AG Bad Hersfeld zur Nutzung von Whatsapp: Auf­sicht bis zur Voll­jäh­rig­keit

von Dr. Carsten Ulbricht

28.06.2017

2/2: Mindermeinung: AG Bad Hersfeld

So sehr man Whatsapp für diese Datenverarbeitung kritisieren und vielleicht auch rechtlich gegen den Betreiber vorgehen kann, so sehr muss man diskutieren, ob hierfür tatsächlich auch die Nutzer selbst rechtlich in Anspruch genommen werden können.

Aus rechtlicher Sicht kommt es mithin entscheidend darauf an, ob der private Nutzer der App tatsächlich für die genannte Verarbeitung des Anbieters rechtlich verantwortlich ist und ob betroffene Kontakte den Whatsapp-Nutzer dann tatsächlich wegen eines rechtswidrigen Eingriffes in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf Unterlassung oder - wie teilweise behauptet - auf Schadenersatz in Anspruch nehmen kann.

Bezüglich beider Fragen muss man unter Zugrundelegung der herrschenden Meinung in der Literatur bzw. obergerichtlicher Gerichtsentscheidungen wohl zu einem anderen Ergebnis kommen als das AG Bad Hersfeld.

Verantwortlichkeit beim Anbieter

Relevant ist hier vor allem ein Urteil des OVG Schleswig (Urt. v. 09.10.2013, Az. 8 A 37/12, 8 A 14/12 und 8 A 218/11). Dieses sieht eine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit primär bei dem Betreiber des jeweiligen Mediums, hier Whatsapp, und eben nicht beim Nutzer. Das zumindest, wenn der Nutzer faktisch keinen Einfluss auf die Datenerhebung und -verarbeitung hat.

Gegen eine rechtliche Verantwortlichkeit des privaten Nutzers spricht zudem § 1 Abs.2 Nr.3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der die Anwendbarkeit des Gesetzes bei rein persönlichen oder familiären Tätigkeiten ausschließt. Es spricht also viel dafür, dass das Einwilligungserfordernis des BDSG auf die vor dem AG Bad Hersfeld verhandelte, private Nutzung der App durch ein Kind schon nicht anzuwenden war.

Zu hinterfragen sind schließlich auch Ausführungen des AG Bad Hersfeld, die einen Unterlassungsanspruch gemäß § 823 BGB bzw. § 1004 BGB annehmen, weil der Nutzer mit der Datenweitergabe rechtswidrig in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Kontakte eingreife.

Privat ist anders als kommerziell

Sofern Daten durch Private erhoben, gespeichert und verwendet werden, gelten nämlich andere Grundsätze als für kommerzielle Anbieter. Insbesondere benötigt der Private keine gesetzliche Ermächtigungsnorm als unbedingte Voraussetzung legitimen Handelns. Sammeln und Verbreiten von Informationen durch Private stellen vielmehr ihrerseits Grundrechtsausübungen dar, zumindest in Form der allgemeinen Handlungsfreiheit  nach Art. 2 Abs. 1 GG, womöglich aber auch in der Form der Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG. Sofern und solange der Gesetzgeber keine einschränkende Regelung trifft, steht jedermann das Recht zu, sich personenbezogene Informationen zu verschaffen und diese zu verarbeiten.

Soweit also der Gesetzgeber keine ausdrückliche gesetzliche Regelung getroffen hat, die Private vor datenschutzrechtlichen Beeinträchtigungen schützen, sind die gegenüberstehenden Grundrechte miteinander abzuwägen. Unterlassungsansprüche sind mangels konkreter gesetzlicher Grundlage dann wohl auch nur in Extremfällen denkbar. Eine hinreichende Abwägung findet man in dem Urteil des AG Hersfeld jedoch nicht.

Verschulden eines Elfjährigen

Höchst fraglich ist schließlich auch die Annahme des AG, der Nutzer des Dienstes handle zumindest fahrlässig. Über ein Verschulden des dort betroffenen elfjährigen Kindes lässt sich trefflich diskutieren, soweit dieser keine Kenntnis von der Datenweitergabe hat.

Schlussendlich hat der Gesetzgeber in § 1 Abs.2 Nr.3 BDSG aber ohnehin wie bereits erwähnt die durchaus richtige Entscheidung getroffen, persönliche und familiäre Tätigkeiten gerade nicht den Datenschutzgesetzen zu unterstellen.

Angesichts der vorgehenden Argumente bestehen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des AG Bad Hersfeld. Die Zweifel sorgen jedenfalls aber dafür, dass private Nutzer von Whatsapp aufgrund dieses amtsgerichtlichen Urteils sicher nicht mit einer „Abmahnwelle“ rechnen müssen.

Obacht bei geschäftlicher Nutzung

Rechtlich relevant bleibt hingegen die geschäftliche Nutzung von Whatsapp. Zahlreiche Unternehmen nutzen Whatsapp nämlich bereits z.B. im Rahmen des Customer Support zur Kommunikation mit Kunden bzw. zur internen Kommunikation.

Je nach Konstellation und Beteiligten sollten Unternehmen und Betroffene sich in diesen Fällen mit den einschlägigen rechtlichen Rahmenbedingungen befassen.

Die wachsende Bedeutung von solchen mobilen Messangern sorgt für eine Vielzahl neuer datenschutzrechtlicher Fragen. Hier gilt es, diese Rechtsfragen unter Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung proaktiv anzugehen. Der Beschluss des AG Bad Hersfeld führt angesichts der aufgeführten Gegenargumente allerdings eher nicht weiter.

Schon einmal hat es das kleine AG für Schlagzeilen gesorgt: Vor rund einem Jahr hat es einem Vater einen umfangreichen Auflagenkatalog aufgegeben, so musste er u. a. zur Handynutzung monatlich Gespräche führen und die Handys kontrollieren.

Der Autor Dr. Carsten Ulbricht ist auf Internet und die digitale Transformation spezialisierter Rechtsanwalt bei der Kanzlei Bartsch Rechtsanwälte. Im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit berät Dr. Ulbricht nationale und internationale Mandanten zum E- und Mobile Commerce, Big Data, sowie zu allen Themen im Bereich Social Web.

Zitiervorschlag

Dr. Carsten Ulbricht, AG Bad Hersfeld zur Nutzung von Whatsapp: Aufsicht bis zur Volljährigkeit . In: Legal Tribune Online, 28.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23306/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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