Verfassungsbeschwerde gegen Kopftuchverbot: Gilt das Neu­tra­li­täts­gebot auch für Schöffen?

05.07.2024

Dürfen Laienrichter während der Verhandlung Kopftuch tragen? Diese Frage wird bald das BVerfG beschäftigen. Eine Schöffin, die vom Schöffendienst ausgeschlossen wurde, zieht gegen das Verbot nach Karlsruhe. Unterstützt wird sie von der GFF.

Eine Pädagogin möchte als Schöffin an Gerichtsverhandlungen teilnehmen. Sie wird gewählt, ist bereit, den Dienst anzutreten. Wozu die Muslimin nicht bereit ist, ist ihr Koptuch während der Verhandlungen abzunehmen. Daraufhin wird sie von der Schöffenliste gestrichen, es liege eine "Unfähigkeit zur Ausübung des Schöffenamts" gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz vor. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im April entschieden.

Das Tragen des Kopftuches während der Sitzung verstoße gegen § 2 Abs. 1 Justizneutralitätsgesetz NRW (JNeutG NRW), so das OLG. Danach ist es Beschäftigten sowie ehrenamtlichen Richtern in der gerichtlichen Verhandlung untersagt, wahrnehmbare Symbole oder Kleidungsstücke zu tragen, die bei objektiver Betrachtung eine bestimmte religiöse, weltanschauliche oder politische Auffassung zum Ausdruck bringen.

Nun zieht die Pädagogin vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Karlsruhe. Unterstützt wird sie dabei von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Aus ihrer Sicht sind die Streichung von der Schöffenliste sowie die Vorschrift aus dem JNeutG NRW verfassungswidrig. Der pauschale Ausschluss greife massiv in die Grundrechte der Betroffenen ein. "Auch kopftuchtragende muslimische Frauen sind Teil unserer Gesellschaft, die durch Schöff:innen im Gericht repräsentiert werden sollen", kritisiert die Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF Soraia Da Costa Batista.

Gleiche Maßstäbe für Rechtsreferendare und Schöffen?

Prof. Dr. Anna Katharina Mangold von der Europa-Universität Flensburg, die die Beschwerdeführerin vor dem BVerfG vertritt, meint: "Das Schöff:innenamt baut auf demokratische Vielfalt. Der diskriminierende Ausschluss engagierter Menschen wegen ihrer sichtbaren Religionsausübung greift dieses Fundament an." Schöffen seien ein wichtiges Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft, durch die möglichst repräsentative und plurale Perspektiven in das Gericht eingebracht würden. Ein pauschaler Ausschluss widerspreche diesem gesetzlich verankerten Ziel.

Die Pädogin selbst äußert sich betroffen, dass ihr die Möglichkeit das Schöffenamt auszuüben, nur wegen ihres Kopftuches verwehrt werde. "Ich arbeite seit vielen Jahren in Projekten mit Jugendlichen und Erwachsenen, um unsere Demokratie und den Rechtsstaat zu stärken. Als die Wahl für das Amt als Jugendschöffin auf mich fiel, habe ich mich gefreut, meine Erfahrungen einbringen zu können", betont sie.

Vor vier Jahren hatte das BVerfG bereits über die Frage nach einem Kopftuchverbot für Rechtsreferendare entschieden (Beschl. v. 14.01.2020, Az. 2 BvR 1333/17). Damals hielten die Karlsruher Richter den Grundrechtseingriff für gerechtfertigt. Als gegenüberstehende Verfassungsgüter wurden die Grundsätze der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sowie die negative Religionsfreiheit Dritter genannt.

Ob die Richter bei Abwägung der kollidierenden Interessen im Fall von Schöffen zu dem gleichen Ergebnis kommen, bleibt abzuwarten.

lmb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Verfassungsbeschwerde gegen Kopftuchverbot: . In: Legal Tribune Online, 05.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54942 (abgerufen am: 09.11.2024 )

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