Vereinbarung mit muslimischen Verbänden: Der Islam gehört zu Hamburg

20.08.2012

Unmittelbare Konsequenzen wird insbesondere die Klausel über islamische Feiertage haben. Danach gelten jeweils ein bestimmter Tag des Opferfests und des Ramadanfests sowie der Aschura-Tag, ein zentraler Gedenktag der Schiiten, als "kirchliche" Feiertage im Sinne des Hamburger Feiertagsgesetzes.

Damit werden die Tage zwar nicht als "gesetzlicher Feiertag" anerkannt wie der Karfreitag oder der Ostermontag; sie werden aber gleichgestellt mit dem evangelischen Buß- und Bettag und bestimmten jüdischen Feiertagen. An diesen Tagen können Arbeitnehmer unter Hinweis auf religiöse Pflichten unabhängig von Urlaubsansprüchen freinehmen und müssen lediglich auf ihren Tageslohn verzichten.

Das gleiche gilt an den genannten Tagen nun auch für muslimische Arbeitnehmer in Hamburg. Ihre Kinder können zudem verlangen, vom Unterricht befreit zu werden.

"Religionsunterricht für alle"?

Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die Vereinbarung über den Religionsunterricht. In einer fünfjährigen Entwicklungsphase soll das bisherige "Hamburger Modell" weiterentwickelt werden. Bislang gibt es an den öffentlichen Schulen in der Hansestadt überwiegend einen "Religionsunterricht für alle", der in evangelischer Verantwortung erteilt wird, aber grundsätzlich allen Schülern offen steht. In Zukunft sollen die islamischen und alevitischen Religionsgemeinschaften als gleichberechtigte Verantwortliche einen gemeinsamen, gemischt-religiösen Religionsunterricht mitgestalten.

Dabei nehmen die Vertragspartner und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Norddeutschland, mit der diese Vereinbarung abgestimmt wurde, bewusst in Kauf, dass sich die Realität des Religionsunterrichts in Hamburg immer weiter vom Leitbild des GG entfernt. Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG ist keine überkonfessionelle, vergleichende Betrachtung religiöser Lehren, keine bloße Religionskunde.

Gegenstand ist vielmehr die Vermittlung der Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft (BVerfG, Beschl. v. 25.02.1987, Az. 1 BvR 47/84). Die katholische Kirche beteiligt sich daher konsequenterweise nicht an dem Modell, sondern macht zumindest an einigen öffentlichen Schulen in Hamburg von ihrem Grundrecht auf Erteilung katholischen Religionsunterrichts  als ordentliches Lehrfach Gebrauch.

Kopftuch, Muezzin und Schwimmunterricht bleiben ungeregelt

Interessant ist schließlich auch, was der Vertrag nicht regelt. Einen Bogen machen Senat und Verbände um manchen Konflikt, der in den letzten Jahren die juristische und gesellschaftliche Diskussion bestimmt hat: das Kopftuch der Lehrerin, der Ruf des Muezzin und die Befreiung muslimischer Mädchen vom Schwimmunterricht.

Zu all diesen Fragen äußern sich Senat und Verbände nicht verbindlich, sondern lediglich in allgemein gehaltenen Bekenntnissen oder vagen Protokollerklärungen. Allerdings ist dies auch gar nicht anders möglich. Eine Vereinbarung zwischen einem Bundesland und verschiedenen Religionsgemeinschaften darf die Rechte einzelner Gläubiger nicht unmittelbar beschränken. Wo genau die Grenzen verlaufen zwischen der Ausübung der Religionsfreiheit und dem Elternrecht, der negativen Religionsfreiheit von Nichtmuslimen oder dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag, das müssen auch in Zukunft im Streitfall die Gerichte entscheiden.

Obwohl die Verträge also manche Frage offen lassen und im Detail Anlass zu Kritik geben, sind sie ein deutliches Signal, dass der Staat auch gegenüber dem Islam den Weg fortsetzen wird, der im Umgang mit den Religionen verfassungsrechtlich begründet und rechtspolitisch bewährt ist: Die Stadt Hamburg verzichtet auf eine laizistische Trennung, und setzt stattdessen auf eine offene Kooperation mit den Religionsgemeinschaften. Andere Bundesländer werden dem Beispiel folgen.

Der Autor Thomas Traub ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kirchenrecht der Universität zu Köln und war an einem Forschungsprojekt zum Islam im säkularen Verfassungsstaat beteiligt.

Zitiervorschlag

Vereinbarung mit muslimischen Verbänden: Der Islam gehört zu Hamburg . In: Legal Tribune Online, 20.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6881/ (abgerufen am: 26.03.2024 )

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