BGH zu ungewöhnlich hohem Stromverbrauch: Ernst­hafte Mög­lich­keit eines offen­sicht­li­chen Feh­lers

07.02.2018

Ein älteres Ehepaar staunte nicht schlecht, als ihr Energieversorger plötzlich rund 9.000 Euro für einen im Vergleich zum Vorjahr zehnmal so hohen Stromverbauch in Rechnung stellte. Der BGH hat entschieden, dass das Paar nicht zahlen muss.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision eines Energieversorgers zurückgewiesen, der von einem älteren Ehepaar die Zahlung von rund 9.000 Euro aufgrund eines abgelesenen Stromverbrauchs von rund 32.000 kWh begehrte (Urt. v. 07.02.2017, Az. VIII ZR 148/17).

Das Ehepaar bestritt, dass sie die ihnen in Rechnung gestellte Strommenge, die etwa zehnmal höher ausfiel als ihr Verbrauch im Vorjahreszeitraum und auch der übliche Verbrauch von Haushalten vergleichbaren Zuschnittes, tatsächlich verbraucht haben und machte von vorläufigen Zahlungsverweigerungsrecht aus § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) Gebrauch. Den Stromzähler hatte der Energieversorger durch einen Gutachter überprüfen lassen, wobei keine Mängel festgestellt werden konnten. Später wurde der fragliche Zähler vom Unternehmen entsorgt.

Bereits das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg wies die Klage des Energieversorgers ab. Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV könne sich auch aus einer enormen und nicht plausibel erklärbaren Abweichung der Verbrauchswerte von denen vorangegangener oder nachfolgender Abrechnungsperioden ergeben. Dafür, dass das Ehepaar die vorliegend abgerechnete exorbitante Strommenge tatsächlich selbst verbraucht haben könnte, erkannte das OLG nach ihrem (eher bescheidenen) Lebenszuschnitt und der Auflistung der in ihrem Haushalt vorhandenen Stromabnehmer keine Anhaltspunkte. Wie es zu der Anzeige des außergewöhnlich hohen Verbrauchs gekommen war, blieb rätselhaft.

Energieversorger hätte Verbrauch beweisen müssen

Der BGH bestätigte die OLG-Entscheidung am Mittwoch. Die Beurteilung des OLG, dass hier die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV bestehe, sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, sondern vielmehr nahe liegend.

Sofern der Kunde bereits die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" aufzeigen kann, sei er mit seinem Einwand nicht auf einen späteren Rückforderungsprozess verwiesen. Vielmehr sei sein Einwand, die berechnete Strommenge nicht bezogen zu haben, schon im Rahmen der Zahlungsklage des Versorgers zu prüfen, entschied der BGH. Der Energieversorger müsse dann nach allgemeinen Grundsätzen die Voraussetzungen seines Anspruchs, also auch den tatsächlichen Bezug der in Rechnung gestellten Energiemenge beweisen. Insoweit hatte der klagende Energieversorger in den Tatsacheninstanzen jedoch keinen tauglichen Beweis angetreten und den streitigen Zähler zudem entsorgt.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zu ungewöhnlich hohem Stromverbrauch: Ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers . In: Legal Tribune Online, 07.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26933/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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