Bundesverfassungsgericht verwendet neues Adler-Symbol: Ein­fach irgendein Vogel

von Dr. Patrick Heinemann

04.04.2023

Ein neuer Bundesadler ziert jetzt Entscheidungen des BVerfG. Doch darf das Gericht eigenmächtig ein Hoheitszeichen ändern und was folgt daraus für die Autorität der Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts? Patrick Heinemann analysiert.   

Das Bundesverfassungsgericht möchte sich künftig bürgernah, modern und unabhängig geben, wie es in einer Pressemitteilung vom 3. März verlauten ließ. Zu diesem Zweck hat sich das Verfassungsorgan ein Corporate Design zugelegt. Dieses sei nicht nur "durch ein modernes, klares und besonders gut lesbares Schriftbild" gekennzeichnet, sondern auch "durch einen neu gestalteten Adler als Hoheitszeichen". Der neue Adler sorgte bereits für viel Diskussion.

Vergleich alt und neuAuf Anfrage von LTO teilte das Gericht mit, das neue Erscheinungsbild sei einschließlich des Adlers als Teil einer neuen Wort-Bild-Marke nach einer Ausschreibung von der Agentur Mosaik Management (Dortmund) zum Preis von 84.622,00 Euro erstellt worden. Der "als Element des neuen einheitlichen Erscheinungsbildes neugestaltete Adler" solle von nun an nicht nur bei "seinem nach außen gerichteten Schriftverkehr und seinen Medien", sondern auch "auf den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts" verwendet werden – also dort, wo traditionell das Hoheitszeichen der das Gericht tragenden Gebietskörperschaft (Bund oder Land) prangt. Damit dürfte dem neuen Symbol eine nicht unerhebliche Bedeutung und Wirkung zukommen. Aber handelt es sich dabei wirklich um ein neues Hoheitszeichen, wie das Bundesverfassungsgericht glauben machen will?

Bruch mit republikanischer Geschichte

Historisch gesehen markiert der neue Adler jedenfalls einen Bruch mit einem nicht unbedeutenden Symbol republikanischer Geschichte: Bislang nutzte das Bundesverfassungsgericht das im Jahr 1921 von Siegmund von Weech im Sinne der demokratischen Moderne markant gestaltete Wappentier in Sechseckform, das bereits der Weimarer Republik treue Dienste geleistet hatte und einen hohen Wiederkennungswert besitzt. Auch deshalb bestimmte der erste Bundespräsident Theodor Heuss kraft seiner sogenannten Ehrenhoheit per Erlass vom 20. Januar 1950 den bekannten Sechseckadler für die junge Bundesrepublik in einer leicht vereinfachten Form zum Bundessiegel. 

BundessiegelDessen große Ausführung zeigt den Bundesadler ohne Umschrift von einem Kranz umgeben, das kleine Bundessiegel wiederum den Bundesadler mit einer die siegelführende Behörde bezeichnenden Umschrift, wie sich der amtlichen Bildtafel entnehmen lässt. Der SPD-nahe und bereits zu Weimarer Zeiten gegründete Verein Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, der sich heute für politisch-historische Bildungs- und Erinnerungsarbeit einsetzt, forderte daher das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die große Tradition dieser Gestaltung auf, zum altbewährten Adler zurückzukehren: "Es ist bedenklich, so leichtfertig mit seit Generationen etablierten republikanischen Symbolen umzugehen. Wir haben nicht so viele davon, dass wir es uns leisten könnten, sie alle paar Jahre dem Gesetz der Mode zu unterwerfen", so der Bundesvorsitzende des Reichsbanners Fritz Felgentreu in einer Pressemitteilung.

Bundespräsident bei Hoheitszeichen zuständig

Doch nicht historisch-politische, sondern auch rechtliche Erwägungen lassen den neuen Karlsruhe Adler in einem fragwürdigen Licht erscheinen: Dem nach wie vor gültigen Erlass von Bundespräsident Heuss zufolge heißt es: "Das Bundesverfassungsgericht, das Oberste Bundesgericht sowie die oberen Bundesgerichte verwenden das große Bundessiegel zur Ausfertigung von Urteilen und Beschlüssen." 

Hieran haben sich die Gerichte des Bundes bislang treu gehalten und den alten Adler darüber hinaus auch als einheitliches Hoheitszeichen verwendet: So ist etwa über allen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesfinanzhofs, des Bundessozialgerichts sowie des Bundesarbeitsgerichts nach wie vor der von Weech’sche Adler von 1921 abgebildet. Umso irritierender ist es, dass das Bundesverfassungsgericht jetzt ausschert und sich selbst einen neuen Adler als Hoheitszeichen geben will. 

