Einsicht zu Informationszwecken: Zwie­tracht, Sen­sa­tionen und das Grund­buch

Ob Presse oder Gläubiger, ob Makler oder Enkel: Für viele ist das Grundbuch nicht nur ein dröges öffentliches Verzeichnis. Lohnt sich die Erbschaft? Hat ein Promi ein Wahnsinnsgrundstück erworben? Hat Oma ihr Häuschen längst an den Lieblingsenkel übergeben? Herbert Grziwotz über spannende Fragen - die das Grundbuchamt noch lange nicht alle beantworten muss.

Im Grundbuch stehen zahlreiche vertrauliche Daten. Man kann dort Grundschulden ebenso finden wie Rückübertragungspflichten bei einer Scheidung oder Zwangssicherungshypotheken wegen Schulden. Aus diesem Grund steht es nicht jedermann zur Einsicht offen.

Einsicht kann grundsätzlich nur derjenige nehmen, der ein berechtigtes Interesse dafür darlegt (§ 12 Abs. 1 Grundbuchordnung, GBO). Wer Einsicht begehrt, muss zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse darlegen. Ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse, kann dafür genügen.

Allerdings genügt nicht jedes beliebige Interesse. Dem Interesse des Einsicht Begehrenden steht das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Eigentümers entgegen. Die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloße Neugier reichen also nicht, um einen Blick ins Grundbuch zu rechtfertigen. Das gilt umso mehr, als der Eigentümer grundsätzlich vor der Gewährung der Einsicht nicht gehört wird und ihm gegen die Gewährung auch kein Beschwerderecht zusteht.

Wer darf, wer nicht und wer vielleicht

Das Grundbuch kann einsehen, wer ein Recht im Grundbuch eingetragen hat. Der Fahrtberechtigte zum Beispiel, ein Kreditinstitut oder ein Wohnungsberechtigter sind befugt, Einsicht zu nehmen. Die Befugnis erfasst auch die Information über den Rang, den das Recht im Grundbuch hat. Deshalb kann auch gefragt werden, ob beispielsweise eine Grundschuld oder Hypothek dem eigenen Recht im Rang vorgeht.

Kaufinteressenten haben ebenfalls ein Einsichtsrecht. Sie müssen allerdings darlegen, dass sie mit dem Eigentümer bereits in konkreten Verhandlungen stehen. Wer erst durch die Grundbucheinsicht den Namen eines potentiellen Verkäufers herausbekommen möchte, darf das Grundbuch dagegen nicht einsehen. Das gilt vor allem für Makler.

Notare dürfen das Grundbuch einsehen; sie müssen das berechtigte Interesse dem Grundbuchamt nicht nachweisen. Vorliegen muss es allerdings trotzdem. Deshalb dürfen Notare auch Maklern nicht, wie dies leider mitunter geschehen ist, "Hilfestellung" leisten und für sie den Namen eines Eigentümers ermitteln.

Kreditgeber und Gläubiger, die eine Zwangsvollstreckung betreiben wollen, dürfen das Grundbuch einsehen. Auch Mieter können einen Blick ins Grundbuch werfen, um zu ermitteln, ob der Vermieter tatsächlich Eigentümer ist. Nachbarn dürfen Einsicht nehmen, wenn sie nachbarrechtliche Ansprüche oder ein Notwegerecht durchsetzen wollen. Aktionäre und Gesellschafter sind berechtigt, um sich über die Grundbesitzverhältnisse der Gesellschaft zu informieren.

Die Presse: Neugier oder demokratische Kontrolle?

Sogar die Presse findet das Grundbuch dann und wann äußerst spannend. Und ging bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG), um feststellen zu lassen, ob und wann Journalisten einen Anspruch auf Grundbucheinsicht haben können.

Veräußert eine kirchliche Einrichtung ein in einer exponierten Münchner Lage gelegenes Grundstück an einen ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten, handelt es sich um einen Vorgang, der die Öffentlichkeit und damit auch die Presse interessiert.

Sie kann, so die Karlsruher Richter im Jahr 2000, bei konkret dargelegten Recherchen das Grundbuch einsehen. Allerdings dürfen damit nicht nur das Unterhaltsbedürfnis und die Neugier der Öffentlichkeit befriedigt werden. Das Einsichtsrecht beschränkt sich in diesen Fällen auf den Umfang, der zur Befriedigung des öffentlichen Interesses erforderlich ist. So darf beispielsweise nur die Abteilung mit der Eintragung von Eigentumsverhältnissen eingesehen werden, wenn es um den früheren und den neuen Eigentümer geht.

