Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Mai 2014: Justizskandal in Bayern? – Edathy legt Verfassungsbeschwerde ein – Geschäftsmodell Hartz-IV-Klage

05.05.2014

Justiz

Unterlagen für NSA-Ausschuss: Nach einem Bericht des Spiegel (Hubert Gude und andere, Zusammenfassung auf spiegel.de) werde das Bundesverfassungsgericht in Zusammenhang mit dem NSA-Untersuchungsausschuss auf Betreiben der Opposition möglicherweise noch weitere Streitfälle als die Anhörung Snowdens klären müssen: So sollen den Abgeordneten etwa Einblicke in die Informationen über das sogenannte No-Spy-Abkommen mit den USA verwehrt bleiben; die Bundesregierung berufe sich hier auf die noch andauernden Verhandlungen und den "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung". Mit Blick auf bi- oder multilaterale geheimdienstliche Zusammenarbeiten sollen Informationen nur eingeschränkt und mit Zustimmung des entsprechenden Drittstaates herausgegeben werden. Weiter befasst sich der Beitrag mit dem Gutachten und dem Besuch von Kanzlerin Merkel bei US-Präsident Obama. Es berichtet dazu auch die Montags-SZ (Robert Rossmann).

Heribert Prantl (Montags-SZ) kommentiert, nicht die Zurückhaltung von Informationen diene dem Staatswohl, das Vorgehen gefährde selbiges vielmehr. Bei einer Berufung auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung sieht Prantl die Bundesregierung mit schlechten Karten: Jeder wisse doch, dass die Verhandlungen gescheitert seien, der Vorgang also abgeschlossen sei.

Edathy - Verfassungsbeschwerde: Nach einem Bericht des Spiegel hat Sebastian Edathy, ehemaliger Bundestagsabgeordneter (SPD), nach gescheiterter Beschwerde gegen die im Februar ergangenen Durchsuchungsbeschlüsse vor dem Landgericht Hannover nun Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Laut Edathys Anwalt, Christian Noll, sei zu Unrecht von einem Anfangsverdacht ausgegangen worden: Von einem viele Jahre zurückliegenden und nicht strafbaren Verhalten auf kriminelles Verhalten in der Gegenwart zu schließen, sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig. Dazu auch spiegel.de und die FR (Mira Gajevic).

Edathy – "Dubioses aus dem Datenspeicher": Laut dem Abschlussbericht des Landeskriminalamtes Niedersachsen habe Sebastian Edathy mehrmals "strafbares Material", kinderpornographische Bilder und Videos, über das Internet abgerufen, berichtet die Samstags-SZ (Jochen Becker/Tanjev Schultz). Auch sei bei einer Durchsuchung der Privat- und Büroräume des SPD-Politikers eine CD mit weiterem entsprechenden Material gefunden worden.

"Bestraft schon vor der Strafe", kommentiert separat Tanjev Schultz (Samstags-SZ): "Den Rechtsstaat und eine zivile Gesellschaft" zeichne aus, dass sie auch Täter schützen, vor Rache oder maßloser Verfolgung.

Die Montags-taz (Anna Lehmann) berichtet zum Thema und erläutert, die Staatsanwaltschaft Niedersachsen wolle wegen Geheimnisverrats ermitteln, nachdem nun abermals Informationen "durchgestochen" worden seien. Die FAS (Patrick Bahners) meldet, Edathy solle nach Ansicht der Grünen "möglichst bald" vor einem Untersuchungsausschuss aussagen.

BVerfG – Richter Gerhardt: Der als Berichterstatter im NPD-Verbotsverfahren fungierende Bundesverfassungsrichter Michael Gerhardt hat laut Spiegel beim Bundesjustizministerium aus "persönlichen Gründen" um die Versetzung in den Ruhestand gebeten. Gerhardts Amtszeit liefe eigentlich bis zum Sommer 2015, nun müsse schnell ein Nachfolge gefunden werden. Die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) widmet dem Thema einen Artikel und porträtiert das Schaffen des 66-Jährigen* im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts - "ein unkonventioneller Kopf". Die SPD habe das informelle Vorschlagsrecht für die Nachfolge, die bereits für die ausscheidende Richterin Gertrude Lübbe-Wolff eine Nachfolge sucht.