Auf welcher Rechtsgrundlage das neue Hoheitszeichen bestimmt wurde, wollte oder konnte das Bundesverfassungsgericht auf LTO-Anfrage nicht beantworten. Die einhellige Verfassungslehre geht davon aus, dass das ungeschriebene und auf Staatsrechtstradition fußende Recht zur Bestimmung der Hoheitszeichen des Bundes dem Bundespräsidenten zukommt, soweit nicht der Bundesgesetzgeber tätig wird. 

Keine Beteiligung des Bundespräsidenten

So heißt es hierzu im renommierten Grundgesetz-Kommentar von Dürig/Herzog/Scholz, es habe in Literatur und Verfassungspraxis von Anfang an Einigkeit darüber bestanden, "dass auf Grund ungeschriebenen, vom Verfassungsgeber gewissermaßen als selbstverständlich vorausgesetzten Verfassungsrechts auch der Bundespräsident berechtigt ist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, soweit und solange sich der Bundesgesetzgeber ihrer enthält". 

Die Befugnis zur Bestimmung von Hoheitszeichen verbinde sich "nicht nur seit eh und je mit dem Amt des Staatsoberhauptes", sondern stünde "auch in besonderer thematischer Nähe zu der Aufgabe des Bundespräsidenten, die Einheit des Staates (und damit zunächst einmal diesen selbst) zu repräsentieren". Das Bundespräsidialamt sowie das Bundesverfassungsgericht teilten LTO jedoch auf Anfrage übereinstimmend mit, dass der Bundespräsident in die Karlsruher Entscheidung für einen neuen Adler nicht eingebunden war.

Das heißt, der neue Adler darf entgegen der Verlautbarung des BVerfG in seiner Pressemitteilung gerade nicht als Hoheitszeichen verwendet werden. Viel spricht dafür, dass es sich bei dem neuen Symbol daher lediglich um ein Logo handelt.  

Nur ein Logo

Neuer Adler ziert auch EntscheidungenAuch in Karlsruhe scheint man dem neuen Vogel inzwischen nicht mehr die ursprüngliche Bedeutung beimessen zu wollen: War in der Pressemitteilung vom 3. März noch von einem neuen Hoheitszeichen die Rede, vermied das Bundesverfassungsgericht diesen Begriff in seinen Stellungnahmen auf die LTO-Anfragen und sprach nur noch von seinem Recht, als Verfassungsorgan "selbständig über sein Erscheinungsbild" entscheiden zu dürfen. Doch im Übrigen hält man an der angekündigten Verwendung fest. Inzwischen ziert der neue Adler auch die Entscheidungen des Gerichts, jedenfalls in den pdf-Versionen auf der Internetseite, auf dem Kopf der Beschlüsse und Urteile.

Das Gericht hält das für rechtlich unproblematisch. Es sei "keine gesetzliche Regelung ersichtlich, die dieser Praxis entgegensteht". Die Praxis "entspreche" im Übrigen auch der Praxis anderer Verfassungsorgane, die ebenfalls individuell gestaltete Adler verwenden, heißt es gegenüber LTO.

Dies ist insofern richtig als etwa die Bundesregierung seit dem Jahr 1997 im Außenauftritt eine nochmals vereinfachte Darstellung des Adlerentwurfs von 1921 verwendet, der sich insbesondere durch lediglich fünf statt sechs Schweifen pro Schwinge auszeichnet.

BVerfG beschädigt Autorität 

Doch alle anderen Bundesgerichte verwenden weiterhin den Adler von Weech für ihre Entscheidungen und den Internetauftritt. Warum ausgerechnet das Bundesverfassungsgericht aus der Reihe schert, ist mehr als unglücklich. Gerade Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts sollten klar als solche der deutschen Justiz erkennbar sein. Eine Adelung der Beschlüsse und Urteile durch das offizielle staatliche Hoheitszeichen ist daher gerade beim BVerfG von besonderer Bedeutung. Die Autorität der roten Roben wird durch die Verwendung des Logos einer Werbeagentur statt des offiziellen deutschen Hoheitszeichens daher leider geschwächt. 

Wo freilich die Grenzen für ein selbständiges Corporate Design von Verfassungsorganen liegen, ob etwa auch andere Tiere wie Pinguine, Hamster oder Leguane in Frage kommen, immerhin diese Grenzen wird die Staatsrechtslehre vorerst nicht ausloten müssen.

Zitiervorschlag

Bundesverfassungsgericht verwendet neues Adler-Symbol: Einfach irgendein Vogel . In: Legal Tribune Online, 04.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51483/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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