Vinyl war gestern. Die DJs von heute spielen ihre Musik vom Laptop oder von gebrannten CDs. Ab April müssen sie hierfür die Rechte bei der GEMA einholen. Wofür nun gezahlt werden muss, was er von der Informationspolitik der Verwertungsgesellschaft hält und warum sich DJs erst einmal die 125-Euro-Pauschale leisten sollten, erklärt der Medienrechtsanwalt Marc-Oliver Srocke im LTO-Interview.
LTO: Bislang mussten die Betreiber von Diskotheken für die "Vervielfältigung von Musikwerken zur öffentlichen Wiedergabe" einen sogenannten Laptopzuschlag an die GEMA zahlen, wenn ihre DJs Musik vom Computer oder selbstgebrannten CDs abspielten. Ab dem 1. April gilt nun eine neue Regelung. Was hat sich geändert?
Srocke: Bisher zahlten Veranstalter beziehungsweise Clubbetreiber einen 30-prozentigen Aufschlag auf ihre GEMA-Gebühren, wenn gebrannte CDs oder kopierte Musikdateien abgespielt wurden. Diese Lizenzgebühren für die Anfertigung von Kopien von Musikwerken zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe werden nun auf die DJs abgewälzt.
Weiterhin bezahlt durch den Clubbetreiber werden die Gema-Gebühren für die öffentliche Wiedergabe der Musik. Legt der DJ Originaltonträger oder -dateien auf, fallen keine weiteren Lizenzgebühren an. In diesen Fällen hat der Tonträgerhersteller oder der legale Anbieter der Dateien die Vervielfältigungsrechte bei der GEMA bereits lizenziert. Kommen aber gebrannte CDs oder kopierte Musikdateien im Club zum Einsatz, muss für diese Vervielfältigung gezahlt werden, die dann ja auch nicht für private Zwecke erfolgt, also keine Privatkopie ist und somit nicht von der Ausnahme des § 53 Abs. 1 S. 1 Urheberrechtsgesetz erfasst ist.
LTO: Warum werden künftig die DJs zur Kasse gebeten?
Srocke: Die Musikveranstalter wollten für die Kosten nicht mehr aufkommen. Es geht also um ökonomische Interessen. Die GEMA hat den Tarif mit dem Interessenverband der Musikveranstalter ausgehandelt. Dabei wurde allerdings auch ein Interessenverband von Berufs-DJs beteiligt, ob der aber repräsentativ ist und wie viel Verhandlungsspielraum bestand, kann ich nicht beurteilen.
Nun DJs anstelle der Veranstalter zur Kasse zu bitten, ist vermutlich ein Zugeständnis an letztere, nachdem sie im vergangenen Jahr ja recht öffentlichkeitswirksam gegen Tariferhöhungen in ihrem Bereich Sturm gelaufen sind. Rechtlich lässt sich die Umwälzung auf DJs natürlich ganz gut damit begründen, dass dort gezahlt werden soll, wo die Vervielfältigung stattfindet. Und das ist nun mal beim DJ.
Praktisch könnte man dagegen natürlich einwenden, dass die ökonomisch relevante Verwertungshandlung erst im Club stattfindet und nicht schon im Wohnzimmer, wo der DJ die Musik kopiert. So fernliegend ist der Gedanke nicht, bisher hat sich ja auch niemand gewundert, dass die Veranstalter herangezogen wurden. Formal betrachtet geht es hier aber nun einmal um die Vergütung für die Vervielfältigung und nicht für die Wiedergabe.
"Die GEMA muss auch erklären, warum gezahlt werden muss"
LTO: Was halten Sie von dieser Änderung?
Srocke: Zunächst einmal muss man festhalten, dass nach der geltenden Gesetzeslage für eine nicht zu privaten Zwecken vorgenommene Vervielfältigung gezahlt werden muss, und hieran gibt es auch nichts zu rütteln. Dass die GEMA hier Lizenzgebühren verlangt, ist also eigentlich nicht das Thema. Als nächstes stellt sich die Frage, von wem, aber auch dass die Gebühren nunmehr von den DJs statt von den Veranstaltern verlangt werden, lässt sich wie gesagt rechtfertigen. Es verbleibt natürlich die Frage nach dem "wie".
