DNA-Tests: Genetische Rasterfahndung geplant

von Prof. Dr. Sabine Swoboda

09.12.2013

2/2: Nur eine statistische Wahrscheinlichkeitsaussage

Die Große Koalition überschätzt außerdem die Aussagekraft von DNA-Identifizierungsmustern für das Strafverfahren. Wer Spuren am Tatort hinterlässt, ist nicht zwingend der Täter. Und eine Ähnlichkeit im DNA-Profil mag zwar auf ein Verwandtschaftsverhältnis hinweisen, kann aber auch schlicht Zufall sein.

Ein genetischer Fingerabdruck umfasst nach europäischem Standard die Analyse von ca. 13 bis 16 repetitiven DNA-Sequenzen aus dem nichtkodierenden Bereich der DNA. Für die DNA-Typisierung werden dabei Basensequenzen ausgewählt, die entweder als besonders robust oder zuverlässig gelten oder die angesichts der Zahl und Häufigkeit, mit der sie statistisch in der Bevölkerung vorkommen, eine besonders gute Unterscheidbarkeit der DNA-Profile gewährleisten. Ob eine Person als Spurenleger in Betracht kommt oder mit diesem verwandt sein könnte, ist damit nur eine statistische Wahrscheinlichkeitsaussage.

Allein aus einem genetischen Fingerabdruck lässt sich daher auch nie mit hundertprozentiger Sicherheit ableiten, dass eine Person wirklich der Spurenleger ist. Vielmehr eignet sich die DNA-Analyse vor allem dazu, den Kreis der Tatverdächtigen zu verkleinern, weil viele Personen über ihr DNA-Profil mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sofort ausgeschlossen werden können.

Unkalkulierbare Folgeermittlungen im Familienkreis

Anstatt den Kreis der Tatverdächtigen sinnvoll zu verkleinern, vergrößert die "genetischen Rasterfahndung" den Kreis der durch strafrechtliche Zwangseingriffe Belasteten nun aber auf gut Glück ins Unermessliche. Zudem ist unklar, wie man die zunächst nur potentiell als Täter in Betracht kommenden Familienangehörigen überhaupt zum DNA-Test verpflichten will. Für einen solchen Zwangseingriff verlangt das Gesetz normalerweise einen konkreten Tatverdacht oder zumindest den Nachweis, dass die Person in einer bestimmten Beziehung zur Tat steht.

Beides ist in diesem frühen Ermittlungsstadium, in dem nur genetisch interessante Personenkreise systematisch "gerastert" werden, noch nicht gegeben. Umgekehrt können die "gerasterten" Personen noch keine Zeugnis- oder Untersuchungsverweigerungsrechte geltend machen, denn auch dafür setzt das Gesetz voraus, dass die Beziehung zwischen der getesteten Person und dem mutmaßlichen Täter bekannt ist. Der erzwungenen DNA-Tests dient aber dazu, diese Beziehung erst bekannt zu machen.

Die Aussicht, über die freiwillige Teilnahme an einem Reihen-Gentest schwer kalkulierbare Folgeermittlungen im eigenen Familienkreis auszulösen, könnte zahlreiche Freiwillige von der Teilnahme abhalten. Das wiederum würde die Ergiebigkeit der Reihen-Gentests schwächen.

Gut möglich also, dass die Große Koalition mit ihren Plänen die Aufklärung von schweren Gewalt- und Sexualdelikten nicht erleichtert, sondern letztlich erschwert.

Die Autorin Prof. Dr. Sabine Swoboda ist Inhaberin des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Internationales Strafrecht an der Ruhr-Universität Bochum.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Sabine Swoboda, DNA-Tests: Genetische Rasterfahndung geplant . In: Legal Tribune Online, 09.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10290/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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