Hochwasserschutz: Damit Bäche nicht zu reißenden Flüssen werden

Die Situation in den Krisengebieten in Ostdeutschland und Polen stabilisiert sich nur langsam, das Hochwassser hat enorme und nicht nur materielle Schäden hinterlassen. Schlägt die Natur zurück? Die in diesem Jahr in Kraft getretenen Neuregelungen zum Hochwasserschutz setzen auf Vorbeugung.

Nach tagelangen Regenfällen und dem Bruch eines Staudamms in Polen wurden Teile Polens, Tschechiens und Sachsens von einer Hochwasserwelle überflutet. In Görlitz, wo der Pegel der Neiße am Samstag einen Höchststand von 7,20 Metern erreichte, wurden ganze Stadtteile evakuiert, bei Chemnitz sind drei Menschen ertrunken. Brandenburg und Sachsen warnen weiterhin vor Hochwasser, die Überschwemmungen können massiv sein.

Mit dem am 1. März 2010 in Kraft getretenen „Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts“ (BGBl. I 2009, S. 2585) hat der Bundesgesetzgeber dieses Rechtsgebiet grundlegend novelliert, unter anderem durch Erlass eines neuen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Während das alte WHG – bedingt durch die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung – noch ein bloßes Rahmengesetz war, das der Ausfüllung durch Ländergesetze bedurfte, enthält das WHG 2010 erstmals umfassende bundesrechtliche Vollregelungen. Den Weg hierfür hatte die Föderalismusreform 2006 geebnet.

Das WHG 2010 enthält zum Hochwasserschutz einen eigenen Abschnitt (§§ 72 bis 81 WHG), der auch der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben dient (Richtlinie 2007/60/EG). Nach der gesetzlichen Definition in § 72 WHG versteht man unter „Hochwasser“ die zeitlich begrenzte Überschwemmung von normalerweise nicht mit Wasser bedecktem Land durch oberirdische Gewässer oder durch in Küstengebiete eindringendes Meerwasser.

Bewertung, Karten und Risikomanagement: Dreistufiges System

Das Gesetz sieht im Wesentlichen ein dreistufiges System zur behördlichen Bewältigung von Hochwasserrisiken vor: Erste Stufe ist die Bewertung des Hochwasserrisikos nach einheitlichen europarechtlichen Vorgaben mit anschließender Bestimmung von Risikogebieten (§ 73 WHG).

Auf der zweiten Stufe haben die zuständigen Behörden Gefahren- und Risikokarten zu erstellen (§ 74 WHG). Gefahrenkarten müssen Angaben enthalten zum Ausmaß einer drohenden Überflutung, zur Wassertiefe und zur Fließgeschwindigkeit. Risikokarten erfassen mögliche nachteilige Folgen von Hochwasserereignissen. Die Karten müssen bis zum 22. Dezember 2013 erstellt sein und danach alle sechs Jahre überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden.

Als dritte Stufe sieht das WHG die Aufstellung von Risikomanagementplänen vor (§ 75 WHG). Diese dienen dazu, die nachteiligen Folgen von Hochwasserereignissen zu verringern, indem sie bestimmte Maßnahmen vorsehen. Solche Maßnahmen können zum Beispiel der Erhalt oder die Wiederherstellung von Auen oder Auenwäldern sein, der Erhalt oder die Rückgewinnung von Rückhalteflächen oder die Rückverlegung von Deichen. Auch Deichsanierungsprogramme können als Maßnahmen in einen Plan aufgenommen werden.

Festsetzung von Überschwemmungsgebieten – gebaut wird hingegen nicht

§ 76 Abs. 2 WHG verpflichtet die Landesregierungen dazu, durch Rechtsverordnung Überschwemmungsgebiete festzusetzen. Darunter versteht man Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen werden oder die für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden.

In Überschwemmungsgebieten gilt eine ganze Reihe von Verboten (§ 78 WHG): So ist dort etwa die Ausweisung von Baugebieten grundsätzlich untersagt. Verboten ist auch die Errichtung oder Erweiterung von baulichen Anlagen oder das Aufbringen und Ablagern von wassergefährdenden Stoffen. Die Erdoberfläche darf nicht erhöht oder vertieft werden und Grünland darf nicht in Ackerland umgewandelt werden. Außerdem dürfen Gegenstände, die den Wasserabfluss behindern oder die fortgeschwemmt werden können, in einem Überschwemmungsgebiet nicht längerfristig abgelagert werden. Unter bestimmten, engen Voraussetzungen sind Ausnahmen von den Verboten möglich.

In der Vergangenheit wurden solche Ausnahmen oftmals recht großzügig gewährt. Die aktuellen Hochwasserereignisse in Sachsen zeigen aber, dass Hochwasserschutz sehr ernst genommen werden muss und dass sich behördliche oder politische Entscheidungsträger ihrer Verantwortung bewusst sein müssen, wenn sie etwa eine Bebauung von Überschwemmungsgebieten zulassen wollen.

Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.

Zitiervorschlag

Alfred Scheidler, Hochwasserschutz: Damit Bäche nicht zu reißenden Flüssen werden . In: Legal Tribune Online, 10.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1174/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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