Interview mit "Kiffen und Kriminalität"-Autor Müller: "Der Glaube an die Macht der Strafe ist die Sozialromantik der Konservativen"

Bild: © Picture Partners - fotolia.com
In "Schluss mit der Sozialromantik" forderte Andreas Müller schnellere und konsequentere Strafen für junge Täter. Nun hat der "härteste Jugendrichter Deutschlands" ein Buch über Cannabis geschrieben. Ein vehementes Plädoyer für eine Legalisierung.
LTO: Herr Müller, in Ihrem letzten Buch haben Sie sich für ein härteres Vorgehen gegen jugendliche Straftäter eingesetzt, nun fordern Sie eine Legalisierung von Cannabis. Wie verträgt sich das?
Müller: Bestens. Der Ruf als besonders drakonischer Richter, den manche mir andichten wollen, war ohnehin immer Unsinn. Ich habe mich in meinem letzten Buch nicht für ein härteres Jugendstrafrecht eingesetzt, sondern für ein besseres. Mir ging es vor allem darum, Verfahren gegen jugendliche Täter schneller zu betreiben und sie früher mit – kurzen! – Arrest- oder Haftstrafen zu belegen, statt die ersten zehn Delikte einzustellen oder zur Bewährung abzuurteilen, um dann, wenn die Täter schon jeden Respekt vor der Justiz verloren haben, auf einmal zu einer relativ langen Haftstrafe greifen zu müssen.
Der Glaube, man könne diese Leute durch gutes Zureden und die vermeintlich beeindruckende Wirkung eines Strafverfahrens erreichen, ist Teil der linken Sozialromantik, mit der ich in meinem ersten Buch abrechne. Genauso gibt es aber auch eine konservative Sozialromantik.
LTO: Worin besteht die konservative?
Müller: In der naiven Vorstellung, alles durch möglichst umfassende Verbote und Strafen regeln zu können. Das Strafrecht ist als Mittel zur Verhaltenslenkung nur begrenzt geeignet, und es funktioniert umso schlechter, je mehr es grundlegenden menschlichen Bedürfnissen entgegensteht.
"Die abschreckende Wirkung des Verbots ist gleich null."
LTO: Zu kiffen ist so ein grundlegendes Bedürfnis?
Müller: Sich zu berauschen ist eines. Das gilt zwar nicht für alle, aber für sehr viele Menschen, und zwar kultur- und epochenübergreifend quer durch die Geschichte.
LTO: Diebstahl, Betrug, Mord und Totschlag gab es auch kultur- und epochenübergreifend.
Müller: Die sind im Gegensatz zu Cannabiskonsum aber fremd- und nicht selbstschädigend. Außerdem sind das keine grundlegenden menschlichen Bedürfnisse, sondern fehlgeleitete Verhaltensweisen, die man unter anderem mit dem Strafrecht relativ gut eindämmen kann. Beim Cannabiskonsum ist die abschreckende Wirkung des Strafrechts jedoch nachweislich gleich null.
LTO: Sie denken also, im Falle einer Legalisierung würde auch nicht mehr als sonst gekifft?
Müller: Dazu müssen Sie nur bis nach Holland schauen. Der Konsum ist dort nicht höher als hier, obwohl die Droge legal ist. Ich finde es deshalb auch so absurd, wenn aus dem konservativen Lager gefordert wird, man müsse erst einmal Studien einholen über die zu erwartende Wirkung einer etwaigen Legalisierung. Wir haben seit vielen Jahren eine Studie mit 18 Millionen Probanden – wie viel größer hätten Sie es denn gern?
"Mein Bruder und Vater sind an Drogenmissbrauch gestorben."
LTO: Ihre eigene Familiengeschichte ist von Drogenmissbrauch bestimmt. Ihr Vater ist durch übermäßigen Alkoholkonsum gestorben, Ihr Bruder nach einer Karriere als Cannabisdealer für mehrere Jahre in den Knast gekommen, später dann heroinabhängig geworden und infolge der Sucht zu früh gestorben. Müssten da nicht gerade Sie die Einstiegs- und Signalwirkung einer Legalisierung fürchten?
