Außerirdische: Was E.T. von Rechts wegen zu erwarten hat

von Martin Rath

19.11.2017

2/2 Atmosphärischer Kontakt mit außerirdischen Körpern?

Der US-General Sam C. Phillips (1921–1990) ordnete in seiner Funktion als Direktor des Apollo-Programms mit Schreiben vom 8. Juli 1969 an, dass die von der ersten Mondlandung zurückkehrenden Astronauten Neil Armstrong (1930–2012), Buzz Aldrin (1930–) und Michael Collins (1930–) unter Quarantäne zu nehmen seien.

Das US-Recht nahm diese Regelung als sogenanntes "Extra-Terrestrial Exposure Law" in den "Code of Federal Regulations" auf (14 C.F.R. 1211). Die 1969 erlassene Norm ermächtigte die US-Raumfahrtbehörde NASA, Personen, Eigentum, Tiere, Lebensformen oder sonstige Dinge, die in direkten oder atmosphärischen Kontakt mit außerirdischen Körpern gekommen waren, unter Quarantäne zu nehmen.

Obwohl die Regelung seit 1977 außer Anwendung gesetzt und im Jahr 1991 aus dem "Code of Federal Regulations" entfernt wurde, gibt sie bis heute in Kreisen von UFO-Gläubigen und anderen Esoterikern Anlass zu der Unterstellung, der US-Gesetzgeber habe den Bürgern schlechthin den Kontakt zu etwaig landenden Reisenden von fremden Planeten untersagt.

Metalaw: Menschen sollen Außerirdischen nicht schaden

Zur Ehre der normverarbeitenden Berufe ist festzuhalten, dass nicht die in eine seuchenpolizeiliche Vorschrift gegossene Ansteckungsfurcht den Beginn juristischen Denkens über außerirdische Lebensformen machte.

So formulierte der amerikanische Anwalt und kurzzeitige Militärjurist Andrew G. Haley (1904–1966) das sogenannte "Metalaw", das sich grob übersetzt mit folgenden drei Sätzen wiedergeben lässt:

"1. Menschen sollen Außerirdischen nicht schaden.
2. Außerirdische und Menschen sind Gleiche.
3. Menschen sollen das Interesse Außerirdischer anerkennen, zu leben und hierzu einen sicheren Raum zu haben."

Nicht im Bundestagspräsidium oder der Pariser Modewelt, sondern im Umfeld des SETI-Programms, der von Anwalt Haley mit initiierten wissenschaftlichen "Search for Extraterrestrial Intelligence", werden die "Metalaw"-Regeln bis heute diskutiert (PDF). Dem österreichisch-australischen Weltraumrechtler Ernst Fasan (1926–) fiel etwa folgender Katalog ein:

"1. Kein Partner des Metalaws soll eine Unmöglichkeit verlangen.
2. Eine Metalaw-Regel muss nicht eingehalten werden, wenn dies anderenfalls praktisch zum Untergang der aus ihr verpflichteten Lebensform führen würde.
3. Alle intelligenten Lebensformen des Universums haben grundsätzlich gleiche Rechte und Werte.
4. Jeder Partner von Metalaw hat das Recht auf Selbstbestimmung.
5. Jede Handlung, die einer anderen Lebensform Schaden zufügt, ist zu vermeiden.
6. Jede Lebensform hat Anspruch auf ihren eigenen Lebensraum.
7. Jede Lebensform hat das Recht, sich gegen jede schädliche Handlung einer anderen Lebensform zu verteidigen.
8. Das Prinzip der Erhaltung einer Lebensform hat Vorrang vor der Entwicklung einer anderen Lebensform.
9. Im Schadensfall muss der Schadenersatz die Integrität der geschädigten Partei wiederherstellen.
10. Metalegal-Vereinbarungen und Verträge müssen eingehalten werden.
11. Der anderen Lebensform durch eigene Aktivitäten zu helfen, ist kein legales, sondern ein ethisches Grundprinzip."

Nießbrauchsrecht für interstellaren Raumverkehr?

In seiner australischen Wahlheimat wird Fasan mit den Aborigines unschwer auf Menschen stoßen, deren Vorfahren es vor 200 Jahren wohl gern gesehen hätten, wären die Briten einst mit diesem Katalog aus ihren Schiffen gestiegen.

Nicht nur hierin erinnert der Versuch, Rechtsprinzipien aufzustellen, an die sich auch "Wildfremde" gebunden fühlen könnten, an das alte Vernunft- bzw. Naturrecht, wie es beispielsweise Bartolomé de Las Casas (ca. 1484–1566) für die indigenen Völker der neu entdeckten amerikanischen Kontinente formulierte.

Im englischsprachigen Raum finden sich darüber hinaus Gedankenspiele vom Typ: Gesetzt den Fall, ein Wurmloch diente für interstellaren Raumverkehr, wie wäre ein etwaiges Nießbrauchsrecht daran zu formulieren?

Das mag zugegebenermaßen von geringer Examensrelevanz sein und auch sonst eher fantastisch. Allerdings mag man das rein erdbefangene Prinzip des Nießbrauchs – in ökonomischer, rechtlicher und ethischer Dimension – vielleicht besser verstehen, wenn man es gedanklich einmal in der "Sandbox" von Berechtigten und Verpflichteten durchgespielt hat, deren Interesse am rechtlichen Institut ganz exotisch erscheinen muss.

Dass darüber grundlegende Prinzipien klar werden können, hat Paul Krugman, immerhin Nobel-Gedenkpreisträger für Wirtschaftswissenschaften des Jahres 2008, für sein Fach am Beispiel des interstellaren Handelsverkehrs illustriert (PDF).

Und selbst wenn man von allem gar nichts hält

Selbst wenn man dies alles für überflüssigen Zeitvertreib hält: In "Die Geschichte deines Lebens" erlebt die Hauptfigur in einer erzählerisch sehr geschickt gemachten Anwendung der ethnologischen Sapir-Whorf-Hypothese, wie sich durch den Kontakt mit einer außerirdischen Sprache ihr gesamtes Denken komplett umstrukturiert.

Wie man auch zu Aliens stehen mag: Wer nicht sehen will, worin der Witz dieser Geschichte für angehende Juristinnen und Juristen liegt, muss dringend an seinem Selbstreflexionsvermögen arbeiten.

Martin Rath arbeitet als freier Journalist und Lektor in Ohligs.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Außerirdische: Was E.T. von Rechts wegen zu erwarten hat . In: Legal Tribune Online, 19.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25589/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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