist bereits geplant. Deren Wohl und Wehe hängen von einem Medikament gegen Multiple Sklerose ab, dessen Zulassung noch aussteht. Blank soll das Mandat führen. Er ist auf dem Gipfel seiner Karriere angekommen.

Aus den Filmbildern deutet nichts auf das Anwaltsdasein hin. Die sonst in Rechtsfilmen so beliebten Utensilien und Symbole wie Justitia, Waagen, Bücher (gern falsch herum hingestellt) oder Akten fehlen. Erst in der Mitte des Films liegen mal drei dünne Akten auf dem Glasschreibtisch im sehr aufgeräumten Büro. Ohne den gesprochenen Text könnte Blank dem äußeren Anschein nach auch ein Unternehmensberater, Vorstand oder Banker sein. Erst nach einigen Filmminuten fällt das Wort Haftungsklausel und es wird klar, dass hier Juristen über einen Vertrag verhandeln. Am Ende hört der Verhandlungsführer Blank gern das Lob seiner Kollegen: "Du hast ihn so dermaßen platt gemacht."

Das Verhandeln ist eine wichtige Anwaltskompetenz, hier hat der Film einige sehr sehenswerte Beispiele parat. Es ist ein Kampf, den der Stärkere gewinnt. Man muss gut vorbereitet sein. Auch gewitzte Argumente können nicht schaden, gerade in der Eröffnung, wenn die Machtpositionen geklärt werden. Die beiden Verhandlungsführer für die neue Fusion begegnen sich zum ersten Mal und Blank bekommt zu hören: "Ich hab schon viel von Ihnen gehört"; er antwortet: "Ich von Ihnen auch." Auf die Rückfrage "Zum Beispiel?" entgegnet er "Wie Sie aus einer geplanten Fusion eine feindliche Übernahme gemacht haben." Man fühlt, auch vor der Leinwand, wie alle im Raum tief Luft holen.

"Als Rechtsanwalt kann man den Unterschied machen"

Sind Anwälte für das Unglück der Gegenseite verantwortlich? Auch im wirklichen Leben ziehen sie immer wieder Hass und Rache auf sich, auch wenn sie nur ihren Job machen. Der Chef des Unternehmens, das mit Blanks Hilfe gerade geschluckt wurde, sagt: "Ich hoffe, es hat sich für Sie gelohnt", bevor er sich im Büro des Protagonisten eine Kugel durch den Kopf jagt. Blank gibt daraufhin seinen Anwaltsjob auf. Das wirkt moralisch richtig, kommt aber ein bisschen plötzlich für den sonst so knallharten Anwalt. Sein Mandant und späterer Gegenspieler will ihn aber halten und appelliert an das gute Gewissen - schließlich könne der Top-Anwalt  mit einer weiteren Fusion einem neuen Medikament zum Erfolg verhelfen und Leben retten.

Blank entscheidet sich also – wieder sehr moralisch richtig – weiterzumachen. Aber er stößt zufällig auf ein kompromittierendes Gutachten. Als er seine Auftraggeber und Kollegen mit den neuen Fakten konfrontiert,  kommt es zum Eklat. Den Anwälten geht es nur um das Mandat und das Geld.  Ein Gewissen, wie Blank es trotz seiner schwer zu steuernden Aggressionen nach einem halluzinogenen Pilz-Trip inzwischen entdeckt hat, haben sie nicht. Blank wirft schließlich den  Schreibtisch um und verlässt den Raum. Die Fusion wird wohl auch ohne ihn durchgezogen werden. Letztlich ist jeder ersetzbar. Im Filmgespräch sagt der Regisseur: "Als Rechtsanwalt kann man den Unterschied machen. Man kann tatsächlich etwas verändern."

"Jemand, der eigentlich überhaupt nicht in den Wald passt"

Die düstere Geschichte nimmt danach ihren Lauf. Losgelöst von seiner bisherigen Sozialisation begeht Blank, der nur noch seinen Instinkten folgt, einen Mord. Er zieht sich, auch um andere vor sich selbst zu schützen, in den Wald zurück, um nach dem Pilz zu suchen, der ihn verwandelte. Aber seine Vergangenheit holt ihn ein, der Jäger wird zum Gejagten. Denn für seinen ehemaligen Mandanten Pius Ott (gespielt von Jürgen Prochnow) weiß er zu viel.

Buchautor Suter sagt über den Film: "Wenn man aus einem Roman von gut dreihundert Seiten einen Film von neunzig Minuten machen will, muss man straffen, streichen und ändern. Die Schwierigkeit besteht darin, die richtigen Striche, Straffungen und Änderungen zu machen. Das ist hier gelungen." Seinen Antihelden erklärt er so: "Der Protagonist musste jemand sein, der eigentlich überhaupt nicht in den Wald passt." Das Album von Pink Floyd – im Film trägt die alternativ lebende künftige Geliebte und Muse Lucille (Nora von Waldstätten) von Anwalt Blank ein T-Shirt mit dem Cover - bezeichnet Suter als eines seiner liebsten. Zudem sei die Musik zu ihrer Zeit eine treue Tripbegleiterin gewesen.

Schon wegen des Drogenthemas liegt es nahe, dass Die dunkle Seite des Mondes zu Ausbildungszwecken eingesetzt und damit auch langfristig im Gespräch bleiben wird. Und so wird der ordentlich inszenierte, aber nicht herausragende Film wohl noch lange das Klischee vom cleveren, skrupellosen und gut verdienenden M&A-Anwalt in die Welt hinaustragen. Wer nicht genug Zeit hat für das Buch von Martin Suter oder für die 508 Minuten des Hörbuchs in der ungekürzten Fassung, sollte sich das 97-minütige Werk aber ansehen. Schon um mitreden zu können.

Der Autor Tobias Sommer ist Fachanwalt für Medien- und Urheberrecht sowie gewerblichen Rechtsschutz in Berlin und Mit-Macher des Blogs Recht und Film.

Zitiervorschlag

Tobias Sommer , Film Die Dunkle Seite des Mondes: Anwälte passen nicht in den Wald . In: Legal Tribune Online, 14.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18146/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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