Geiselnahme in Hochsicherheitsgefängnis: Halle-Atten­täter hatte Gegen­stand aus Papier und Metall

15.12.2022

Nach der Geiselnahme in der JVA Burg werden nach und nach mehr Details bekannt. Offene Fragen gibt es zu dem Gegenstand, mit dem der Halle-Attentäter JVA-Bedienstete überwältigte.

Bei der Geiselnahme im Gefängnis Burg nahe Magdeburg soll der Halle-Attentäter einen mutmaßlich selbst gebastelten Gegenstand zur Bedrohung der Bediensteten genutzt haben. Anstaltsleiterin Ulrike Hagemann berichtete am Mittwochabend im Rechtsausschuss des sachsen-anhaltischen Landtags, sie habe ein gerolltes Blatt Papier gesehen, das mit einem Bleistift verstärkt gewesen sei. Zudem habe sich daran ein Stück Metall befunden, welches wie eine Art Scharnier von einem Schrank oder einem Klodeckel funktionierte.

Vertreter von Innenministerium und Generalstaatsanwaltschaft erklärten, die Ermittlungen zu dem Gegenstand dauerten an. Es müsse geklärt werden, ob er als Waffe geeignet ist, oder ob es sich um eine Scheinwaffe oder Attrappe handle.

Der Täter habe den Gegenstand dem Beamten, den er Montagabend zuerst als Geisel nahm, "unmittelbar vor die Stirn gehalten" sagte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA). Der Beamte habe gewusst, dass er einen der gefährlichsten Verbrecher Deutschlands vor sich habe, der zudem sehr "fantasiebegabt" sei. Der junge Beamte habe die Situation zurecht sehr ernst genommen, so Hagemann. Alles andere wäre fahrlässig gewesen.

Der 30-jährige Stephan B. hatte Montagabend zwei Bedienstete in seine Gewalt gebracht und wollte sich den Weg in die Freiheit erzwingen. Er wurde nach weniger als einer Stunde überwältigt. 

Geiseln haben sich "geschickt" verhalten

Die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg zog die Ermittlungen am Mittwoch an sich. Das hänge auch mit der Bedeutung des Falles zusammen, sagte ein Sprecher der Behörde. Der Geiselnehmer wurde verhört.

Die Leiterin des Hochsicherheitsgefängnisses schilderte detailliert die Abläufe. Beim sogenannten Nachtverschluss habe der Gefangene einen JVA-Bediensteten überrumpelt und diesem einen "Gegenstand" vor die Nase gehalten. Der Gefangene habe unmissverständlich gesagt, "wir gehen jetzt raus". Dieser Aufforderung sei der Bedienstete aus Angst um sein Leben nachgekommen. Durch einen ausgelösten Alarm seien weitere Bedienstete hinzugekommen.

Nach der Öffnung eines Tores durch einen anderen Bediensteten sei der Gefangene auf einen Hof gelangt. Der zweite Bedienstete sei daraufhin als Geisel genommen worden, sagte Hagemann. Weitere Kollegen hätten sich positioniert und den Gefangenen überwältigt, als dieser einen Moment unaufmerksam gewesen sei.

Verlegung des Gefangenen steht im Raum

Bereits am Dienstag war der Attentäter und Geiselnehmer von den Ermittlern vernommen worden. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Ob sich der Gefangene zum Vorfall geäußert hat, ist bislang unbekannt. "Wir führen intensive Ermittlungen durch", sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts (LKA). 

Der Halle-Attentäter ist derzeit weiter in einem besonders gesicherten Haftraum in der JVA Burg untergebracht. Eine Verlegung des Gefangenen in ein anderes Bundesland steht im Raum. Laut Justizministerium ist das nach einem solchen Vorfall ein übliches Vorgehen.

Der Attentäter war im Dezember 2020 zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er hatte am 9. Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als es ihm nicht gelang, auf das Gelände zu kommen, ermordete er vor der Synagoge eine 40 Jahre alte Passantin und in einem nahe gelegenem Döner-Imbiss einen 20-Jährigen. Auf der Flucht verletzte er weitere Menschen. Schon für das Attentat in Halle hatte der Täter Waffen selbst gebaut. 

Anstaltsleiterin Hagemann sagte, im Gefängnis hätten die Insassen sehr viel Zeit und entwickelten viel Fantasie, wie sie Alltagsgegenstände umbauen und umnutzen könnten. Sie betonte, die Post des Attentäters und Geiselnehmers sei genau kontrolliert worden. Bei Besuchen sei sehr genau hingeschaut worden, um etwa Übergaben verbotener Gegenstände zu verhindern.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Geiselnahme in Hochsicherheitsgefängnis: Halle-Attentäter hatte Gegenstand aus Papier und Metall . In: Legal Tribune Online, 15.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50481/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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