Gesetz gegen missbräuchliche Abmahnungen: Abzo­cken schwer gemacht

von Hasso Suliak

31.08.2018

Das BMJV will missbräuchliche Abmahnungen, die nur zur Gebührenerzielung ausgesprochen werden, eindämmen. Ein neues Gesetz soll unseriösen Vereinen und bestimmten Anwälten das Handwerk legen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hat ein Gesetz zur Bekämpfung des Abmahnmissbrauchs vorgelegt. Damit kommt die Ministerin einer Aufforderung des Deutschen Bundestages nach. Dieser hatte Anfang Juli auf Antrag der Koalitionsfraktionen die Bundesregierung dazu aufgefordert, direkt nach der parlamentarischen Sommerpause und bis zum 1. September einen Gesetzentwurf zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs vorzulegen und darin vor allem die Sorgen von kleinen und mittelständischen Unternehmen, gemeinnützigen Organisationen, Vereinen und Selbstständigen zu berücksichtigen.

Diese hatten insbesondere nach Einführung der DSGVO eine Abmahnwelle wegen auch nur geringster Verstöße gegen das neue Regelwerk befürchtet. Bislang ist diese zwar ausgeblieben, doch auch unabhängig davon werden wettbewerbsrechtliche Abmahnungen häufig nur deshalb verschickt, weil sie dem Versender die Einnahmen aus Kostenerstattung und Vertragsstrafe bringen.

Der Gesetzentwurf, der LTO nunmehr vorliegt und sich nach Angaben des federführenden Bundesjustizministeriums (BMJV) gegenwärtig noch in der Ressortabstimmung befindet, möchte dem nun entgegenwirken. Zwar dienten Abmahnungen "der schnellen und kostengünstigen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, die eine teure und unter Umständen langwierige gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden können. Allerdings sollen Abmahnungen im Interesse eines rechtstreuen Wettbewerbs erfolgen und nicht zur Generierung von Gebühren und Vertragsstrafen", heißt es im Papier des BMJV. Gewerbetreibende, die nur vergleichsweise geringfügige Rechtsverstöße begehen, müssten ansonsten "erhebliche Verluste finanzieller oder immaterieller Art hinnehmen" oder seien zumindest der Gefahr solcher Verluste ausgesetzt, heißt es im Entwurf.

BMJV rechnet mit 50 Prozent weniger Missbrauch

Nach Auffassung des BMJV ist dem Phänomen des Abmahnmissbrauchs mit den geltenden Rechtsgrundlagen nicht beizukommen. In letzter Zeit, so das Ministerium, mehrten sich die Anzeichen, dass trotz bestehender Regelungen, etwa dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken oder dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), weiterhin missbräuchliche Abmahnungen ausgesprochen werden. Abmahnungen gegenüber Kleinstunternehmen wegen nur geringfügiger Verstöße zur Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen dürften nicht hingenommen werden.

Der Gesetzentwurf sieht nunmehr diverse Maßnahmen vor, um missbräuchliche Abmahnungen einzudämmen: Höhere Anforderungen an die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen, die Verringerung finanzieller Anreize für Abmahnungen, mehr Transparenz sowie vereinfachte Möglichkeiten zur Geltendmachung von Gegenansprüchen. Das Ministerium erwartet, dass die Wirtschaft durch 50 Prozent weniger missbräuchliche Abmahnungen 860.000 Euro einsparen könnte.

Der Gesetzentwurf sieht Änderungen in diversen Gesetzen vor, u.a. im UWG, im Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) sowie im Gerichtskostengesetz (GKG). Abmahnungen sollen nur noch "im Interesse eines rechtsneutralen Wettbewerbs bzw. der Durchsetzung von Verbraucherrecht erfolgen und nicht zur Generierung von Aufwendungsersatz und Vertragsstrafen genutzt werden". Als Kernvorschlag wird deshalb der Ausschluss des Aufwendungsersatzes für Mitbewerber und qualifizierte Wirtschaftsverbände bei nur unerheblichen Verstößen genannt. Diese Regelung findet sich künftig in § 13 Abs.4 UWG.

Kein Aufwendungsersatz mehr bei Minimalverstößen

Damit trägt das BMJV unter anderem Sorgen aus der Wirtschaft Rechnung, die davor gewarnt hatte, dass minimale Verstöße gegen die DSGVO eine Abmahnindustrie auf den Plan rufen könnte. Mit den Worten "Formale Kleinigkeiten dürfen nicht zur bitteren Kostenfalle werden" hatte etwa Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert.

