Die juristische Presseschau vom 1. Juni 2011: Freispruch für Schweizer – "Parteisteuern" für Kölner - Pyrrhussieg für Russen

01.06.2011

Jubel wie beim Fußball gab es im Mannheimer Landgericht nach dem Freispruch für Jörg Kachelmann. Auch die Medien begrüßten das Urteil überwiegend. Außerdem in der Presseschau: umstrittene Parteifinanzierung bei der Kölner CDU, das Straßburger Urteil im Fall Chodorkowski und vieles andere.

Kachelmann-Urteil: Das Landgericht Mannheim hat den Wettermoderator Jörg Kachelmann vom Vorwurf der Vergewaltigung seiner Ex-Geliebten freigesprochen und damit den Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" angewandt. Über das Urteil berichten ausführlich u.a. Spiegel.de (Julia Jüttner) und die FAZ (David Klaubert).

In den Kommentaren wird das Urteil überwiegend begrüßt, aber der Prozess kritisiert. Sabine Rückert (zeit.de) schreibt: "Der Kachelmann-Prozess zeigt, dass der Beschuldigte und seine Rechte ganz aus dem Blick geraten können, wenn die Hinwendung zum mutmaßlichen Opfer übermäßig wird."  Alice Schwarzer (bild.de)  erklärt dagegen: "Im Falle eines starken Angeklagten und einer schwachen Nebenklägerin kann das Angeklagten-orientierte Recht eine dramatische Schieflage zu Ungunsten der Opfer ergeben." Strafrechtsprofessorin Monika Frommel sagte im Interview mit focus.de (Sebastian Engel), das Verfahren hätte schon vor Eröffnung der Hauptverhandlung eingestellt werden sollen. Wolfgang Janisch (SZ) lobt dagegen die umfassenden Versuche des Gerichts, den Sachverhalt aufzuklären. Wer "die Wahrheit" verlange, habe übertriebene Erwartungen an den Strafprozess.

Die taz (Simone Schmollack) nimmt das Urteil zum Anlass, Statistiken über den Umgang der Justiz mit Vergewaltigungen zusammenzutragen. Künftig würden wohl noch weniger Sexualdelikte angezeigt werden. Solchen Befürchtungen entgegnet Christian Geyer (FAZ), dass dies kein Grund sein könne "Vergewaltigungsprozesse nach anderen als rechtsstaatlichen Regeln zu führen".

Auch mit der Rolle der Medien im Prozess beschäftigen sich die Medien. Martin W. Huff beschreibt im Interview mit lto.de (Pia Lorenz) die Grenzen der justiziellen Öffentlichkeitsarbeit während eines Strafprozesses. Michael Hanfeld (FAZ) kritisiert, dass manche Journalisten zu stark Partei ergriffen und damit ihren Beruf verfehlt hätten. Dagegen lobt Christian Rath (Badische Zeitung), dass es im Kachelmann-Prozess keine einseitige Medienhetze gab. "Auf wundersame Weise formierten sich die großen Medien zum pluralistischen Diskurs."

Weitere Themen – Rechtspolitik

Anwaltsgebühren: Das Bundesjustizministerium arbeitet an einem Gesetzentwurf zur Erhöhung der Gebühren von Anwälten. Das berichtet die FAZ (Corinna Budras/Joachim Jahn). Das Projekt trage den Titel "Kostenrechtsmodernisierungsgesetz II". Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Wolfgang Ewer, fordert im Interview mit der FAZ (Corinna Budras) Honorarerhöhungen insbesondere im Asyl- und Sozialrecht. Außerdem solle die Haftung der Anwälte auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt werden.

Datenschutz: Rechtsprofessor Alexander Rossnagel plädiert in der FAZ für eine völlige Überarbeitung des Datenschutzrechts. Dieses sei nicht nur völlig unübersichtlich geworden, sondern auch konzeptionell überholt. "Allgegenwärtige IT stellt die zentralen Schutzkonzepte des Datenschutzrechts in Frage." Niemand wolle ständig Anzeigen über laufende Datenspeicherung zur Kenntnis nehmen müssen. Um künftigen Stillstand zu vermeiden, sei eine Vollharmonisierung des Datenschutzrechts auf EU-Ebene abzulehnen.

Weitere Themen - Justiz

Stasi-Klausel: Das OVG Sachsen hat dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof eine Regelung im dortigen Kommunalwahlgesetz zur Prüfung vorgelegt, berichtet lto.de Danach ist die Wahl eines Bürgermeisters in Sachsen nur gültig, wenn er vorher erklärt hat, dass er nicht für die Stasi gearbeitet hat. Dies könnte, so das OVG, gegen das in der Landesverfassung garantierte Recht der freien Wahl verstoßen.

Parteifinanzierung: Die taz (Pascal Beucker/Frank Überall) beschreibt Diskussionen um die Rechtmäßigkeit einer Regelung in der Finanz- und Beitragsordnung der Kölner CDU. Danach müssen nicht nur Abgeordnete und Parteifunktionäre feste Sätze ihres Einkommens an die CDU abtreten, sondern auch Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder öffentlicher Unternehmen, die ein CDU-Parteibuch sitzen. Mehrere Parteinrechtler halten solche Parteisteuern für unzulässig.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Chodorkowski-Urteil: Der russische Ex-Industrielle Michael Chodorkowski hat bei einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nur einen Teilsieg errungen, berichtet u.a. die FR (Karl-Otto Sattler). Der EGMR lehnte es ab, die erste Verurteilung Chodorkowskis wegen Steuerhinterziehung im Jahr 2005 als politisch gelenkt einzustufen. Moniert wurden nur Details der U-Haft und des Strafprozesses. Die FTD kommentiert: Auch wenn die politische Einflussnahme im undurchsichtigen russischen Justizsystem nicht beweisbar war, so sei sie doch offensichtlich.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. Juni 2011: Freispruch für Schweizer – "Parteisteuern" für Kölner - Pyrrhussieg für Russen . In: Legal Tribune Online, 01.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3418/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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