Streifzug durch das Honigrecht: Wann darf sich Honig "Honig" nennen?

Gastbeitrag von RA Dr. Barbara Klaus

18.05.2023

Wie bei vielen anderen Lebensmitteln kann es auch beim Honig zu einem Lebensmittelbetrug kommen. Dr. Barbara Klaus erläutert, worauf es bei der Produktbezeichnung "Honig" ankommt und wer die Verantwortung für Verstöße trägt. 

Dutzende Gläser, gefüllt mit Honig in jeglichem Goldton, zieren die Regale der Supermärkte. Nun geht jedoch EU-weit ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit. Denn bei 46 Prozent zufällig genommener Proben von Honig aus Nicht-EU-Staaten besteht ein Verdacht auf Honigverfälschung. Zu diesem Ergebnis kam die Aktion "From the hives" ("Aus den Bienenstöcken") des EU-Netzwerks "Agrar- und Lebensmittelbetrug". 2021/22 wurden hierbei Proben von Nicht-EU-Honig auf die Übereinstimmung mit lebensmittelrechtlichen Vorschriften bzgl. Beschaffenheit und Kennzeichnung überprüft. Diese Ergebnisse, die die EU-Kommission kürzlich veröffentlichte, verdeutlichen den Handlungsbedarf zur Betrugsbekämpfungsaktion. Die EU-Kommission plant, die Regelung für die Ursprungskennzeichnung von Honig zu verschärfen.

Honig ist eine geschützte Bezeichnung. Das bestimmen sowohl die EU-Honig-Richtlinie (EU-Richtlinie 2001/110/EG) als auch die deutsche Honigverordnung. Nur Produkte, die den gesetzlich definierten Erzeugnissen entsprechen, dürfen sich auch "Honig" nennen.

Ein durch Vermarktungsnormen gewährter Bezeichnungsschutz besteht auch für zahlreiche andere, insbesondere Agrarlebensmittel (z.B. Milch, Wein, Olivenöl, Fruchtsaft, Marmelade). Solche Vermarktungsnormen definieren die Beschaffenheit eines Lebensmittels abhängig von dessen Qualität und Herstellung und legen eine geschützte Bezeichnung für dieses fest. Erzeugnisse, die diesen Anforderungen entsprechen, müssen diese als Verkehrsbezeichnung tragen, während die übrigen Erzeugnisse nicht unter der geschützten Bezeichnung vermarktet werden dürfen. Die Anwendung solcher Vermarktungsnormen liegt zum einem im Interesse der Erzeuger und Händler geschützter Produkte; sie zielt aber auch darauf ab, die Verbraucher davor zu schützen, durch eine bestimmte Bezeichnung auf dem Etikett, in der Aufmachung und/oder in der Werbung über die Eigenschaften und die Qualität von Lebensmitteln irregeführt zu werden.

Was man bei der Bezeichnung "Honig" erwarten darf

Was Honig anbelangt, ist dieser gesetzlich definiert als "natursüßer Stoff, [mehrheitlich bestehend aus Fructose- und Glucose-Zucker,] der von Honigbienen erzeugt wird, indem die Bienen Nektar von Pflanzen [oder anderweitig, z.B. Honigtau] aufnehmen, durch Kombination mit eigenen […] Stoffen umwandeln, einlagern, dehydrieren und in den Waben des Bienenstockes speichern und reifen lassen." (EU-Richtlinie 2001/110/EG, Anhang I Nr. 1). Chemisch handelt es sich bei Honig also um eine Lösung von Zuckerarten, vorwiegend Fruktose und Glukose. 

Um die Reinheit von Honig als unverarbeitetes landwirtschaftliches Roherzeugnis zu erhalten, dürfen ihm keine anderen Stoffe zugefügt werden. Verboten ist insbesondere die Beimischung von Aromen, Zucker und Wasser, auch wenn diese Stoffe im Honig von Natur aus enthalten sind. Genau hier setzen Verfälschungspraktiken an: Um die Honigmenge zu steigern, werden zum Beispiel preisgünstige Zuckersirupe beigemischt, um den so "gestreckten Honig" entsprechend billiger verkaufen zu können.  

Aufgrund des gesetzlichen "Reinheitsgebotes" für Honig stellt der Vertrieb von "gestrecktem Honig" als "natürlichem (reinen) Honig" eine Irreführung der Verbraucher und somit eine unlautere Wettbewerbs- / bzw. Geschäftshandlung dar, gegen die Rechtsmittel nach dem Lauterkeitsrecht in Betracht kommen. Diese Praktiken können zudem behördliche Maßnahmen sowie Sanktionen nach sich ziehen. Entspricht ein als "Honig" bezeichnetes Produkt nicht den hier geltenden gesetzlichen Anforderungen, kann zum Beispiel der Import in die EU und die Vermarktung in den Mitgliedstaaten untersagt werden. Zudem kann bzgl. der betroffenen Waren eine Sicherstellung und, sofern schon in Verkehr gebracht, ein Rückruf angeordnet werden. Auch Bußgelder und Verwaltungsstrafen bzw. -sanktionen kommen in Betracht.

