Plagiatsaffäre Annette Schavan: "Professoren müssen gute wissenschaftliche Praxis vorleben"

Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Löwer

18.10.2012

Die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf ermittelt noch, da füllt der Plagiatsfall Schavan längst die Schlagzeilen. Im Fokus steht dabei nicht nur die Ministerin, sondern auch die Uni selbst. Letztere erstattete nun wiederum Anzeige gegen Unbekannt wegen der Weitergabe vertraulicher Informationen. Im LTO-Interview ordnet der Wissenschaftsrechtler Wolfgang Löwer die Lage.

LTO: Im Fall Schavan steht mittlerweile nicht nur die Ministerin, sondern auch die Universität Düsseldorf in der Kritik. Dokumente sind noch vor Abschluss des Verfahrens an die Öffentlichkeit gelangt. Bemängelt wird außerdem, dass die Arbeit bisher nur von einem Hochschullehrer geprüft wurde. Gibt es ein bestimmtes Verfahren für den Entzug von akademischen Titeln, das an allen Unis und für alle Fakultäten gilt? Hätten in Düsseldorf mehr als eine Person, die Vorwürfe prüfen müssen?

Löwer: Das Verfahren in Düsseldorf an sich ist weder unsachgerecht noch rechtswidrig oder kritikwürdig. Bisher hat der Vorsitzende des zuständigen Promotionsausschusses den Sachverhalt festgestellt, indem er Literatur mit der Doktorarbeit von Annette Schavan verglichen und eventuelle Übereinstimmungen angemerkt hat. Den Gesamtbefund hat er anschließend gewürdigt. Dieses Verfahren entspricht dem, was in jedem Kollegialgericht gemacht wird. Es wird ein Berichterstatter bestellt, der wiederum ein Votum mit einem Entscheidungsvorschlag erstellt. Die eigentliche Entscheidung obliegt anschließend dem Gericht als Kollegium.

Wir haben das an meiner Universität gelegentlich insofern anders gemacht, als wir zwei Leute um die Sachverhaltsermittlung gebeten haben. Das ist aber keineswegs zwingend.

LTO: Das heißt, die Verfahren sind durchaus unterschiedlich?

Wolfgang Löwer © Universität BonnLöwer: Ja, vor allem die Zuständigkeiten differieren. Manche Universitäten haben Promotionsausschüsse, andere setzen eine Ad-hoc-Kommission ein, die dann einen Entscheidungsvorschlag für den Fakultätsrat entwickelt. Das hängt auch von dem zu prüfenden Fall ab. Wenn Sie zum Beispiel eine judaistische Arbeit haben, dann brauchen Sie natürlich jemanden, der auch Hebräisch kann.

LTO: An die Öffentlichkeit durften aber keine Informationen aus dem Verfahren weitergegeben werden?

Löwer: Nein. Das ist ein Bruch des Amtsgeheimnisses. Aber die Empfänger sind ja als Berufsklasse Sie. Die Journalisten sagen uns nicht, wer der Täter ist, weil sie den Quellenschutz vor alles andere stellen. Daher kann man bei einer Mehrheit von Wissensträgern natürlich nicht herausfinden, wer es war. Da müssten Sie schon geheimdienstartig jede Kopie mit bestimmten Merkmalen versehen, um sie später zuordnen zu können.

"Schavans Fall ist nicht ganz so simpel wie der von zu Guttenberg"

LTO: Gibt es allgemein gültige Regeln dafür, wann die Grenze zur Täuschung überschritten ist und nicht mehr nur Schlampigkeit vorliegt?

Löwer: Ja, es gibt einheitliche Regeln, um das zu ermitteln. Davon abgesehen, wirft jede Regel Grenzfragen auf. Über die Basics besteht aber kein Zweifel, die sind klar. Die Arbeit von Schavan ist wohl in der Tat nicht so einfach zu bewerten, nach dem, was ich heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gelesen habe. Schavan zitiert einen Theologen, wobei sie die Primärquelle nennt, nicht aber die Sekundärliteratur, in der sich das Zitat ebenfalls findet. Ob das tatsächlich Täuschung ist, ist nicht ganz so einfach zu bewerten, da die Originalzitate wohl stimmen.

LTO: Das wäre dann also ein Grenzfall?

Löwer: Ja. Insgesamt scheint es so, dass Schavans Fall nicht ganz so simpel ist wie damals der von zu Guttenberg.

LTO: Der Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis berief sich erfolglos darauf, die Zitierregeln beachtet zu haben, die er in Oxford gelernt hatte. Was ist davon zu halten?

Löwer: Chatzimarkakis‘ Behauptung, dass in Oxford derart zitiert werde, dass man Texte wörtlich übernehmen könnte, ohne dies zu kennzeichnen, stimmte schon nicht. Solch eine Regel kennt auch Oxford nicht. Der Zitierstil ist im angelsächsischen Raum in der Tat ein anderer als wir ihn pflegen. Der Fußnote kommt bei uns eine größere Bedeutung zu. Aber die Frage, wie fremdes Wissen von eigener Sprache zu trennen und kenntlich zu machen ist, wird nicht anders beurteilt.

LTO: Das heißt nur die Verwendung eines anderen, fremden Zitierstils würde auch hier nicht zur Aberkennung eines Doktortitels führen?

Löwer: Nein, darüber wäre Chatzimarkakis nicht gestolpert.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Wolfgang Löwer, Plagiatsaffäre Annette Schavan: "Professoren müssen gute wissenschaftliche Praxis vorleben" . In: Legal Tribune Online, 18.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7340/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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