Grüner Trend: Jagen statt Golfen?

Gil Eilin Jung

30.04.2010

Hochsitz contra Driving Range, Halali statt Hole in one. Wer den ultimativen Naturkick sucht, wählt Gelände statt Green. Ist Jagen das neue Golfen? Eine Studie der Universität Bremen nennt Gründe für das Faszinosum um Hirsch und Pirsch.

Jäger sind disziplinierter und mitfühlender als Nicht-Jäger. Sie neigen weniger zu Depressionen und haben ein ausgebildetes Agressions-Kontrollpotential. Das ist das Ergebnis einer Studie zur Psychologie der Jagd der Universität Bremen. Über 350.000 Deutsche gehen derzeit der jagenden Passion nach - und stetig wächst auch die Zahl derer, die das Traditonsblau aus Kanzleien und Vorstandsetagen gegen waidmännisches Lodengrün eintauschen.

Galt Golfen bislang als liebstes Freizeitvergnügen der deutschen Businesselite, zieht der Hype aufs Jagen spürbar an. Im Gegensatz zum traditionell karriert-behosten Golfer, der seine Platzreife auf relativ kurzem Weg erlangen kann, muss der Jäger-Aspirant erst mühsam das so genannte Grüne Abitur hinlegen. Rund 120 bis 180 Stunden - verteilt über zwölf bis 18 Monate - praktischen und theoretischen Wissens sind erforderlich, um alle Fertigkeiten zu erlernen und den Jagdschein zu erlangen. 11.000 Anwärter versuchen es jährlich. Die Durchfall-Quote liegt bei hohen 25 Prozent.

Pure Entspannung fernab von Mandanten und Meetings

In forst- und landwirtschaftsaffinen Familien fällt der Startschuss meist früh. So auch bei dem Hamburger Anwalt Dr. Florian Asche von der Sozietät Asche Stein & Glockemann, der seiner Leidenschaft schon seit seinem sechzehnten Lebensjahr frönt. Der Spezialist für Stiftungs-, Erb-, Gesellschafts-, Bau- und Jagdrecht entstammt einer niedersächsischen Bauernfamilie und empfindet wie viele seiner jagenden Kollegen seine Passion als perfekten Ausgleich zu seinem Job. „Ich bin beglückt, weil ich das, was ich auf der Jagd mache, mit meinem Beruf verknüpfen kann", sagt Asche. Er habe mit dem Jagd- und Waffenrecht „ein Orchideenfach, weil ich immer eine juristische Berührung zu dem habe, was ich liebe." Das Jagen empfindet der Jurist als „pure Entspannung, weil ich endlich mal da bin, wo ich nicht dauernd beschallt werde" - fernab von Terminen, Mandanten und Meetings.

So unterschiedlich die Jägernaturelle und Jagdarten sind, so verschieden sind auch die Vorlieben. Der eine liebt Gebirge, Hochsitze und Wildschweine, der andere schwärmt von Afrika, der Entenjagd oder Gesellschaftsjagden. Für viele Jäger ist die Jagd die perfekte Art, Natur und Naturressourcen zu nutzen. Dazu gehört auch der Akt des Tötens, der „Endpunkt aller Anstrengungen", wie Florian Asche meint. Dabei macht der Prozess des Schießens - ständiger Hauptfokus der Jagd-Kritiker - „nur einen Bruchteil der Jagd aus" erläutert Thorsten Reinwald vom Deutschen Jagdschutzverband in Bonn. „Als Jäger muss man sich im Klaren darüber sein, dass man ein Lebewesen tötet." 99 Prozent der Schützen sind sich nach Ansicht des DJV-Sprechers ihrer Verantwortung bewusst.

Frauen entdecken die Jagd

Jagen soll - in Deutschland zumindest - keinen sportlichen Aspekt haben und es darf nicht in erster Linie um das Wildfleisch gehen, sagen erfahrene Jäger. Man müsse reflektieren, welche Veränderung ein Schuss im Organismus einer Tierfamilie mit sich bringt und so schießen, dass das Wild ohne Schmerz durch den Schuss tot umfällt. Das erfordert höchste Konzentration und handwerkliches Geschick.„Als Jäger muss man sich völlig zurücknehmen", erklärt ein anderer Jäger-Jurist. „Das bewegt sich zwischen Demut, völliger Passivität und urplötzlichem aktivem Eingriff." Jägerinnen, die nach der Bremer Studie ihr Hauptaugenmerk auf die Hege richten, schätzen die archaischen Rituale weniger. Frauen machen derzeit einen Anteil von rund zehn Prozent aus - vergleichsweise hoch, weil die Quote laut DJV vor 15 Jahren noch bei nur einem Prozent lag.

Was die zeitliche Inanspruchnahme betrifft, ist die Jagd ähnlich familien-feindlich wie das Golfen. Florian Asche rät dazu, die Familie zu integrieren, Kindern Freude an der Natur zu vermitteln mit Picknicks im Freien oder der Ausbildung der Jagdhunde. Aber Jagen als Anti-Golfbewegung? „Ganz sicher nicht!", winkt Thorsten Reinwald vom DJV ab. Jagen sei kein Elitesport, so Reinwald, sondern eine Betätigung, die mit einer enormen Verantwortung einhergeht. Auch Florian Asche glaubt nicht an den großen Hype. „Eigentlich hat das Jagen, was die soziale Bedeutung angeht, die besten Zeiten hinter sich. Leute, die Wert auf Trends legen, spielen mindestens Golf, wenn nicht Polo. Jagd ist ein Handwerk, kein Sport!". Halali forever!

Zitiervorschlag

Gil Eilin Jung, Grüner Trend: Jagen statt Golfen? . In: Legal Tribune Online, 30.04.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/61/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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