Die juristische Presseschau vom 6. Oktober 2011: Pfahls mit Teilgeständnis – Bundesgerichtshof mit Personalstreit – Italien ohne Wikipedia

Ralf Oberndörfer

06.10.2011

Der Prozess gegen den ehemaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium Holger Pfahls ist Thema des Tages. Außerdem in der Presseschau: Der Personalstreit am Bundesgerichtshof zwischen Tolksdorf und Fischer, Ermittlungen wegen einer Sitzblockade in Dresden im Jahr 2010, Haftung für deutschen Weltraumschrott, ein geplantes Mediengesetz in Italien und vieles andere.

Teilgeständnis Pfahls: In einem Prozess vor dem Landgericht Augsburg hat der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Holger Pfahls, ein Teilgeständnis abgelegt. Ihm werden Bankrott, falsche Versicherung an Eides statt, Steuerhinterziehung und Erpressung vorgeworfen. Pfahls, der im Jahr 2005 bereits wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war, habe, wie unter anderem die FAZ (ff.) berichtet, nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den Fiskus über seine Vermögenssituation bewußt getäuscht und einen aufwändigen Lebensstil gepflegt.

Laut Berichten unter anderem in der FR schulde Pfahls dem Fiskus noch 3,7 Millionen Euro. Pfahls habe eingeräumt, falsche Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen gemacht zu haben, bestreite jedoch den Umfang der Forderung. Wie focus.de (Sandra Tjong) weiter berichtet, habe Pfahls über Strohmänner Geld verschoben, um es vor Gläubigern zu verstecken. Allein über eine Briefkastenfirma in Luxemburg namens Lemor, so spiegel.de (Markus Dettmer) habe Pfahls über 3,9 Millionen Euro verfügt. Weitere 2,1 Millionen Euro, so bild.de, lägen laut Angaben des Anwalts Lechner auf Konten in den Bahamas.

Pfahls bestreite, dass das Geld überwiegend von dem Waffenlobbyisten Karl-Heinz Schreiber stamme. Die SZ (Hans Holzhaider) rechnet damit, dass weitere Geständnisse von den acht Mitangeklagten folgen dürften.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Kauder im Internet: Ansgar Koreng (lto.de) diskutiert die Vorschläge Siegfried Kauders, Raubkopierern den Zugang zum Internet zu sperren und hält diese juristisch für nicht durchsetzbar. Der Internetanschluss werde auf diese Weise zu einer Gefahrenquelle erklärt, für die nicht nur derjenige hafte, der sich falsch verhalte. Jeder Anschlussinhaber müsse ohne Verschulden für jedes urheberrechtswidrige Verhalten geradestehen.

Zu den Versuchen Kauders, der selbst urheberrechtlich geschütztes Bild- und Textmaterial auf seiner Website verwendete, eine Position des Konservativismus zur Netzpolitik zu entwickeln, bloggt Sascha Lobo (spiegel.de): "Es kann nicht konservativ sein, keine Ahnung zu haben - schon, weil das jede Versachlichung der Debatte verhindert."

Recht und Staat in der Krise: Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio (FAZ) sieht in einem Essay zum Verhältnis von Verfassungsstaat und den Grenzen der Regelungsfunktion des Rechts den Westen am Scheideweg angekommen. Angesichts der internationalen Finanzkrise stellt die Fabio die Frage: "Was gelten denn die Idyllen der territorial begrenzten Demokratie, wenn das Haus Europa Risse zeigt, wenn ein aus den Fugen geratendes System globaler Interdependenzen das politische Handeln unerbittlich diktiert?"

