AG Bad Hersfeld zur Nutzung von Whatsapp: Auf­sicht bis zur Voll­jäh­rig­keit

von Dr. Carsten Ulbricht

28.06.2017

Die Weitergabe von Kontaktdaten an Whatsapp ist ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Kontakte. So sieht es das AG Bad Hersfeld. Private können trotzdem entspannt bleiben, meint Carsten Ulbricht.

Das Amtsgericht (AG) Bad Hersfeld hat eine interessante Entscheidung getroffen: Überlassen Eltern ihren minderjährigen Kindern ein Smartphone, so müssen sie mit diesen eine Nutzungsvereinbarung treffen. Sie müssen die Nutzung des Smartphones begleiten und beaufsichtigen – und zwar bis zur Volljährigkeit des Kindes – und sich notfalls noch nicht vorhandene technische Kenntnisse aneignen. Nebenbei weist das Gericht noch darauf hin, dass es "keine vernünftigen Gründe" gebe, einem Kind "ein Smartphone auch noch während der vorgesehenen Schlafenszeit zu überlassen".

Doch vor allem hat das AG der Mutter des Elfjährigen konkret aufgegeben, von allen Kontakten eine Zustimmung einzuholen – schließlich werden die Daten aus dem mobilen Telefonbuch bei der Nutzung von Whatsapp automatisch an das Unternehmen Whatsapp Inc. in den USA weitergegeben. Denn die Datenweitergabe sei gegenüber den betroffenen Personen eine deliktische Handlung, man begebe sich in die Gefahr, von den betroffenen Personen kostenpflichtig abgemahnt zu werden (Beschl. v. 15.05.2017, Az.: F 120/17 EASO).

Was sich das AG gedacht hat

Nach Auffassung des AG Bad Hersfeld verstößt die Weitergabe der Daten nämlich mangels ausdrücklicher Einwilligung der Kontakte gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art.1 Abs.1 iVm Art.2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Wer Whatsapp nutze und so die Daten an den Betreiber weitergebe, könne nach Ansicht des Gerichts deshalb von jedem betroffenen Kontakt aus § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. § 1004 BGB auf Unterlassung in Anspruch genommen und hierfür kostenpflichtig abgemahnt werden.

Im Internet sprechen Medien und User nun von der drohenden Gefahr einer Abmahnwelle. Die aktuelle Reaktion zeigt eine Entwicklung, die zwischenzeitlich immer öfter beobachtet werden kann: Einzelne Gerichtsentscheidungen werden von Anwaltsblogs oder einzelnen Internetmedien aufgegriffen, teils aber verkürzt bzw. ohne weitergehende Recherche in einzelnen, plakativen Aspekten dargestellt.

Die Aufmerksamkeitsökonomie des Internet sorgt mit dem Phänomen des sog. Clickbaiting, also möglichst reißerische Überschriften, die ein Aufrufen der Beiträge erreichen sollen, dafür, dass sich einzelne Internetseiten mit immer drastischeren Überschriften überbieten. Hinzu kommt, dass die Nachrichten im Interesse der Steigerung der eigenen Klickzahlen möglichst schnell verbreitet werden müssen. Deshalb werden die "News" dann von anderen Webseiten "abgeschrieben" und dabei oft noch weiter verkürzt und zugespitzt.

Ja, Whatsapp liest die Kontakte aus

Im Fall des AG Bad Hersfeld sind dies Überschriften wie "Allen Whatsapp-Nutzern droht eine Abmahnwelle". Juristisch korrekt ist jedoch mit hinreichender Sicherheit zu prognostizieren, dass eine "Abmahnwelle" privater Nutzer der App sicherlich nicht zu erwarten ist.

Zunächst sind die Ausführungen des AG Bad Hersfeld zu der Weitergabe einzelner Kontaktdaten an den Betreiber wohl richtig. Zumindest nach der ersten Installation liest der Messanger-Dienst tatsächlich die Kontaktdaten aus, um festzustellen, ob Kontakte bereits diese App nutzen.

Dieses Verfahren von Whatsapp kann man mit guten Argumenten kritisieren. Es lässt sich auch gut vertreten, dass Whatsapp mit dieser Datenverarbeitung jedenfalls bezüglich der betroffenen Kontakte gegen nationales und europäisches Datenschutzrecht verstößt, die Whatsapp nicht nutzen. Auch deren Kontaktdaten werden nämlich ohne entsprechende Einwilligung an Whatsapp weitergegeben.

Zitiervorschlag

AG Bad Hersfeld zur Nutzung von Whatsapp: . In: Legal Tribune Online, 28.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23306 (abgerufen am: 10.10.2024 )

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