Interview Voßkuhle: Mit dem Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle spricht die Montags-FAZ (Reinhard Müller, Zusammenfassung auf Faz.net) unter anderem über die Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa, Kritik am Gericht, die Wahl der Verfassungsrichter und warum eine Wahl durch das Plenum, nicht aber eine mit Aussprache, unschädlich sei, warum ein Anwalt als Richter gut sein, die Entscheidung zur Europawahl-Sperrklausel, die erste Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und, ob dem Bundestag in Sachen Europa zu viel zugemutet werde.

BAG-Präsidentin - Mindestlohn: Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Ingrid Schmid spricht im Interview der Woche im Deutschlandfunk (Birgit Wentzien) unter anderem über den 60. Geburtstag des Gerichts, warum die Fälle immer komplexer werden und es noch kein Arbeitsgesetzbuch gibt, die Arbeit der Großen Koalition und warum der Mindestlohn auf jeden Fall die Arbeitsgerichte beschäftigen werde.

"Syndikusanwälte bangen um ihre Rechte": Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn/Kerstin Schwenn) befasst sich ausführlich mit dem Kampf deutscher Syndikusanwälte für den Erhalt ihrer privaten Altersvorsorge. Das Bundessozialgericht hatte im April entschieden, dass Syndikusanwälte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen. Nun habe sich, so die FAZ, der Bundesarbeitskreis Christlich Demokratischer Juristen auf ihre Seite geschlagen und fordere eine Korrektur der Entscheidung.

Geschäftsmodell Hartz-IV-Klagen: Tausende Anwälte verdienen in Deutschland ihr Geld mit Hartz-IV-Klagen, so der Spiegel. Allein im Jahr 2012 habe der Staat knapp 40 Millionen Euro an Anwaltshonoraren für Hilfsempfänger ausgeben müssen. Dazu erscheine nun das Buch "Vorsicht Rechtsanwalt – ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral" des ehemaligen Fernsehjournalisten und Juristen Joachim Wagner.

VG Berlin – Klage gegen Bundesfamilienministerium: Laut sueddeutsche.de (Constanze von Bullion) hat die Gleichstellungsbeauftragte des Familienministeriums, Kristin Rose-Möhring, Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin eingereicht, das an diesem Donnerstag verhandeln wird. In der Sache gehe es um die Besetzung dreier Spitzenpositionen im Ministerium mit Männern zwischen 2011 und 2012, bei welchen Rose-Möhring gar nicht oder nach Feststehen der Entscheidung hinzugezogen wurde. Dazu berichtet auch spiegel.de.

LG München I – Ecclestone-Prozess: Die Verteidiger Bernie Ecclestones im Prozess vor dem Münchener Landgericht haben ihre Strategie vor der Vernehmung Gerhard Gribkowskys an vergangenen Freitag klar gemacht: Laut FAZ (Christoph Becker, ausführlicher Faz.net) soll dem ehemaligen Vorstand der Bayerischen Landesbank Gribkowsky die Amtsträgereigenschaft für das in Frage stehende Formel-1 Geschäft abgesprochen werden. Dann bliebe "nur" eine Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Da die Deals nicht der Daseinsvorsorge der bayerische Bevölkerung dienten, hätten sie gar nicht dem Auftrag der Landesbank entsprochen. Dazu berichtet auch die Samstags-SZ (Christoph Giesen). Laut spiegel.de haben zwei früher mit dem Fall befasste Staatsanwälte, die am vergangenen Freitag aussagten, erklärt, es lägen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass, wie Ecclestone behauptet, dieser von Gribkowsky um die gezahlten 44 Millionen US-Dollar erpresst wurde.

Wie Andrea Titz, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbundes und Gerichtssprecherin im Ecclestone-Prozess den "Gerichtssaal zum Laufsteg" macht und damit das ein oder andere Klischee entlarve, weiß die Samstags-Welt (Hannelore Crolly/Andre Tauber) zu berichten.

AG Berlin-Tiergarten – Kinderwunschbehandlung: Nach Einspruch gegen einen Strafbefehl über 42.000 Euro verhandelt das Amtsgericht Berlin-Tiergarten an diesem Dienstag über den Fall des wegen Verstoßes gegen das Embryonenschutzgesetz angeklagten Arztes Manfred Miehe. Miehe habe Frauen auf eine künstliche Befruchtung in einer österreichischen Praxis vorbereitet, erläutert der Spiegel (Udo Ludwig, Zusammenfassung auf spiegel.de). Die Staatsanwaltschaft München habe gegen Dutzende deutscher Gynäkologen ermittelt, die mit dem österreichischen Fortpflanzungsexperten Professor Herbert Zech zusammen gearbeitet hätten.

