Die Verführung: Darf der SPIEGEL Gerhard Schröder als Straf­tät­er abbilden?

von Markus Kompa

20.06.2015

Der aktuelle SPIEGEL stellt Verbindungen her zwischen kasachischen Kleptokraten, Wiener Lobbyanwälten und deutschen Spitzenpolitikern. Einer von ihnen wehrt sich nun. Doch im schmutzigen Politikbetrieb gibt es kaum weiße Westen. Von Markus Kompa

Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder schrieb bereits 2002 auf haarsträubende Weise Presserechtsgeschichte. So wehrte sich der "Medienkanzler" im Wahljahr erfolgreich vor dem Landgericht Hamburg gegen die ungeschickt formulierte Vermutung einer Kosmetikerin, der Kanzler schade seiner Glaubwürdigkeit, weil er sich die Haare färbe. Die Hamburger Pressekammer bewertete dies – etwas haarspalterisch – als unzulässige Tatsachenbehauptung, welche der beklagte Verlag schlecht beweisen konnte. Als eine andere Illustrierte Schröder lediglich mit einem Feigenblatt bekleidet abdruckte, soll dies dem Mann, der Deutschland einst "mit BILD, BAMS und Glotze" regierte, auch nicht behagt haben.

Nunmehr erregte sich Schröder über das aktuelle SPIEGEL-Cover, obwohl der 71-Jährige dort immerhin mit züchtiger Kleidung und schwarzem Haar abgebildet wird. Gemeinsam mit Otto Schily und Horst Köhler blickt er den Leser im Stil eines erkennungsdienstlichen Ganovenportraits an. Daneben die Titelstory: "DIE VERFÜHRUNG. Das Kasachstan-Komplott: Wie sich deutsche Politiker von den Millionen eines Diktators und seiner Diener locken ließen."

Verbrecherkartei

Der Ex-Kanzler kanzelte den Hamburger Verlag über einen Anwalt erfolglos ab, sodass nun mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung zu rechnen ist, vermutlich wieder am Landgericht Hamburg. Die Kammer wird zu prüfen haben, ob die montierten Bilder unwahre Tatsachenbehauptung beinhalten, oder lediglich eine – grundsätzlich zulässige – Meinungsäußerung darstellen. Dabei wird vor allem der Kontext zu beachten sein, der durch die Titelstory und deren Kurzfassung auf dem Cover hergestellt wird. So müssen derartig plakative Bilder und Überschriften in einer nachvollziehbaren Weise mit dem Text korrespondieren und dürfen keine ernsthaften Unwahrheiten enthalten oder suggerieren.

Die Fotomontagen präsentieren die Herren Schily, Schröder und Köhler als Personen in einer Verbrecherkartei. Dies impliziert strafrechtlich relevantes Verhalten. Derartige Darstellung kann im entsprechenden Kontext oder zu Zwecken der Satire durchaus zulässig sein. Die Öffentlichkeit suchende Politiker müssen allgemein eine etwas dickere Haut haben, denn Politik ist nun einmal ein immer wieder mit Gratwanderungen und moralisch grenzgängigen Entscheidungen verbundenes Geschäft, Lobbyismus allemal. Schily war als Innnenminister für die Erstellung ebensolcher Verbrecherkarteien wie jener, die nun das SPIEGEL-Cover ziert, verantwortlich, und nicht Wenige beurteilten seine "Otto-Kataloge" als rechtswidrig bis kriminell. Auch Gerhard Schröder wird es gewohnt sein, von politischen Gegnern wegen seiner Beteiligung am Krieg in Osteuropa oder der Einführung von Hartz IV mangelhafter Moralität und Rechtstreue bezichtigt zu werden. Ebenso wird Horst Köhler mit derber öffentlicher Kritik umgehen müssen – aber alles nur im entsprechenden Zusammenhang.

Zitiervorschlag

Markus Kompa, Die Verführung: Darf der SPIEGEL Gerhard Schröder als Straftäter abbilden? . In: Legal Tribune Online, 20.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15935/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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