Jedes Glied in der Lebensmittelkette trägt Verantwortung

Problematisch ist allerdings, dass der Nachweis von Verfälschungen von Honig beispielsweise durch das Zugeben von industriell hergestellten Sirupen, komplex und nur unter Anwendung aufwendiger Analysemethoden möglich ist. Das erschwert die Feststellung von Verstößen. Unmöglich ist es jedoch nicht, wie auch die Aktion "From the hives" zeigt und im Rahmen derer es laut Kommissionsangaben bereits zu Bestrafungen von involvierten Unternehmen kam. 

Zwar sind Hersteller außerhalb der EU weiterhin nur schwierig zu belangen. Allerdings können sich auch die Importeure unzulässigerweise als "Honig" bezeichneter Produkte sowie die Händler beim Vertrieb in den Mitgliedstaaten haft- und strafbar machen. Die Verantwortung für die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen kann auch nicht einfach auf den Vorder- oder Hintermann in der Lebensmittelkette geschoben werden. Vielmehr schreibt das in der EU geltende Lebensmittelrecht vor, dass jedem Lebensmittelunternehmer die Einhaltung all derjenigen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen obliegt, die jeweils für seine Tätigkeit gelten. 

Gesetzesverstöße kommen auch im Hinblick auf weitere behauptete Eigenschaften vor. So kann bei der Kennzeichnung von Honig die botanische Herkunft genannt werden, z.B. Blütenhonig, Honigtauhonig (bekannt auch als Waldhonig) oder Sonnenblumenhonig. Die verantwortlichen Lebensmittelunternehmer müssen nachweisen können, dass diese Angaben richtig sind. "Blütenhonig" muss also tatsächlich überwiegend aus Blütennektar von Pflanzen stammen. Als Pflichtangabe muss bei Honig zudem jedes Ursprungsland, in dem er erzeugt wurde, angegeben werden. Auch diese Angaben müssen belegbar sein. 

Auch freiwillige Angaben müssen stimmen

Davon abzugrenzen sind freiwillige Angaben, wie z.B. das Gütezeichen "Echter Deutscher Honig". Diese Angabe ist markenrechtlich geschützt und darf nur verwendet werden, wenn die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Qualitätsanforderungen des Deutschen Imkerbundes erfüllt sind. Weitere Beispiele für freiwillige Qualitätsangaben sind "DIB-Gewährverschluss" und "Geprüfte Qualität aus Bayern". Darüber hinaus sehen die Leitsätze für Honig besondere Beurteilungsmerkmale für Honig besonderer Qualität vor, der Angaben wie "Auslese" oder "Premium" tragen darf. Zudem ist dort geregelt, wann Angaben wie "vom Imker abgefüllt" bzw. "aus eigener Imkerei" gemacht werden dürfen.

Eine weitere freiwillige Kennzeichnung stellen die sog. qualifizierten geografischen Herkunftsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse dar, bekannt als "geschützte Ursprungsbezeichnungen" (g.U.) bzw. "geschützte geografische Angaben" (g.g.A.). Produkte dürfen diese Bezeichnung nur dann tragen, wenn ihre Beschaffenheit den mit der Herkunftsangabe verbundenen Produktqualitäten entspricht. 

Angaben über die geografische Herkunft sowie Gewinnung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse können beim Verbraucher als Qualitätskriterium wahrgenommen werden. Das gilt auch für die traditionelle Herstellung bestimmter Produkte. Die Verwendung geografischer Herkunftsbezeichnungen kann folglich Wettbewerbsvorteile liefern. Eingetragene Bezeichnungen unterliegen daher einem speziellen Schutz vor Missbrauch und Nachahmung. Für Honig bestehen zahlreiche geschützte Ursprungsbezeichnungen (z.B. "Miele delle Dolomiti Bellunesi", d.h. Honig der Dolomiti Bellunesi) und geschützte geografische Angaben (z.B. "Slovenski Med", d.h. "slowenischer Lindenhonig"). 

Dieser kurze Streifzug durch das Honigrecht zeigt, dass es sich um einen streng regulierten Bereich handelt. Bei Verstößen muss es sich allerdings nicht zwingend um betrügerische Machenschaften handeln. Fallstricken lauern jedoch an allen Ecken und Enden. Angemessene innerbetriebliche Eigenkontrollen, um Verstöße zu vermeiden einerseits und amtliche Kontrollen, um solche aufzudecken und ggf. zu ahnden andererseits, sind daher umso notwendiger, um den Regeln zum Schutz des speziellen Naturprodukts "Honig" mit einer jahrtausendealten Tradition gebührend Geltung zu verschaffen. Nur so können Markteilnehmer, die sich an die Regeln halten und die Verbraucher angemessen geschützt werden.  

Dr. Barbara Klaus ist sowohl in Deutschland als auch in Italien als Rechtsanwältin zugelassen und Partnerin bei Rödl & Partner in Nürnberg und Mailand. Sie berät Unternehmen zu nationalen, europäischen und internationalen Rechtsfragen mit Schwerpunkt Lebensmittel- und Pharmarecht.

Zitiervorschlag

Streifzug durch das Honigrecht: Wann darf sich Honig "Honig" nennen? . In: Legal Tribune Online, 18.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51807/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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