Ursula von der Leyen und der Milliardendeal mit Pfizer: Sind die SMS der Kom­mis­si­ons­prä­si­dentin Pri­vat­sache?

28.01.2022

Schon einmal musste sich Ursula von der Leyen sich für den Umgang mit Daten auf ihrem Handy rechtfertigen, damals noch als Verteidiungsministerin. Nun wirft die EU-Bürgerbeauftragte ihr Intransparenz vor. Es geht um einen Milliarden-Deal.

Die Europäische Bürgerbeauftragte hat die EU-Kommission sowie deren Präsidentin Ursula von der Leyen scharf für ihren intransparenten Umgang mit SMS-Nachrichten gerügt. Es geht dabei um Textnachrichten im Zusammenhang mit Impfstoffkäufen. Sie sprach von einem Missstand in der Verwaltungstätigkeit und forderte Aufklärung. Die "Erwartungen an die Transparenz- und Verwaltungsstandards der Kommission" seien nicht erfüllt worden, sagte Ombudsfrau Emily O'Reilly am Freitag in Brüssel.

Schon in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin stand von der Leyen in der Kritik, als Daten auf einem ihrer Handys gelöscht wurden. Das Verteidigungsministerium begründete dies 2019 mit einem "Sicherheitsvorkommnis". Kritiker monierten, dass dadurch Beweise in der Berateraffäre verloren gegangen seien, in der es um Vorwürfe von unkorrekter Auftragsvergabe bis zu Vetternwirtschaft ging.

Im aktuellen Fall geht es um einen Deal über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer vom Frühjahr 2021. Das Vertragsvolumen wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Wie die New York Times berichtete, war der persönliche Kontakt zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla für das Geschäft entscheidend. Der Journalist Alexander Fanta von netzpolitik.org stellte daraufhin eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz der EU bei der EU-Kommission. Diese wies die Anfrage jedoch ab.

Nach Angaben der Ombudsstelle antwortete die EU-Kommission dem Journalisten, die Textnachrichten seien nicht registriert worden. Jedoch habe die Behörde von der Leyens Kabinett nicht ausdrücklich darum gebeten, nach SMS zu suchen - sondern nur nach Dokumenten, die die Registrierungskriterien erfüllen. SMS gehören nicht dazu.

Es sei also gar nicht erst versucht worden, herauszufinden, ob SMS existierten, sagte O'Reilly. Sie betonte: "Nicht alle Textnachrichten müssen registriert werden, aber sie fallen eindeutig unter das EU-Transparenzgesetz (Anm. d. Red.: gemeint ist die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001). Daher sollten relevante Textnachrichten erfasst werden." Für das Recht auf Zugang zu EU-Dokumenten sei der Inhalt entscheidend - nicht das Gerät oder die Form. "Die EU-Verwaltung muss ihre Praxis der Dokumentenregistrierung aktualisieren." Die EU-Kommission müsse von der Leyens Kabinett darum bitten, erneut nach den SMS zu suchen. Falls sie auftauchten, solle geprüft werden, ob sie die Kriterien erfüllen, freigegeben zu werden.

Der netzpolitik-Journalist Fanta begrüßte auf twitter die Entscheidung: "Was Ursula von der Leyen in ihr Handy tippt, ist nun wirklich keine Privatsache. Wir brauchen eine öffentliche Kontrolle der EU-Textnachrichten, wenn SMS für milliardenschwere Impfstoffgeschäfte verwendet werden."

Ein Sprecher der EU-Kommission betonte, man werde der Ombudsstelle in der gesetzten Frist antworten. Weitere Kommentare zu dem Vorgang wollte er nicht machen. Grundsätzlich sagte er, dass von der Leyen über verschiedene Wege Kontakt etwa zu Staats- und Regierungschefs, Firmenchefs und Vertretern der Zivilgesellschaft habe. Ein anderer Sprecher sagte, die Behörde prüfe grundsätzlich, ob man die Politik mit Blick auf den Zugang von Dokumenten wegen der sich ändernden Kommunikationsmittel anpassen werde.

dpa/jb/fz/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Ursula von der Leyen und der Milliardendeal mit Pfizer: Sind die SMS der Kommissionspräsidentin Privatsache? . In: Legal Tribune Online, 28.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47367/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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