Die juristische Presseschau vom 5. April 2023: Anklage gegen Trump ver­lesen / Wie weiter mit dem Wahl­recht? / Audi-Kron­zeuge räumt Betrug ein

05.04.2023

Donald Trump soll Geschäftsunterlagen gefälscht und Wahlgesetze verletzt haben. Bald sind Klagen gegen das neue Bundestags-Wahlrecht möglich. Im Prozess rund um Ex-Audi-Chef Stadler gesteht der Kronzeuge den Betrug.

Thema des Tages

USA – Trump/Stormy Daniels: Vor dem Strafgericht in Manhattan wurde in Anwesenheit von Ex-Präsident Donald Trump die Anklage gegen diesen verlesen. Ihm wird die Fälschung von Geschäftsunterlagen in 34 Fällen und die Verletzung eines Gesetzes zur Wahlkampffinanzierung vorgeworfen. Hintergrund ist die Zahlung von 130.000 Dollar Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, damit diese nicht über eine angebliche Affaire mit Trump spricht. Die Zahlung wurde von Trumps damaligem Anwalt Michael Cohen mit eigenem Geld vorgenommen. Da die Zahlung 2016 während Trumps erstem Präsidentschafts-Wahlkampf erfolgte, wurde Cohen wegen einer unzulässigen Wahlkampfspende verurteilt. Trump wird vorgeworfen, dass er die Summe mit Geldern seiner Familien-Stiftung an Cohen in 34 Raten erstattet habe, darin aber 34 Mal fälschlicherweise anwaltliche Dienstleistungen als Grund angegeben habe. Damit habe er auch eine unzulässige Wahlkampfspende verschleiert. Wie erwartet, plädierte Trump in allen Fällen auf unschuldig. Nach der Anklageverlesung äußerte sich Trump zunächst nicht öffentlich. Seine Anwälte hingegen verkündeten, dass es "sich um eine rein politische Verfolgung" handele. Anwalt Joseph Tacopina erklärte sogar: "Die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land ist heute gestorben." Es berichten u.a. die SZ (Christian Zaschke) auf ihrer "Seite 3", zeit.de und bild.de. Bei spiegel.de ist der Tagesverlauf im Überblick geschildert.

Mit dem Betreten des Strafgerichts in Manhattan galt Donald Trump formell als festgenommen und war damit der erste ehemalige US-Präsident "under arrest". Die mit der Festnahme verbundene erkennungsdienstliche Behandlung enthält auch die obligatorischen Polizeifotos ("mugshots"). spiegel.de (Christoph Gunkel) gibt hier einen Überblick über Berühmtheiten, von denen solche Bilder bereits gemacht wurden, darunter Jimi Hendrix, Johnny Cash, Jane Fonda und Frank Sinatra. bild.de erklärt zudem, dass Trump – wie andere vor ihm – bei einer Verurteilung selbst aus dem Gefängnis Wahlkampf machen könnte. Letztlich könne er auch von dort aus regieren, wofür es bislang jedoch keine historischen Beispiele gebe.

Nun portraitieren auch FAZ (Sofia Dreisbach) und spiegel.de (Sven Scharf) den Vorsitzenden Richter Juan Merchan.

Rechtspolitik

Bundestags-Wahlrecht: spiegel.de (Sophie Garbe u.a.) erklärt, wie es mit der Reform des Bundestagswahlrechts weitergeht. In der nächsten Sitzung der Länderkammer am 12. Mai werde das Einspruchsgesetz vermutlich den Bundesrat passieren und dann noch im Juni vom Bundespräsidenten gezeichnet werden, da keine langwierige "Ausfertigungsprüfung" geplant sei. Anschließend folgt die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Ab dann ergeben sich Klagemöglichkeiten: Die bayrische Landesregierung könnte als solche eine abstrakte Normenkontrolle beantragen. Dies könnten auch 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten, zum Beispiel alle Abgeordneten der CDU/CSU. Dagegen hat die Linke zuwenig Abgeordnete für eine abstrakte Normenkontrolle. Hier bleibe aber die Möglichkeit von Verfassungsbeschwerden einzelner Parlamentarier:innen. Die Klagen könnten jeweils mit dem Antrag auf eine einstweilige Anordnung verbunden werden, beispielsweise auf vorläufige Beibehaltung der Grundmandatsklausel bis zur Entscheidung über die Hauptsache. 

Staatsleistungen an die Kirche: Die Welt (Constantin van Lijnden) hat mit dem Rechtsprofessor Bodo Pieroth über die in der Verfassung angelegte und auch in der Ampel-Koalition vereinbarte Beendigung der Staatsleistungen an die Kirche gesprochen. Das aktuell ausgehandelte Modell, bei dem die Kirchen einmalig das 17- bis 18-fache der jährlichen Zahlungen erhalten sollen und die Zahlungen noch 10 bis 20 Jahre weiter fließen sollen, hält er für "viel zu großzügig" und "geradezu verfassungswidrig". Eine Verstetigung für weitere Jahrzehnte widerspreche dem Rechtsgehalt sowie Sinn und Zweck der Ablösung als Beendigung der Zahlungen.

Wirtschaftsprüfung: Markus Zydra (SZ) fordert schärfere Regeln für die Branche der Wirtschaftsprüfung und schlägt vor, dass eine Geschäftsberatung durch eine der "Big Four"-Gesellschaften (EY, PwC, KPMG und Deloitte) dann nicht erlaubt sein dürfe, wenn diese gleichzeitig auch die Bilanz derselben Firma prüft. Auch bedürfe es strengerer, EU-einheitlicher Sanktionsregeln. 

