BMJV weist BMI-Entwurf zurück: Was soll der Geheim­di­enst dürfen?

13.05.2019

Online-Durchsuchungen und Quellen-TKÜ: Im Grundsatz sind sich Union und SPD einig, dass der Verfassungsschutz gestärkt werden soll. Trotzdem hat das BMJV einen ersten Entwurf des BMI zunächst zurückgewiesen.

Die Union will bis zum Herbst eine Einigung über neue Befugnisse für den Verfassungsschutz erreichen. Momentan bremst Bundesjustizministerin Katarina Barley bei diesem Vorhaben von Innenminister Horst Seehofer allerdings noch ab.

Der Vorsitzende des für die Geheimdienste zuständigen Kontrollgremiums des Bundestags, Armin Schuster (CDU), reagierte darauf mit Unverständnis. Das Justizministerium (BMJV) habe den Entwurf des Innenressorts für ein Gesetz zur "Modernisierung des Bundesamtes für Verfassungsschutz" ohne inhaltliche Prüfung zurückgewiesen, sagte er.

Nach den Plänen Seehofers aus dem Innenministerium (BMI) soll der Verfassungsschutz mutmaßliche Extremisten künftig besser ausspähen können. Konkret geht es um die Erlaubnis für Online-Durchsuchungen, also den verdeckten Zugriff auf Computer, Smartphones und anderen IT-Geräte, deren Daten dann ausgelesen werden können. Außerdem soll dem Nachrichtendienst in bestimmten Fällen die sogenannte Quellen-TKÜ gestattet werden. Sie ermöglicht es, auch verschlüsselte Chats und Sprachnachrichten abzuhören.

Streitpunkt parlamentarische Kontrolle

Gegen die Pläne gibt es jedoch Bedenken. Die Ressortabstimmung dauere an, sagte ein Sprecher des BMI. "Wir sind immer noch bestrebt, das schnellstmöglich voranzubringen." Eine Sprecherin des Justizministeriums wollte sich am Sonntag unter Verweis auf die laufenden Gespräche ebenfalls nicht zu Details äußern. Sie erinnerte aber an den Koalitionsvertrag, der "maßvolle und sachgerechte Kompetenzerweiterungen" für den Verfassungsschutz und eine gleichzeitige Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle vorsieht. Das Justizministerium vermisst nach früheren Angaben stärkere Kontrollmöglichkeiten für den Bundestag.

Schuster zeigte sich dennoch optimistisch, dass es bis zum Herbst eine Verständigung über einen Gesetzentwurf geben werde. Denn anders als bei Grünen oder Linken habe er "bei der SPD noch nie eine Nachrichtendienst-Phobie festgestellt", sagte er. Es könne nicht angehen, dass Extremisten online Bauteile für Sprengsätze bestellten, kommunizierten und Anhänger rekrutierten, "und wir schicken unsere Beamten mit Pfeil, Bogen und Lendenschurz los".

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz kritisierte, Seehofers Pläne schössen weit über das Ziel hinaus. So seien Online-Durchsuchungen bereits im Polizeibereich äußerst umstritten. "Aus gutem Grund liegen beim Bundesverfassungsgericht derzeit gleich mehrere Verfassungsbeschwerden gegen den sogenannten Staatstrojaner vor", sagte er. Dass der Minister diese Entscheidungen nicht abwarte, sei auch ein Affront gegenüber Karlsruhe.

Auch Minderjährige sollen ausgespäht werden dürfen

Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle verwies darauf, dass die Polizeigesetze vieler Länder derzeit um Befugnisse wie Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung ergänzt werden. Schon hier fürchteten sich viele Bürger vor zu starken Eingriffen in ihre Grundrechte. "Dass CDU und CSU nun auch noch den Inlandsnachrichtendienst mit zweifelhaften Kompetenzen ausstatten will, setzt den Überwachungsfantasien die Krone auf."

Der Entwurf aus dem Innenministerium erlaubt außerdem die Speicherung von Daten von Minderjährigen unter 14 Jahren. Das zielt vor allem auf Kinder ab, die in Dschihadisten-Familien aufwachsen und womöglich schon im ehemaligen Kampfgebiet der IS-Terrormiliz mit Waffen hantiert haben.

"Hier geht es nicht um Strafverfolgung, sondern darum, die Gefahr frühzeitig zu erkennen und dann mit den Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe einzugreifen", sagte Schuster. Sollte sich herausstellen, "dass die Familie der Radikalisierungsherd ist", könne es "im Maximalfall dazu führen, dass ein Kind aus einer Familie herausgenommen wird".

Der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen warnte vor einer wachsenden Einflussnahme islamistischer Bewegungen. Er habe in seiner früheren Funktion immer wieder den Eindruck gewonnen, dass die Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter nicht mit "der notwendigen Sensibilität" aufgenommen worden seien, sagte Maaßen bei einer Veranstaltung des konservativen Berliner Kreises innerhalb der Union in Berlin. Sowohl in Deutschland als auch in Europa würden extremistische Bestrebungen unterschätzt.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BMJV weist BMI-Entwurf zurück: Was soll der Geheimdienst dürfen? . In: Legal Tribune Online, 13.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35341/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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