VG Weimar zur Äußerung des Thüringer Verfassungsschutzes: AfD durfte nicht öff­ent­lich als "Prüf­fall" bezeichnet werden

12.07.2021

Der Verfassungsschutz in Thüringen darf die Öffentlichkeit nicht über Einstufungen als "Prüffall" informieren. Das hat das VG Weimar in Bezug auf die AfD festgestellt. Die Klage gegen eine Äußerung über die AfD im Spiegel wies es jedoch ab.

Der Thüringer Verfassungsschutz hätte die Einstufung des AfD-Landesverbandes als Prüffall nicht öffentlich machen dürfen. Ein entsprechendes Urteil verkündete das Verwaltungsgericht (VG) Weimar am Montag. Lediglich für den Beobachtungs- und Verdachtsfall gebe es eine Rechtsgrundlage für Öffentlichkeitsarbeit des Landesverfassungsschutzes, nicht aber für die Stufe des Prüffalls, argumentierte das Gericht (Urt. v. 11.06.2021, Az. 8 K 1151/19 We). Eine ebenfalls darauf gerichtete Klage einiger Abgeordneter und der AfD-Landtagsfraktion wies das VG jedoch ab (Urt. v. 11.06.2021, 8 K 498/20), genauso wie eine dritte Klage gegen eine weitere Äußerung des Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes im Spiegel ( Urt. v. 11.06.2021, Az. 8 K1541/19 We).

Dem erstgenannten Urteil liegt eine öffentliche Äußerung des Präsidenten des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz Stephan Kramer aus dem September 2018 zugunde. Er hatte sich dahingehend geäußert, dass er die AfD in Thüringen als Prüffall einstufe. Die AfD habe darin einen rechtswidrigen Eingriff in Art. 21 GG gesehen und vor dem VG Weimar Klage auf Unterlassung dieser Äußerung eingereicht. Mit ihrem gleichzeitig eingreichten Antrag beim VerfGH-Thüringen ist sie wegen Unzulässigkeit gescheitert.

Die Klage der AfD vor dem VG Weimar ist nach Angaben des Gerichts jedoch zulässig und begründet. Mit seiner Äußerung habe Kramer in das Recht der AfD nach Art. 21 GG, als politische Partei gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen, eingegriffen. Für diesen Eingriff fehle die Rechtsgrundlage. Nach dem Thüringer Verfassungsschutzgesetz müssten zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten vorliegen, damit Informationen veröffentlicht werden dürfen. Eine Befugnis bereits über das Stadium eines "Prüffalls" zu informieren, sehe das Gesetz nicht vor. Bei einem Prüffall gebe es noch keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Laut VG wird das nur vermutet und es müsse erst ermittelt werden. Dies müsse mangels Rechtsgrundlage aber außerhalb der Wahrnehmung der Öffentlichkeit erfolgen.

In Köln hatte die AfD mit einer gleichgelagerten Klage im Jahr 2019 ebenfalls Erfolg vor dem örtlichen VG.

Eine weitere gegen die Äußerung gerichtete Klage einzelner Landtagsabgeordneter sowie der Landtagsfraktion der AfD hatte mangels Klagebefugnis keinen Erfolg (Az. 8 K 498/20 We). Beide Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig.

Klage gegen weitere Äußerung Kramers im Spiegel unzulässig

Thüringens AfD-Landessprecher Stefan Möller sprach nach dem Urteil von einem "massiven Rechtsbruch", den der Verfassungsschutz begangen habe. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Kramer bezeichnete das Urteil angesichts des Verfahrens als nicht überraschend, aber dennoch enttäuschend. "In der Tat ging es darum, transparent über die Arbeit des Verfassungsschutzes, gerade mit Blick auf eine Partei, die Öffentlichkeit sehr frühzeitig zu informieren", sagte Kramer. Man werde die Entscheidung des Gerichts in Zukunft berücksichtigen. Es stelle sich aber auch die Frage, ob der Gesetzgeber im Thüringer Verfassungsschutzgesetz nicht wenigstens die Option mit aufnehmen sollte, über den Prüffall die Öffentlichkeit zu informieren.

Ein Prüffall ist die Thüringer AfD heute längst nicht mehr, sondern nach Ansicht des Landesverfassungsschutzes inzwischen gesichert extremistisch.

Eine dritte Entscheidung des VG betraf einen Artikel des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, in dem Kramer zu Wort kam (Urt. v. 11.06.2021, Az. 8 K1541/19 We). In dem Bericht wurde Kramer im Vorfeld eines AfD-Landesparteitages mit den Worten zitiert: "Wenn die AfD Björn Höcke zum Spitzenkandidaten macht, bekennt sie sich zu dem, was er sagt. Damit würde die Partei zementieren, wo sie steht." Die Thüringer AfD sowie Höcke selbst wehrten sich gegen diese Aussage juristisch und wollten mit einer Feststellungsklage die Rechtswidrigkeit dieser Äußerung feststellen, was jedoch nicht gelang. Das VG wies mangels Feststellungsinteresses die Klage als unzulässig ab. Die Äußerung ist nach Ansicht des Gerichts inhaltlich neutral.

AfD-Landessprecher Möller kündigte an, dass man das Urteil prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden wolle.

pdi/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

VG Weimar zur Äußerung des Thüringer Verfassungsschutzes: AfD durfte nicht öffentlich als "Prüffall" bezeichnet werden . In: Legal Tribune Online, 12.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45450/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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