GEMA-Tarif für DJs: "Aufschlag für Clubbetreiber war einfacher einzutreiben"

Interview mit Dr. Marc-Oliver Srocke

02.04.2013

2/2: "Die digitale Realität lässt sich nicht in ein starres System einordnen"

LTO: Müssen DJs für Vervielfältigungsstücke, für die sie bereits 2013 eine Lizenz erworben haben, 2014 aufs Neue zahlen?

Srocke: Das Werk, für dessen Vervielfältigung bereits gezahlt wurde, muss nicht erneut lizensiert werden. 2014 muss also nur für die Vervielfältigungsstücke gezahlt werden, die in diesem Jahr angefertigt werden.

LTO: Der Tarif VR-Ö betrifft Musik, die auf Laptops übertragen wurde. Muss der DJ auch dann eine Lizenz bei der GEMA erwerben, wenn er das Musikwerk in einem Downloadshop wie iTunes oder Amazon erworben hat?

Srocke: Hier fangen die praktischen Probleme an. Die Datei, die jemand in einem legalen Downloadshop erwirbt und auf seinen Laptop herunterlädt, kann er ohne weitere Vergütung im Club spielen – von diesem Laptop aus. iTunes übernimmt daneben die Lizenzierung unabhängig davon, ob eine Datei von iPad, iPhone oder iBook aus abgespielt wird. Woher soll ein DJ aber zum Beispiel wissen, wie weit die Lizenzierung nun bei seinem Downloadstore reicht? Eine Kopie einer heruntergeladenen Datei auf einen anderen Laptop oder auf einen USB-Stick, ist jedenfalls vergütungspflichtig, wenn sie zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe erfolgt.

Ein "Verschieben" der Datei auf einem Datenträger allerdings soll keine Vervielfältigung sein, ebenso wenig wie das Ändern des Formates der Datei. Auch die Anfertigung von Sicherungskopien ist zunächst nicht erfasst. In der Praxis sind aber natürlich unzählige weitere Einzelfälle zu klären. Die digitale Realität bietet nun einmal unzählige Nutzungsvarianten, und diese lassen sich nicht alle in ein starres System einordnen, dass nur aus "Vervielfältigen" oder "Verschieben" besteht.

LTO: Angenommen, die Festplatte mit den bereits lizensierten Musikwerken geht kaputt. Der DJ hat zuvor aber alle Musikwerke auf einer Back-up-Festplatte gesichert. Muss er dann erneut Lizenzen bei der GEMA erwerben?

Srocke: Ja, das muss er. Eine Sicherungskopie ist zunächst nicht lizensierungspflichtig. Sobald die gesicherten Musikwerke jedoch zum Zweck der öffentlichen Wiedergabe erneut auf einen Laptop übertragen werden, fallen Gebühren an. Dafür sind pauschal 125 Euro zu zahlen.

"Am Rande geht es auch um kulturelle Vielfalt"

LTO: Bands und Einzelinterpreten schicken nach ihren Auftritten häufig eine Playliste an die GEMA, welche die Musikwerke enthält, die auf der Veranstaltung gespielt wurden. Müssen DJs jetzt künftig Playlisten mit Titeln, Interpreten und Urhebern erstellen und an die GEMA weiterleiten? 

Srocke: Nein, es kommt nicht darauf an, was gespielt wird, sondern wie viele Kopien der DJ zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe angefertigt hat. Da hiermit weiterer bürokratischer Aufwand vermieden wird, ist dies auf der einen Seite zu begrüßen. Auf der anderen Seite würde eine Berechnung anhand der Anzahl der tatsächlich gespielten Kopien für eine höhere Einzelfallgerechtigkeit sorgen. Und viele DJs würden die Gebühren vermutlich auch lieber zahlen, wenn wenigstens diejenigen Urheber davon profitieren würden, deren Werke sie auflegen. Dies ist aber natürlich ausgeschlossen, wenn die gespielten Songs gar nicht erfasst werden und es allein auf die Anzahl der kopierten Werke ankommt. Ein Apparat wie die GEMA ist allerdings nun einmal auch zu Pauschalierungen im Tarifsystem gezwungen.

LTO: Wie will die GEMA kontrollieren, ob die Angaben eines DJs zur Anzahl der Vervielfältigungen von Musikwerken auch richtig sind?

Srocke: Das ist das zweite Hauptproblem. Muss ein DJ seinen Laptop von einem GEMA-Mitarbeiter kontrollieren lassen, wenn dieser nachts im Club steht und dem DJ mit seinen GEMA-Ausweis vor der Nase herumwedelt? Wohl kaum. Und wie will die GEMA beweisen, dass es sich bei den Musikdateien nicht um die "Originale" handelt, die der DJ bei iTunes heruntergeladen hat? Da müsste man den Laptop schon erstmal fachmännisch überprüfen. Und auch wenn definitiv Kopien drauf sind: Müsste die GEMA auch beweisen, dass diese alle zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe bestimmt sind oder gibt es eine Art "GEMA-Vermutung", nach der alle Dateien, die man beim Auflegen dabei hat, auch zu diesem Zweck kopiert wurden? Da war der Pauschalaufschlag für die Clubbetreiber sicherlich einfacher einzutreiben.

LTO: Sie vertreten auch DJs. Was empfehlen Sie denen?

Srocke: Erst einmal natürlich, sich für 125 Euro die Pauschallizenz für die Zeit vor dem 01. April 2013 zu besorgen. Das kann man noch bis Ende des Jahres tun. Dann sollte man überprüfen, ob angesichts des Umfangs des kopierten Repertoires die weiteren Pauschaltarife in Frage kommen. Ich würde aber zumindest jedem nebenberuflichen DJ auch empfehlen, sich mal an seinen Clubbetreiber zu wenden und zu fragen, ob er nicht vielleicht die Lizenzgebühren übernimmt. Letztlich profitiert ja doch der Clubbetreiber, wenn der DJ mit einem umfangreichen Musikangebot aufkreuzt und nicht einen Großteil seiner Musiksammlung zu Hause lässt, weil er die Kosten hierfür scheut. Da geht es am Rande auch um kulturelle Vielfalt.

LTO: Herr Dr. Srocke, vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Marc-Oliver Srocke ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei der Kanzlei Schultz-Süchting in Hamburg. 

Das Interview führte Tobias Kohl.

Zitiervorschlag

Dr. Marc-Oliver Srocke, GEMA-Tarif für DJs: "Aufschlag für Clubbetreiber war einfacher einzutreiben" . In: Legal Tribune Online, 02.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8442/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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