Zum Europäischen Datenschutztag: 7 DSGVO-Mythen im Recht­scheck

1/7: #Klingelgate - der "Klassiker"

Was bringt ein Klingelschild ohne Namen? Seinen Anfang hat das später in den Medien als "Klingelgate" bekannt gewordene Ereignis offenbar in der Wiener Magistratsabteilung MA 63 genommen. Die Beamten sind dort zuständig für Gewerberecht, Personenstand – und eben auch den Datenschutz. Mitte Oktober gab es aus dem Magistrat eine folgenschwere Einschätzung: Klingelschilder an der Haustür verstießen gegen die DSGVO.

Tatsächlich hatte sich ein Bewohner bei der Hausverwaltung Wiener Wohnen über mangelnden Datenschutz an der Haustür beschwert. Mit der Auskunft aus dem Magistrat waren plötzlich 220.000 städtische Klingelschilder in Gefahr, die aber – zumindest vorläufig - bleiben dürfen: Es gebe unterschiedliche Rechtsauffassungen zu der Frage, hieß es später.

Das sagt Prof. Dr. Keber:

Die Klingelschilder sind verdiente Punktemacher in dem von mir eigens entwickelten (nicht ganz ernst gemeinten) DSGVO-Mythen-Scoring-System (DMSS). Je höher der Score auf einer Skala von null bis zehn, desto eher handelt es sich um einen reinen Mythos, quasi ein Märchen, das juristisch nicht haltbar ist. Die Klingelschilder bekommen im DMSS eine herausragende 8/10. Um es kurz zu machen:

Die Klingelschilder dürfen bleiben - und zwar unabhängig davon, ob man mit einem nicht eröffneten Anwendungsbereich der DSGVO argumentiert, die Verarbeitung einwilligungsbasiert oder über die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten rechtfertigt.

Interessant sind die Schilder m.E. aus einem ganz anderen Grund. Sie zeigen nämlich, wie schräg die datenschutzrechtliche Debatte bisweilen geführt wird. Man muss sich das doch einmal klarmachen: Da beschweren wir uns (im öffentlich sichtbaren Diskurs) im Jahr 2018 darüber, dass Namen auf Klingelschildern am Hauseingang von Mehrfamilienhäusern (nicht) verschwinden sollen! Vor etwas mehr als zehn Jahren beschwerten wir uns dagegen über Google Street View.

Zur Erinnerung: Es ging bei dem Google-Dienst darum, dass das Anfertigen und Veröffentlichen digitaler Abbildungen des öffentlich einsehbaren Eingangsbereichs einer Wohnung (wohlgemerkt ohne, dass dort der Name der Bewohner sichtbar war, also ohne Namen auf Klingelschildern) datenschutzrechtlich unzulässig sei. Seit 2010 verpixelt man also aufgrund einer (dogmatisch übrigens fragwürdigen) Opt-out-Lösung in Deutschland Häuserfassaden. 2018 wollten wir hingegen unsere Klingelschilder mit Namen behalten. Merkwürdig, nicht?

Zitiervorschlag

Zum Europäischen Datenschutztag: 7 DSGVO-Mythen im Rechtscheck . In: Legal Tribune Online, 28.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33489/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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