Das BMJV nennt nunmehr Beispiele für "unerhebliche" Verstöße: Unerheblich sei z.B. die bloße Abkürzung des Vornamens im Impressum einer Internetseite, die Verwendung der Angabe "Zwei Wochen"“ statt "14 Tage" in der Widerrufsbelehrung, eine fehlende Platzierung eines Links zur Europäischen Plattform zur Online-Streitbeilegung oder ein fehlender Hinweis auf diese auf der Webseite eines Online-Händlers. Auch bei geringfügigen Abweichungen gegen bestimmte Marktverhaltensregelungen der DSGVO könne eine nur unerhebliche Beeinträchtigung im Einzelfall in Betracht kommen.

Überdies sollen Abgemahnte künftig vor der Forderung zu hoher Vertragsstrafen geschützt werden. Diese dürfen eine Höhe von 1.000 Euro nicht überschreiten. Durch die Deckelung des Streitwertes in dieser Höhe dürfte sich auch der finanzielle Anreiz für bestimmte Anwälte in Grenzen halten, die sich auf dem Gebiet wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen ein lukratives Geschäft erhoffen. Hier trägt der Gesetzentwurf in gewisser Weise einer Forderung der SPD-Fraktion Rechnung. Deren rechtspolitischer Sprecher, Johannes Fechner, hatte gegenüber LTO kürzlich "eine Deckelung der Anwaltsgebühren gefordert, damit es keine finanziellen Anreize für Abmahnungen gibt."

Höhere Anforderungen an die Klagebefugnis

Fechner hatte außerdem höhere Anforderungen an die Klagebefugnis angemahnt, damit nur seriöse Einrichtungen abmahnen können.  Auch diesen Punkt greift der Entwurf auf:

Zum einen werden im UWG künftig die Voraussetzungen für eine Klagebefugnis verschärft. So wird die Anspruchsberechtigung des mahnenden Mitbewerbers davon abhängig gemacht, dass dieser in nicht unerheblichem Maße ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreibt oder nachfragt. Nach bisheriger Rechtslage konnte laut Gesetzentwurf "jeder Gewerbetreibende die Unterlassung einer wettbewerbswidrigen Handlung fordern, der mit dem Abgemahnten als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht". Dafür habe es bisher ausgereicht, dass der Abmahnende nur einige wenige Waren gleicher Art zu überteuerten Preisen auf einem Portal anbietet. In anderen Fällen sollen Mitbewerber eine hohe Anzahl von Abmahnungen ausgesprochen haben, die erst kurze Zeit zuvor ihr Gewerbe angemeldet hatten oder bei denen bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Zum anderen sollen tatsächlich nur besonders qualifizierte Verbände abmahnen dürfen. Wirtschaftsverbände sind laut Entwurf nur anspruchsberechtigt, wenn sie auf einer Liste der sogenannten qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Hierzu muss es sich um einen eingetragenen Verein handeln, dem mindestens 50 Unternehmer aus gleicher Branche angehören und die sich nicht nur zum Ziel gesetzt haben dürfen, gesetzliche Ansprüche nach dem UWG, UKlaG und GWB durchsetzen, sondern auch zu Fragen des lauteren Wettbewerbs zu beraten und zu informieren.

Weiter verschärft der Entwurf die inhaltlichen Vorgaben an die Gestaltung einer Abmahnung. Hält der Abmahnende diese Vorgaben nicht ein, so hat er keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen und der Abgemahnte könne Gegenansprüche stellen. Der Abgemahnte soll danach aus der Abmahnung ohne weiteres ersehen können, welches ganz konkrete Verhalten ihm vorgeworfen wird und warum dieses zu einer Rechtsverletzung führt.  Wird ein Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend gemacht, muss nach § 13 Absatz 2 Nummer 3 UWG-E die Berechnung zudem präzise dargestellt werden.

Schließlich sieht der Gesetzentwurf auch eine Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands vor. Kleine und mittlere Unternehmen sollen davor geschützt werden, dass einstweilige Verfügungen gezielt bei von deren Sitz beziehungsweise Wohnsitz weit entfernten Gerichten beantragt werden, um den Betroffenen die Rechtsverteidigung zu erschweren.

Zitiervorschlag

Gesetz gegen missbräuchliche Abmahnungen: Abzocken schwer gemacht . In: Legal Tribune Online, 31.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30697/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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