Und ob es taktisch geschickt ist, dieses unpopuläre und vor allem auch schwer zu vermittelnde Thema ausgerechnet jetzt anzupacken, nachdem man wegen Youtube und der Veranstaltertarife ja Shitstorm um Shitstorm hat über sich ergehen lassen müssen, ist wieder ein andere Sache. Die Kritik ist oft unberechtigt, aber das ist eben alles auch eine Frage der Informationspolitik, und auf die wird es auch hier besonders ankommen:
Woher sollen denn die tausenden, nebenberuflichen DJs überhaupt wissen, dass sie ab dem 1. April mit zahlreichen Nutzungsrechtsverletzungen im Gepäck auflegen, obwohl sie mit dem gleichen Laptop oder CD-Koffer in den Club marschieren wie im März? Denen muss die GEMA nicht nur erstmal mitteilen, dass gezahlt werden muss, sondern auch warum. Die Leute haben wenig Verständnis dafür, dass Lizenzgebühren anfallen, wenn sie eine Kopie von einer selbst gekauften CD spielen, während keine Gebühren anfallen, wenn sie die Original-CD einlegen. Bei Kopien von selbst gekauften Musikdateien, also im nichtphysischen Bereich, ist das natürlich noch schwerer zu vermitteln. Es reicht ja nicht, im Recht zu sein, sondern man muss auch die gesellschaftliche Akzeptanz für das Urheberrecht im Auge behalten. Letztlich muss man auch über einen neuen Vervielfältigungsbegriff für den digitalen Bereich nachdenken. Das ist aber Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der GEMA.
LTO: Viele DJs übertragen die Musik, die sie später im Club spielen wollen, zuhause von CD oder Vinyl auf ihren Laptop. Für diese Vervielfältigung fällt künftig eine Kopierpauschale von 13 Cent je Werk an. Da die Laptops und Festplatten von DJs häufig mit einigen 100, wenn nicht sogar 1.000 Tracks gefüllt sind, dürfte dies schnell teuer werden. Bietet die GEMA irgendwelche Pauschalmodelle an?
Srocke: Zunächst einmal können alle bisher, das heißt, alle vor dem 01.04.2013 angefertigten Kopien für eine Pauschalgebühr in Höhe von 125 Euro lizenziert werden. Ferner kann für das Jahr 2013 ein Jahrespauschalvertrag für mindestens 500 Vervielfältigungsstücke abgeschlossen werden, nach dem 50 Euro pro angefangene 500 Vervielfältigungsstücke gezahlt werden müssen. Man muss die Kirche also auch mal im Dorf lassen: das werden die meisten wohl stemmen können.
2/2: "Die digitale Realität lässt sich nicht in ein starres System einordnen"
LTO: Müssen DJs für Vervielfältigungsstücke, für die sie bereits 2013 eine Lizenz erworben haben, 2014 aufs Neue zahlen?
Srocke: Das Werk, für dessen Vervielfältigung bereits gezahlt wurde, muss nicht erneut lizensiert werden. 2014 muss also nur für die Vervielfältigungsstücke gezahlt werden, die in diesem Jahr angefertigt werden.
LTO: Der Tarif VR-Ö betrifft Musik, die auf Laptops übertragen wurde. Muss der DJ auch dann eine Lizenz bei der GEMA erwerben, wenn er das Musikwerk in einem Downloadshop wie iTunes oder Amazon erworben hat?
Srocke: Hier fangen die praktischen Probleme an. Die Datei, die jemand in einem legalen Downloadshop erwirbt und auf seinen Laptop herunterlädt, kann er ohne weitere Vergütung im Club spielen – von diesem Laptop aus. iTunes übernimmt daneben die Lizenzierung unabhängig davon, ob eine Datei von iPad, iPhone oder iBook aus abgespielt wird. Woher soll ein DJ aber zum Beispiel wissen, wie weit die Lizenzierung nun bei seinem Downloadstore reicht? Eine Kopie einer heruntergeladenen Datei auf einen anderen Laptop oder auf einen USB-Stick, ist jedenfalls vergütungspflichtig, wenn sie zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe erfolgt.
Ein "Verschieben" der Datei auf einem Datenträger allerdings soll keine Vervielfältigung sein, ebenso wenig wie das Ändern des Formates der Datei. Auch die Anfertigung von Sicherungskopien ist zunächst nicht erfasst. In der Praxis sind aber natürlich unzählige weitere Einzelfälle zu klären. Die digitale Realität bietet nun einmal unzählige Nutzungsvarianten, und diese lassen sich nicht alle in ein starres System einordnen, dass nur aus "Vervielfältigen" oder "Verschieben" besteht.
