Verkehrsbetriebe wegen rassistischer Beleidigung verurteilt: BVG muss Sch­mer­zens­geld nach Fahr­sch­ein­kon­trolle zahlen

19.07.2023

Ein Fahrgast wird von Fahrscheinkontrolleuren der Berliner Verkehrsbetriebe rassistisch beleidigt. Das zuständige Amtsgericht spricht ihm eine Entschädigung zu – aber nicht nach dem umstrittenen Berliner Antidiskriminierungsgesetz.

Nachdem der US-amerikanische Schwarze Opernsänger Jeremy Osborne bei einer Verkehrskontrolle rassistisch beleidigt wurde, müssen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ihm 1.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Das entschied das Amtsgericht (AG) Berlin-Mitte (Urt. v. 10.07.2023, Az. 20 O 218/22). Dem Mitglied im Chor der Deutschen Oper stehe Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.

Laut Gericht war Osborne 2020 in der U-Bahn-Linie 2 am Bahnhof Alexanderplatz rassistisch beleidigt worden – von Mitarbeitern eines von der BVG mit der Durchführung von Fahrscheinkontrollen beauftragten Sicherheitsunternehmens. Laut eines Berichts der Berliner Zeitung hatten sie ihn "Schwarzkopf" genannt und dazu aufgefordert, "sich in Deutschland zu benehmen". Über den genauen Ablauf waren sich die Parteien vor Gericht allerdings uneinig.

Obwohl Osborne mit seiner anschließenden Klage mindestens 2.000 Euro Schmerzensgeld gefordert hatte und das Urteil des AG Mitte nun dahinter zurückblieb, ist der Opernsänger erleichtert: "Es tut unfassbar gut zu wissen, dass die Richterin anerkannt hat, dass die Kontrolleure meine Menschenwürde verletzt haben", sagte er der Berliner Zeitung.

Die BVG wollte sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Urteil äußern und teilte mit: "Vorwürfe von Diskriminierung wiegen in allen Fällen schwer und werden in unserem Haus stets sehr ernstgenommen." Diskriminierung und Gewalt würden nicht toleriert.

Die Klage hatte Osborne eigentlich auf das Berliner Antidiskriminierungsgesetz (LADG) gestützt. Nach Auffassung des AG Mitte seien diese Regelungen im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar. Es fehle an einem "öffentlich-rechtlichen Handeln". Die BVG habe nicht selbst gehandelt, sondern die für sie tätigen Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens. Stattdessen nahm das Gericht eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts an, die Anspruchsgrundlagen seien sowohl deliktischer (§§ 823 Abs. 1, 831, 253 BGB) als auch vertraglicher Art (§§ 280 ff., 253 BGB), teilte eine Sprecherin auf LTO-Anfrage mit.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Anwendbarkeit auch bei "Oben-ohne"-Streit fraglich

Berlin ist das einzige Bundesland, das ein Gesetz zum Schutz vor Diskriminierungen durch Behörden hat. Das 2020 verabschiedete LADG sieht ein Diskriminierungsverbot vor, das für die gesamte Berliner Verwaltung gilt: "Kein Mensch darf im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status diskriminiert werden", so die zentrale Vorschrift in § 2 LADG.

Verstößt eine Behörde gegen das Verbot, kann die betroffene Person Schadensersatz oder Entschädigung geltend machen. Zugunsten von Betroffenen sieht das LADG dabei eine Beweiserleichterung: Ist ein Verstoß "überwiegend wahrscheinlich", muss die Behörde die Diskriminierung widerlegen. Von Kritikern ist es dafür als "Anti-Polizei-Gesetz" verschrien.

Im vergangenen Sommer hatte auch Rechtsprechung zum LADG erstmals Aufmerksamkeit erlangt, als eine Französin in Berlin gegen die Regelung eines Badespielplatzes klagte, wonach Frauen nicht "oben ohne" planschen und sich sonnen dürfen. Auch hier hatte das Landgericht Berlin das LADG für unanwendbar erklärt, später hatten dann die Bäderbetriebe erklärt, ihre Hausordnung anders anwenden zu wollen.

mk/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Verkehrsbetriebe wegen rassistischer Beleidigung verurteilt: BVG muss Schmerzensgeld nach Fahrscheinkontrolle zahlen . In: Legal Tribune Online, 19.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52288/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

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