BGH schützt Geheimniskrämerei der Schufa: Datenverarbeitung der Mächtigen bleibt intransparent

2/2: Es bleibt ein Gefühl des Ausgeliefertseins

Aus der Perspektive der Schufa ist die Verweigerungshaltung verständlich, weil die Methode zur Berechnung des Scorewerts der Kern ihres Geschäfts ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift liegt die Auslegung der Gerichte aber nicht wirklich nahe: Das "Zustandekommen" des Scores soll "nachvollziehbar" gemacht werden – wie kann das funktionieren, wenn man nicht erfährt, welche gespeicherte Tatsache sich wie auf das Ergebnis auswirkt?

Die Gesetzesbegründung macht die Beschränkung des Auskunftsanspruchs dagegen sicher gut vertretbar. Danach wird durch die Regelung "sichergestellt", dass die Unternehmen nicht die Scoreformel, an deren Geheimhaltung sie "ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse haben, offenbaren müssen". Allerdings hat der BGH in anderen Fällen auch keine Hemmungen, klare gesetzgeberische Intentionen mit dem Argument beiseite zu wischen, sie hätten sich nicht im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen.

Für Betroffene mit schlechten Scores ist die Entscheidung unbefriedigend. Es ist sicher richtig, wie das LG Gießen in der Berufungsentscheidung anmerkt, dass sie auf der Basis der gewährten Auskunft zumindest eine unrichtige Tatsachenbasis erkennen und gegebenenfalls korrigieren lassen können.

Freilich bleibt das Gefühl des Ausgeliefertseins, wenn der intransparente Softwarealgorithmus der Schufa trotz korrekter Tatsachen einen miesen Bonitätswert auswirft. Wer den Algorithmus nicht kennt, kann weder etwaige Fehler erkennen, noch einen einzelnen Zusammenhang bestreiten – also beispielsweise die Frage, inwiefern auch die verwendeten "allgemeinen Daten" wie Geburtsdatum oder Geschlecht tatsächlich bonitätsrelevant sind.

Menschen herrschen über Algorithmen – Bald Vergangenheit

Die Berechnung statistischer Verhaltensprognosen ist bislang eine Domäne der Auskunfteien; zumindest ist sie hier für die Menschen am anschaulichsten zu greifen. Die technische Entwicklung ist jedoch schon viele Schritte weiter. Weltweit arbeiten Softwareentwickler daran, mit Hilfe neuer Analysetools das über einzelne Personen verfügbare Wissen zu mehren, zu systematisieren und zu verstehen.

Die Erhebung von Facebook-Daten unterließ die Schufa nicht wegen rechtlicher Unzulässigkeit, sondern wegen des öffentlichen Drucks – und mutmaßlich auch nur vorläufig. Kfz-Versicherungen werden unser Fahrverhalten messen, um Auskunft über unser Unfallrisiko zu bekommen und daran unsere Versicherungsbeiträge auszurichten. Schon gibt es Berichte darüber, dass Preisangebote im Internet nicht für alle gleich sind, sondern durch das individuelle Surfverhalten und die Verwendung günstiger oder teurer Hardware beeinflusst werden. Und welche Scorewerte die NSA zu welchen Zwecken in ihren Datenbeständen über uns vorhält, weiß niemand.

Wenn in diesen anbrechenden Zeiten von "Big Data" immer mehr Datenmengen über immer mehr Menschen verfügbar sein werden, so könnte uns der vorliegende Sachverhalt schon bald wie aus einer vergangenen Zeit anmuten, in der noch Menschen über Algorithmen herrschten. Wenn wir das nicht wollen, brauchen wir Transparenz über die Datenverarbeitungen der Mächtigen in Staat und Wirtschaft – nicht als Allheilmittel, aber als Basis für Entscheidungen über die Welt, in der wir leben wollen.

Der Autor Prof. Dr. Gerrit Hornung, LL.M. ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, IT-Recht und Rechtsinformatik der Universität Passau. Einer seiner aktuellen Forschungsschwerpunkte ist die Reform des europäischen Datenschutzrechts.

Zitiervorschlag

Gerrit Hornung, BGH schützt Geheimniskrämerei der Schufa: Datenverarbeitung der Mächtigen bleibt intransparent . In: Legal Tribune Online, 29.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10816/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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