Und der Oma ihr klein Häuschen?

In vielen Fällen musste sich die Rechtsprechung mit dem Einsichtsbegehren von Familienangehörigen befassen. Unzweifelhaft kann eine potentielle Schwiegertochter beziehungsweise Ehefrau nicht den Grundbesitz ihrer künftigen Familie erfragen, um zu ermitteln, ob sich das Ja-Wort lohnt.

Verwandte und Lebensgefährten haben allein aufgrund ihrer familienrechtlichen Stellung kein Einsichtsrecht. Dies gilt auch für künftige Erben. Kinder können deshalb nicht das Grundbuch einsehen, um zu ermitteln, ob Eltern ihr Hausgrundstück noch in Besitz oder bereits an ein Geschwisterteil übergeben haben. Auch die Begründung des Kindes, es könne eventuell bei einem Pflegeheimaufenthalt der Eltern für Pflegekosten in Anspruch genommen werden, begründet kein Recht auf Einsichtnahme in das Grundbuch.

Ein Erbe des Eigentümers kann dagegen kraft eigenen Rechts das Grundbuch und auch die früheren Vorgänge über das Grundbuchamt ermitteln. Will ein Kind erst durch Grundbucheinsicht herausfinden, ob es die Erbschaft annehmen oder Pflichtteilsansprüche geltend machen soll, reicht dies für eine Einsichtnahme nicht.

Der Pflichtteilsberechtigte, der ermitteln möchte, ob der Erblasser Eigentümer der Immobilie war, diese verkauft oder verschenkt hat und gegebenenfalls auch, gegen welche Gegenleistung, hat zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Grundbucheinsicht. An die Einsichtnahme in die Grundakten, in denen sich die Veräußerungsverträge befinden, sind aber besonders hohe Anforderungen zu stellen. Ein bloßer Verdacht einer den Pflichtteil beeinträchtigenden Handlung genügt dafür nicht (so nun Oberlandesgericht München, OLG, Besch. v. 10.01.2011, Az. 34 Wx 61/11; ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.10.2010, Az.  BWx 214/10).

Misstrauen reicht nicht: Von Maklern und Pflichtteilsberechtigten

Insoweit ist der Pflichtteilsberechtigte also auf seine Auskunftsansprüche gegen den Erben und unter Umständen auch gegen den vom Erblasser Beschenkten angewiesen (§ 2314 BGB). Von den Erben kann er ein notarielles Nachlassverzeichnis mit Wertangaben und eventuell Wertgutachten fordern, die vom Nachlass zu bezahlen sind. In den Grundakten müssen sich derartige Angaben wie zum Beispiel über den Kaufpreis nicht befinden. Ein erweitertes Einsichtsrecht, das sich auch auf solche Informationen erstreckt, würde, wenn nicht besondere Anforderungen daran geknüpft wären, letztlich dazu führen, dass von Notaren nur noch auszugsweise Abschriften an die Grundbuchämter zu den Grundakten erteilt würden. Das steht außerdem ohnehin in der Macht der Beteiligten.

Haben die Beteiligten keine entsprechende Weisung erteilt, darf das Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich notarieller Vorgänge nicht durch eine weitgehende Einsicht in die Grundakten ausgehebelt werden.

Dass an das Recht zur Einsicht in die Urkunden, die sich in den Grundakten befinden, besonders hohe Anforderungen gestellt werden, wissen auch Makler. Wollen sie herausfinden, ob ein Kauf hinter ihrem Rücken vereinbart wurde, müssen sie, um den Kaufpreis zu erfahren, eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Provisionsanspruchs darlegen.

Für das Grundbuchamt ist die Gewährung einer Grundbucheinsicht in allen Fällen keine leichte Aufgabe. Im Zweifel wird es deshalb die Einsicht verweigern und die Beteiligten auf den Rechtsweg zu den Beschwerdegerichten verweisen.

Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Notar in Regen und Zwiesel

 

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Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, Einsicht zu Informationszwecken: Zwietracht, Sensationen und das Grundbuch . In: Legal Tribune Online, 16.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3273/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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