Weitere Themen – Justiz

Personalstreit am Bundesgerichtshof: Dem Konflikt zwischen dem Präsidenten des BGH, Klaus Tolksdorf, und dem Richter des 2. Strafsenat, Thomas Fischer, widmet Die Zeit (Sabine Rückert) das Dossier dieser Woche. Fischer wehrt sich seit Mai 2011 vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen die dienstliche Beurteilung durch seinen Vorgesetzten Tolksdorf, mit der dieser verhindern wolle, dass Fischer den Vorsitz im 2. Senat übernehme. Bei diesem Konflikt gehe es um zwei divergierende Richterleitbilder, darum, wie zurückhaltend ein Richter sein müsse oder wie sehr er sich kontrovers in rechtspolitische Diskussionen beispielsweise zum strafrechtlichen "Deal" oder zur NS-Vergangenheit der Justiz einbringen dürfe.

Rückert, die Tolksdorfs Vorgehensweise für nicht nachvollziehbar hält, konstatiert für den Fall, dass Fischer mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht scheitert, Fischer bliebe als kritischer Wissenschaftler dem Strafrecht erhalten, der BGH müsse sich in diesem Fall jedoch die Frage gefallen lassen, ob er ein Gericht sein wolle, das die Besten aussortiere.

Sitzblockade in Dresden: Über die Ermittlungsverfahren gegen vier Fraktionsvorsitzende der Linkspartei berichtet die SZ (Christiane Kohl). Bodo Ramelow (Thüringen), André Hahn (Sachsen) der Doppelspitze in Hessen werde zur Last gelegt, zur Sitzblockade in Dresden im Februar 2010 aufgerufen und damit gegen das Sächsische Versammlungsgesetz verstoßen zu haben. Allerdings sei das Gesetz zum Zeitpunkt der Sitzblockade ungültig gewesen. Ob das Bundesversammlungsgesetz diese Regelungslücke füllen könne, sei strittig, da es ein höheres Strafmaß als das ungültige Landesgesetz vorsehe. Eine rückwirkende Anwendung eines härteren Gesetzes sei jedoch nicht zulässig.

Die taz (Sebastian Erb) berichtet, dass der Justizausschuss des Thüringer Landtags die Immunität Bodo Ramelows am Mittwoch aufgehoben habe. Ramelow spreche von politisch motivierten Ermittlungen und verweise auf ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das in diesem Fall eine Regelungslücke festgestellt habe.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Italien ohne Wikipedia: Wie unter anderem handelsblatt.com berichtet, hat sich das italienische Wikipedia aus Protest gegen ein neues Internet-Gesetz selbst abgeschaltet. Der Entwurf sehe eine Verpflichtung für Webseiten vor, innerhalb von 48 Stunden jegliche Korrektur am Inhalt vorzunehmen, die der Antragsteller im Interesse seiner Reputation fordere. Eine unabhängige Prüfung der Änderungswünsche sei im Gesetz nicht vorgesehen. Mit dem Schritt wolle man auf die Gefahren für die Informationsfreiheit reagieren. Markus Horeld (zeit.de) sieht in dem Gesetzentwurf "die letzten Zuckungen des Berlusconismus". Träte das Gesetz in Kraft, bedeute dies das Ende des italienischen Rechtsstaats.

Sonstiges

Haftung für Weltraumschrott: Angesichts des bevorstehenden Eintritts in die Atmosphäre von etwa 1,6 Tonnen Material des Röntgensatelliten Rosat weist FTD (Gerhard Hegmann) darauf hin, dass auf Deutschland erstmalig Schadensersatzzahlungen zukommen könnten. Laut Weltraumrecht hafteten die Start-Staaten eines Satelliten als Gesamtschuldner. Im Falle von Rosat seien das Deutschland, die USA, die die Trägerrakete geliefert habe, sowie Großbritannien, von dem eines der Instrumente stamme.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau. Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.

lto/ro


(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Ralf Oberndörfer, Die juristische Presseschau vom 6. Oktober 2011: Pfahls mit Teilgeständnis – Bundesgerichtshof mit Personalstreit – Italien ohne Wikipedia . In: Legal Tribune Online, 06.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4476/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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