Müller: Im Gegenteil. Die Mär von der Einstiegsdroge ist seit Jahrzehnten widerlegt, auch wenn die Drogenbeauftragte der Bundesregierung sie zwischen den Zeilen immer noch formuliert.
Auch mein Bruder hat ja nicht angefangen, Heroin zu nehmen, weil er vorher Cannabis konsumiert und verkauft hat, sondern weil er nach mehreren Jahren im Schwererziehbarenheim und später im Gefängnis seelisch zu Grunde gerichtet, und danach noch jahrelang als "der Knasti" stigmatisiert war. Wäre Cannabis legal gewesen, wäre er nicht in Haft gekommen und sein Leben wäre vielleicht ganz anders verlaufen. Was meinen Vater betrifft: Er war einer von Hunderttausenden, die wir jedes Jahr schulterzuckend an die legalen Drogen Alkohol und Nikotin verlieren. Die Anzahl von Drogentoten durch Cannabiskonsum liegt derweil konstant bei null.
Während des Studiums abwechselnd übermäßig gesoffen oder gekifft, ist trotzdem Richter geworden? Tut mir leid. Aber das geht nicht!
No WayGeht natürlich – und ist absolut nicht die Ausnahme.
Gehen Sie einfach mal davon aus, dass die Millionen, die Cannabis probiert haben oder immer noch regelmäßig konsumieren, auch irgendwo in ihrer Nähe sind.
Sie fallen allerdings nicht so unangenehm auf wie z.B. die Alkoholtrinker, äh Entschuldigung, da nennt man das ja Genießer...
Sie leugnen also die Realität ?
Ich meine nur ein Realitätsverweigerer, kann glauben, dass etwas nicht geht, dass offensichtlich doch so ist, da real.
Aber Spass beiseite, Sie scheinen leider entweder einseitig desinformiert worden zu sein oder vielleicht ist bei Ihnen auch generell "Alles Mist, alles Mist, alles Mist..." ;)
Umso trauriger finde ich es, dass Sie gleich ein Urteil verhängen, welchem Ihre Mitmenschen Ihrer Meinung nach womöglich auch noch zustimmen sollen.
Diese Welt wäre sehr viel besser, wenn manche beginnen würden sich erst zu informieren, bevor sie andere mit Ihrer fehlgebildeten Meinung zu was auch immer drängen wollen.
Informieren hilft beschränkte Sichtweisen zumindest zu erweitern, ist ganz toll, klappt auf allen Gebieten.
Da hat wohl einer nicht studiert....
Und warum genau geht das nicht? Sie sehen doch, dass es geht - und zwar auch sehr gut un mit einem großen Maß an Vernunft und Urteilsfähigkeit, wie dieses Interview beweist. Es ist und bleibt Fakt, dass das Cannabisverbot sich nicht begründen lässt, dass es völlig wirkungslos und in vielerlei Hinsicht absolut kontraproduktiv ist - ud eben nicht au rationalen, sondern aus realitätsverweigernd-ideologischen Gründen aufrecht erhalten wird.
zweiflerWie bekifft muss man eigentlich sein, wenn man nachts um 4:00 Uhr auf LTO abhängt? :D
Maddetouché!
Die angesprochene Diskrepanz - wenn nicht gleich kognitive Dissonanz - hat Herr Müller dennoch nicht ausgeräumt: In Sachen Cannabis ist er offensichtlich bereit, seiner Meinung empirische Erkenntnisse zugrunde zu legen. Den gleichfalls empirisch ausgiebig belegten Umstand, dass gerade kurze Freiheitsentziehungen ein hohes Rückfallrisiko bergen und Legalbewährung um so wahrscheinlicher ist, je milder und ambulanter eine strafrechtliche Reaktion auf Delinquenz ist, scheint er hingegen auszublenden, bzw. als "Sozialromantik" abzutun. Schade eigentlich.
jansalteregoÜber das Fachliche möchte ich mich nicht äußert, diesbzgl hat Herr Müller sich bereits eindeutig eingelassen, medial sind die maßgeblichen Argumente in letzter Zeit ausgiebig vorgetragen und die typischerweise Einlassung der Legalisierungsgegner (Einstiegsdroge etc.) hinreichend entkräftet worden.
