Videobeweis in der Bundesliga: Das Streben nach Gerech­tig­keit

von Tobias Altehenger

19.08.2017

Zur neuen Saison wird in der Bundesliga der Videobeweis eingeführt. Das Ziel: Mehr Gerechtigkeit im Fußball, in dem es um immer mehr Geld geht. Tobias Altehenger mit den rechtlichen Grundlagen und Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Nach dem Supercup-Spiel von Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München war das kollektive Aufatmen bei den Fußball-Romantikern groß. Viele von ihnen hatten im ersten offiziellen Einsatz des Videobeweises den Leibhaftigen im Schiedsrichtertrikot gesehen. Mancher Fan befürchtete gar, jetzt, wo jede Entscheidung korrigiert werden könne, würde es im Fußball zu keinen Diskussionen mehr kommen. Doch diese Befürchtung währte nur 18 Minuten. Als nämlich Schiedsrichter Felix Zwayer nach Zeichen seines Videoassistenten Tobias Stieler den 1:1 Ausgleichstreffer der Bayern anerkannte, witterten die Fans von Borussia Dortmund einen ersten Skandal.

Tenor der Erbosten: Bayern-Torschütze Joshua Kimmich habe im Abseits gestanden, das könne man doch deutlich sehen, und überhaupt: Wo seien eigentlich die Bilder, die der DFB den übertragenen Fernsehanstalten doch eigentlich zur Verfügung stellen wollte? Bei aller etwas hysterischen Aufregung war zumindest diese Frage berechtigt, wurde vom DFB, wenn auch spät, allerdings aufgeklärt: Eine technische Panne hatte eine ganz und gar perfekte Premiere des Videobeweises verhindert. Denn eigentlich war der – korrekterweise anerkannte – Ausgleichstreffer der Bayern ein Paradebeispiel dafür, wie der Videobeweis funktioniert und was er bringt.

Wann der Videobeweis zum Einsatz kommt

Beim Tor der Bayern im Supercup handelte es sich (wie bei jedem Tor) um eine sogenannte "spielrelevante Entscheidung" - und damit um eine Spielsituation, in welcher der Videobeweis künftig immer zum Einsatz kommen wird. Fällt ein Tor, überprüft der Videoassistent in Köln die Kamerabilder auf Abseitskonstellationen oder versteckte Foul- oder Handspiele und gibt dem Schiedsrichter auf dem Platz via Funk seine Einschätzung. Erst wenn das passiert ist, wird das Spiel wieder angepfiffen. Weitere dieser spielrelevante Entscheidungen, in denen der Videoassistent ab der neuen Saison eingreifen darf, sind Rote Karten und Szenen, in denen er oder der Schiedsrichter den Verdacht haben, dass eine Rote Karte angemessen sein könnte.

Darüber hinaus soll der Videoassistent bei Elfmetersituationen helfen und auch dann eingreifen, wenn der Schiedsrichter den falschen Spieler verwarnt oder des Feldes verweist. In allen anderen Szenen darf sich der Videoassistent dagegen nicht einmischen. Für die diskussionsfreudigen Fußballromantiker bedeutet das: Über Gelbe Karten, Gelb-Rote Karten, Einwürfe für die falsche Mannschaft oder Abstoß statt Eckstoß wird man sich in der neuen Saison noch genauso aufregen können wie früher.

Müssen sich Schiedsrichter an Assistenzansagen halten?

Unter Schiedsrichtern gibt es einen bekannten Spruch: Der Schiedsrichter ist auf dem Platz Polizist, Staatsanwalt und Richter in einer Person. An dieser immensen Machtfülle – die mit Sicherheit einer der Hauptgründe für die grundsätzliche Unbeliebtheit von Spielleitern ist – ändert auch der Videobeweis nichts. "Ferngesteuerte" Bundesliga-Schiedsrichter wird es trotz der neuen Technik nicht geben. Denn: Die Videoassistenten sind zwar ebenfalls aktive oder ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter und damit grundsätzlich "gleichrangig" zum Schiedsrichter im Stadion, aber – wie ihr Name schon sagt – sie sind eben (nur) Assistenten. Das heißt: Wenn der Schiedsrichter einen Hinweis über Funk für Unsinn hält, dann hat er jederzeit das Recht, sich darüber hinwegzusetzen - zumindest in der Theorie.

In der Praxis wird es dazu indes gar nicht erst kommen, und das aus drei Gründen. Erstens: Kein Bundesliga-Schiedsrichter wird für sich in Anspruch nehmen, eine Situation auf einen Blick besser wahrnehmen zu können als es ein gut geschulter Kollege mit unzähligen verschiedenen Kameraeinstellungen und Zeitlupen kann. Zweitens: Der Videoassistent ist gehalten, sich nur dann einzumischen, wenn der Schiedsrichter eine klare Fehlentscheidung getroffen hat. Das bedeutet: Der Schiedsrichter muss nicht befürchten, dass sich der Assistent in seinen Ermessensspielraum einmischt, den er in zahlreichen Situationen während eines Spiels nutzt. Gibt es etwa sowohl Argumente für eine Gelbe wie auch für eine Rote Karte, dann wird sich der Videoassistent zurückhalten. Und drittens: Selbst wenn der Schiedsrichter auf dem Platz der Meinung wäre, dass seine eigene Wahrnehmung richtig war und der Videoassistent falsch liegt, hat er immer noch die Möglichkeit, sich in der sogenannten "Review Area" die Szene selbst anzusehen und seine Entscheidung zu korrigieren - oder eben dabei zu bleiben.

Zitiervorschlag

Tobias Altehenger, Videobeweis in der Bundesliga: Das Streben nach Gerechtigkeit . In: Legal Tribune Online, 19.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24017/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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