Krankheit, Urlaub, irrationale Wutanfälle: Wer zahlt für ausgefallene Arbeit?

von Nils Neumann, LL.M.

21.02.2014

2/2: "Ohne Arbeit kein Lohn"

Dabei gilt im allgemeinen Schuldrecht zuvorderst der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn". Wird die Arbeitsleistung nicht erbracht, muss auch keine Vergütung bezahlt werden. Davon gibt es zunächst nur zwei wesentliche Ausnahmen, die zu einer fairen Verteilung der Risiken für einen Arbeitsausfall zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen:

Zum einen den Annahmeverzug: Nimmt der Arbeitgeber eine ordnungsgemäß angebotene Arbeitsleistung nicht an, wäre es evident unbillig, dem Arbeitnehmer die Vergütung vorzuenthalten.

Zum anderen die Verwirklichung eines vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisikos: Nur wenn die Sphäre des Arbeitgebers betroffen ist, muss die Vergütung trotz Arbeitsausfall fortgezahlt werden. So beispielsweise bei Überschwemmung des Betriebs oder einem Stromausfall. Bereits das Reichsarbeitsgericht hatte diese von den gesetzlichen Vorschriften losgelöste eigenständige Rechtsfigur entwickelt. Heute ist die Betriebsrisikolehre in § 615 des Bürgerlichen Gesetzbuches normiert.

Sozialschutz ist nicht Aufgabe der Arbeitgeber

Über diese Grundsätze hinaus gibt es jedoch eine Vielzahl weiterer Vorschriften, die das Risiko für einen Arbeitsausfall auf den Arbeitgeber abwälzen. Diese Regelungen werden kaum hinterfragt. Im Sog von Forderungen nach immer mehr staatlicher Fürsorge und einer Reduzierung der Eigenverantwortung werden sie vielmehr als selbstverständlich hingenommen, teils sogar als unzureichend bewertet – so auch im aktuellen Koalitionsvertrag, nach dem Union und SPD planen, das ohnehin schon strenge Teilzeitrecht durch Verlagerung von Darlegungslasten und die Einführung eines Rückkehrechtes weiter zu Lasten des Arbeitgebers zu verschärfen. Insgesamt wird damit der Bogen hinnehmbarer Sozialpflichtigkeit von Eigentum und Unternehmertum inzwischen weit überspannt.

Es lohnt sich, unbefangenen zu hinterfragen, ob die zunehmende und dezidierte staatliche Regulierung nicht nur den Schutzgedanken zu weit treibt, sondern auch ungewünschte Effekte hervorruft. Selbstverständlich bedürfen Arbeitnehmer eines besonders hohen Schutzes und einer Vielzahl von Rechten. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass jeder staatliche Eingriff und jede soziale Wohltat den Faktor Arbeit verteuert. Die Mittel, die zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und unserer sozialen Standards erforderlich sind, müssen zunächst einmal erarbeitet werden. So muss mit Blick auf die demographische Entwicklung zwar eine berufliche Tätigkeit mit Kindern ermöglicht werden, dabei darf aber nicht übersehen werden, dass gut gemeinter Schutz auch zu einem gesteigerten Maß an verdeckter Diskriminierung führen und gerade den beruflichen Chancen von Frauen mehr schaden als helfen kann.

Von Zeit zu Zeit sollten die Eigentums- und Unternehmerfreiheit in Erinnerung gerufen werden. Wohlstand erfordert stetige Fortentwicklung, Dynamik und einen hohen und produktiven Arbeitseinsatz. Die Risiken eines Arbeitsausfalls sollte deshalb derjenige tragen, dem sie zuzurechnen sind. Wenn die Gesellschaft das bestehende soziale Schutzniveau aufrechterhalten oder sogar ausweiten will, sollten der Staat oder die gesamte Gesellschaft dies finanzieren, nicht der einzelne Arbeitgeber.

Der Autor Nils Neumann, LL.M. ist Rechtsanwalt der internationalen Wirtschaftssozietät K&L Gates in Berlin und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Arbeitsrecht.

Zitiervorschlag

Nils Neumann, Krankheit, Urlaub, irrationale Wutanfälle: Wer zahlt für ausgefallene Arbeit? . In: Legal Tribune Online, 21.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11120/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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