Mahler angeklagt: Wie der Spiegel knapp meldet, ist Horst Mahler, inhaftierter Ex-Terrorist und Neonazi erneut wegen Volksverhetzung angeklagt worden. In der Sache gehe es um ein von ihm in Haft verfasstes antisemitisches Pamphlet.

EuGH zu Finanztransaktionssteuer: Mit den Hintergründen der vom Europäischen Gerichtshof als verfrüht zurückgewiesenen Klage Großbritanniens gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer durch elf EU-Staaten befassen sich der Staatsrechtler Rainer Wernsmann und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Cornelia Zirkl für lto.de und meinen, das sei nicht die letzte Klage gewesen, die "entscheidende Schlacht" stehe noch bevor.

LG Ulm zu Sterbehilfe: Im Wissenschafts-Teil des Spiegel (Beate Lakotta) findet sich eine eindrückliche Reportage über einen Strafprozess vor dem Ulmer Landgericht, in welchem der Sohn und die Frau eines vor fünf Jahren im Alter von 70 Jahren verstorbenen, lungenkrebskranken Mannes wegen Tötung auf Verlangen angeklagt worden waren und der nach einer Einigung und Auflagen (Zahlung von 15.000 Euro pro Person) eingestellt wurde. Im Verfahren mit insgesamt 14 Sachverständigen und vier Verteidigern ging es um die Frage, ob die erhöhte Morphin-Gabe durch den Sohn, selbst Professor für Chirurgie, den Todeszeitpunkt im Kampf gegen einen Erstickungstod nach vorn verlegt habe. Oberstaatsanwalt Christof Lehr habe ein "wegweisendes Urteil" zur Sterbehilfe angestrebt, wo, so der Spiegel, lediglich ein Grundprinzip der Palliativmedizin, rechtlich und ethisch verankert, zum Tragen kam.

NSU-Prozess: Focus.de bilanziert ein Jahr NSU-Prozess: "Der harte Kampf der Richter gegen die eiskalte Angeklagte Beate Zschäpe". Die Montags-FAZ (Karin Truscheit) berichtet ebenfalls, unter dem Titel "Minirock und Bomberjacke".

Jugendkriminalität: Eine breit angelegte Reportage des Focus (Gregor Dolak/Andre Weikard/Marco Wisniewski, Zusammenfassung auf focus.de) befasst sich mit dem Rückgang der Jugendkriminalität. Zwar habe die Jugenddelinquenz in den vergangenen drei Jahre um 17 Prozent abgenommen, zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Realitäten klaffe aber eine große Lücke. Eine kleine Gruppe Intensivtäter stelle sich indes gegen diesen Trend, "auffällig hoch" sei die Gewaltrate auch an Haupt- und Sonderschulen.

Separat porträtiert der Focus (Göran Schattauser) die Berliner Jugendrichterin Corinna Sassenroth, die von einer stark sinkenden Zahl an Jugendstrafverfahren in Berlin spricht. Zurückzuführen sei dieser Trend nach Ansicht der Juristin vor allem auf schnellere Reaktionszeiten der Justiz und eine bessere Zusammenarbeit von Polizei, Jugendämtern, Sozialbehörden und der Justiz.

Prokon pleite – Anwälte reich: Ein ausführlicher Bericht in der Welt am Sonntag (Arne Gottschalck) erläutert, warum fehlgeschlagene Geldanlagen, wie etwa jüngst die Prokon-Pleite, "Anwalts Liebling" und Mandanten-Garant sind.

BVerfG – Briefeinwurf provoziert Bundespolizei: Die Montags-taz (Christian Rath) berichtet über einen Vorfall beim Bundesverfassungsgericht aus diesem April. Der dunkelhäutiger Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah habe eine Vollmacht in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen. Ein diensthabender Bundespolizist habe ihn dazu befragt und seinen Ausweis sehen wollen. Der Rechtsanwalt habe sich geweigert und sei wenig später in Handfesseln gewesen. Gegen den Anwalt liege bereits eine Anzeige wegen Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor, er selbst habe Anzeige erstattet unter anderem wegen falscher Verdächtigung und Nötigung im Amt.

*Anm. d. v. 5. Mai 2014: Hier stand zunächst fälschlich "der 60-Jährige".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Mai 2014: Justizskandal in Bayern? – Edathy legt Verfassungsbeschwerde ein – Geschäftsmodell Hartz-IV-Klage . In: Legal Tribune Online, 05.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11854/ (abgerufen am: 15.05.2024 )

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