Michael W. WhiteWichtig ist mir Folgendes: Hut ab vor Ihnen und Ihrer Ehrlichkeit, Herr Müller!!! In Ihrer beruflichen und medialen Position einen früheren eigenen Konsum wiederholt (Spiegelinterview) zuzugeben, dafür haben Sie absoluten Respekt verdient.
ich finde das Beispiel mit dem Bruder nicht passend. Die Legalisisierung soll ja wohl nicht bedeuten, dass jeder verkaufen darf, sondern dass jeder an legalen Verkaufssttellen kaufen darf. Wer dann selbst das Geschäft machen will, indem er zB an Leute verkauft, die legal nicht erwerben dürfen,z.B. Kinder, wird weiter ins Gefängnis müssen. Da der Bruder wohl gedealt hat, wäre er also auch mit einer Legalisierung in Haft gekommen.
McSchreckich habe den Artikel zwar nicht ganz gelesen, aber Untätigkeit, Aberglaube ist die Sozialethik und Sozialromantik aller und in's besondere der Moralisten die mir schon seit eh und je auf den Keks gehen machen die Gesellschaft ausserordentlich schwierig. Es heisst wortwörtlich "du prädigst das Wasser und trinkst den Wein". Also ich möchte ehrlich gesagt keine verrauchte, versoffene und verkiffte Geselllschaftformbilder um mich herum und so mehr je härter das Medikament oder der Inhalt wie Valium, warum soll man Menschen unter Valium stellen? dass ist die gleiche Drogendebatte und wenn es so ist dann sollte es auch einen Raum dafür geben, wo Menschen in Überzeugung und im freien Willen, sich das Valium, den Junk und vielleicht noch Cannabis was in Vergleich zu psychiatrischen Drogen völlig harmlos erscheint sich verabreichen und dann schauen sie ob sie nicht irgendwelche Vorurteile dabei entwickeln. Ich glaube ja! Ich meine dass man ausländische Systeme die eine ganz andere Tradition begründet haben nicht artgerecht nachahmen sollte und weil es in meinen Augen grundsätzliche schwierigere Probleme zu bewältigen gilt ist es dass mit den Drogen oder nicht Debatten immer auch eine Zweitrangige also sollte man sich auch auf die Grundsätze halten also Cannabis ist halblegal. Finde ich ist ein Guter Augangspunkt, sofern man die anderen dafür nicht ausnimmt, beleidigt oder belästigt oder ausraubt oder ihren Besitz verbraucht oder vereinnahmt etc.
Elena GlossotiAuf die naheliegende Idee, ein Leser von LTO tippt hier und befindet sich dennoch in einer anderen Zeitzone, kommst Du nicht selbständig?
KuhlahBrohsaSeit ca. 50 Jahren rauche ich Marihuana, bin also nach unserer kranken Gesetzgebung ein krimineller. Was für ein Wahnsinn! Ich bin einer der friedlichsten Menschen, ich respektiere auch die Andersartigkeit der Anderen, mein Verstand hat unter dem Konsum nicht gelitten, bin über 70 Jahre alt und erfreue mich einer hervorragenden körperlichen und seelischen Verfassung und das trotz hohem Konsum, ständig.
Chris CosmoPolitiker, die keine Ahnung vom wirklichem Leben haben wollen mir vorschreiben was ich darf und nicht darf! All diese Lügen: Einstiegsdroge! Was für einen Schwachsinn müssen wir, der Souverän; uns gefallen lassen.
Was hat die Mafia stark und reich gemacht? Prohibition, Kriminalisierung von Drogen!!!!
Also, Marihuana legalisieren dazu gibt es keine Alternative! Ausserdem wenn der Staat die Qualität kontrolliert und auch den Verkauf, würde der Konsument ein hochwertiges Produkt erhalten, Die Einnahmen könnten dazu reichen die finanziellen Probleme des Staates zu beheben, und die Gefängnisse zu entlasten.-------Legalise it!!!!!_______