LTO: Angenommen, die Festplatte mit den bereits lizensierten Musikwerken geht kaputt. Der DJ hat zuvor aber alle Musikwerke auf einer Back-up-Festplatte gesichert. Muss er dann erneut Lizenzen bei der GEMA erwerben?
Srocke: Ja, das muss er. Eine Sicherungskopie ist zunächst nicht lizensierungspflichtig. Sobald die gesicherten Musikwerke jedoch zum Zweck der öffentlichen Wiedergabe erneut auf einen Laptop übertragen werden, fallen Gebühren an. Dafür sind pauschal 125 Euro zu zahlen.
"Am Rande geht es auch um kulturelle Vielfalt"
LTO: Bands und Einzelinterpreten schicken nach ihren Auftritten häufig eine Playliste an die GEMA, welche die Musikwerke enthält, die auf der Veranstaltung gespielt wurden. Müssen DJs jetzt künftig Playlisten mit Titeln, Interpreten und Urhebern erstellen und an die GEMA weiterleiten?
Srocke: Nein, es kommt nicht darauf an, was gespielt wird, sondern wie viele Kopien der DJ zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe angefertigt hat. Da hiermit weiterer bürokratischer Aufwand vermieden wird, ist dies auf der einen Seite zu begrüßen. Auf der anderen Seite würde eine Berechnung anhand der Anzahl der tatsächlich gespielten Kopien für eine höhere Einzelfallgerechtigkeit sorgen. Und viele DJs würden die Gebühren vermutlich auch lieber zahlen, wenn wenigstens diejenigen Urheber davon profitieren würden, deren Werke sie auflegen. Dies ist aber natürlich ausgeschlossen, wenn die gespielten Songs gar nicht erfasst werden und es allein auf die Anzahl der kopierten Werke ankommt. Ein Apparat wie die GEMA ist allerdings nun einmal auch zu Pauschalierungen im Tarifsystem gezwungen.
LTO: Wie will die GEMA kontrollieren, ob die Angaben eines DJs zur Anzahl der Vervielfältigungen von Musikwerken auch richtig sind?
Srocke: Das ist das zweite Hauptproblem. Muss ein DJ seinen Laptop von einem GEMA-Mitarbeiter kontrollieren lassen, wenn dieser nachts im Club steht und dem DJ mit seinen GEMA-Ausweis vor der Nase herumwedelt? Wohl kaum. Und wie will die GEMA beweisen, dass es sich bei den Musikdateien nicht um die "Originale" handelt, die der DJ bei iTunes heruntergeladen hat? Da müsste man den Laptop schon erstmal fachmännisch überprüfen. Und auch wenn definitiv Kopien drauf sind: Müsste die GEMA auch beweisen, dass diese alle zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe bestimmt sind oder gibt es eine Art "GEMA-Vermutung", nach der alle Dateien, die man beim Auflegen dabei hat, auch zu diesem Zweck kopiert wurden? Da war der Pauschalaufschlag für die Clubbetreiber sicherlich einfacher einzutreiben.
LTO: Sie vertreten auch DJs. Was empfehlen Sie denen?
Srocke: Erst einmal natürlich, sich für 125 Euro die Pauschallizenz für die Zeit vor dem 01. April 2013 zu besorgen. Das kann man noch bis Ende des Jahres tun. Dann sollte man überprüfen, ob angesichts des Umfangs des kopierten Repertoires die weiteren Pauschaltarife in Frage kommen. Ich würde aber zumindest jedem nebenberuflichen DJ auch empfehlen, sich mal an seinen Clubbetreiber zu wenden und zu fragen, ob er nicht vielleicht die Lizenzgebühren übernimmt. Letztlich profitiert ja doch der Clubbetreiber, wenn der DJ mit einem umfangreichen Musikangebot aufkreuzt und nicht einen Großteil seiner Musiksammlung zu Hause lässt, weil er die Kosten hierfür scheut. Da geht es am Rande auch um kulturelle Vielfalt.
LTO: Herr Dr. Srocke, vielen Dank für das Gespräch.
Dr. Marc-Oliver Srocke ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei der Kanzlei Schultz-Süchting in Hamburg.
Das Interview führte Tobias Kohl.
Dr. Marc-Oliver Srocke, GEMA-Tarif für DJs: "Aufschlag für Clubbetreiber war einfacher einzutreiben" . In: Legal Tribune Online, 02.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8442/ (abgerufen am: 08.06.2023 )
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