Kartellrecht: Auch die FAZ (Julia Löhr) erläutert nun die geplante Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die an diesem Mittwoch im Kabinett als Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden soll. Hingewiesen wird u.a. auf die Änderung von § 32 GWB, wonach als "ultima ratio" marktbeherrschende Unternehmen auch dann zerschlagen werden können sollen, wenn ihnen das Kartellamt kein missbräuchliches Verhalten nachweisen kann, durch den Eingriff aber eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs beseitigt oder verringert werden kann.

Justiz     

LG München II – Ex-Audi-Chef Stadler: Im Prozess um Betrugssoftware bei Audi-Dieselfahrzeugen hat sich am 162. Prozesstag der Motorentwickler Giovanni P. vor dem Landgericht München II die gegen ihn erhobenen Vorwürfen eingeräumt. Er habe gewusst, dass die sogenannten Abschalteinrichtungen nicht gesetzeskonform sein könnten, ließ er von seinem Verteidiger erklären. Ex-Audi-Chef Stadler, der bislang die Vorwürfe zurückwies, äußerte sich noch nicht. Mit dem Gericht wurde eine Bedenkzeit bis in die zweite Aprilhälfte vereinbart. Es berichten SZ (Klaus Ott), FAZ (Marcus Jung) und spiegel.de.

EGMR zu Transeltern im Geburtenregister: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Beschwerden einer Transfrau und eines Transmannes über Einträge ins deutsche Geburtenregister unter Verweis auf staatliche Ermessensspielräume zurückgewiesen. Die Transfrau wollte nicht als Vater des mit ihrem Samen gezeugten Kindes und der Transmann nicht als Mutter seines von ihm geborenen Kindes eingetragen werden. FAZ und taz (Nicole Opitz) berichten.

Nicole Opitz (taz) bezeichnet das Urteil als "ernüchternd" und eine "Ungerechtigkeit", da es zu Zwangsoutings etwa bei der Vorlage der Geburtsurkunde des Kindes für die Lohnabrechnung bei einem Jobwechsel komme. "Queere Menschen sollten selbst entscheiden, ob, wann und wie sie sich outen."

BVerfG zu Kinderehen: Für den FAZ-Einspruch hat Rechtsprofessor Christian Hillgruber die Beobachtung festgehalten, dass der Erste Senat in seiner Entscheidung zum Verbot von Kinderehen bei der Ehedefinition auf das bislang konstitutive Merkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit verzichtet hat, ohne dass es entscheidungserheblich gewesen sei. Der Ehebegriff des Grundgesetzes sei auch nach Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eigentlich nur durch eine Verfassungsänderung anzupassen.

BGH zu Schumacher-Berichterstattung: Die Berichterstattung zweier Online-Portale der Bauer Media Group über den Gesundheitszustand des ehemaligen Formel-1-Fahrers Michael Schumacher verletzte dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht. Dies entschied laut LTO der Bundesgerichtshof. Gegenstand der Unterlassungsklage war ein Bericht über einen privaten Besuch des Erzbischofs Georg Gänswein, der angab, Schumacher habe einen Therapeuten benötigt, um ins Wohnzimmer zu gelangen, sein Gesicht sei fülliger geworden und seine Hände "warm" gewesen. Wegen der großen Bekanntheit Schuhmachers und des kleinen Kreises, der über seinen tatsächlichen Gesundheitszustand im Bilde ist, überwiege das Persönlichkeitsrecht des 2013 beim Skifahren schwer Verunglückten.

OLG Stuttgart – Michael Ballweg: Der Initiator der "Querdenken"-Bewegung, Michael Ballweg, ist laut LTO aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil sich der Fluchtanreiz inzwischen reduziert habe. Ihm wird tausendfacher versuchter Betrug sowie Geldwäsche vorgeworfen. Er soll Spender:innen über die Verwendung des eingeworbenen Geldes getäuscht und durch hohe Bargeldabhebungen die Herkunft verschleiert haben.

LSG Berlin-BB zu Mietkostenzuschuss: Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass das beklagte Berliner Jobcenter die Mieten für vom Staat geförderte Sozialwohnungen nicht als unangemessen hoch ansehen darf. Auf den durchschnittlichen Berliner Mietspiegel könne sich das Jobcenter nur dann berufen, wenn günstigerer Wohnraum "auch tatsächlich für Leistungsberechtigte zur Verfügung" stehe. Dies sei in Berlin nicht der Fall. LTO berichtet.

LG Hamburg zu Mordauftrag gegen Ex-Mann: Das Landgericht Hamburg hat eine Schönheitschirurgin und ihren neuen Ehemann, einen Unternehmer, zu jeweils mehr als fünf Jahren Haft verurteilt, weil die beiden versucht hatten, im Darknet einen Auftragsmörder anzuheuern. Der sollte den Ex-Mann der Verurteilten töten. Die Frau wollte das gemeinsame Kind, das beim Ex-Mann lebte, zu sich holen. Es berichten FAZ (Julian Staib) und bild.de (Anja Wieberneit/Natasha Alterndorf).

LG Bochum – jugendliches Mordkomplott gegen Vater: Am Landgericht Bochum hat der Prozess gegen zwei 15 und 16 Jahre alte Brüder begonnen, denen vorgeworfen wird, eine 14-jährige Mitschülerin aus Berlin angeworben zu haben, den Vater der Brüder zu töten. In der Tatnacht im vergangenen Oktober soll sie mit einer Machete auf den schlafenden 54-Jährigen eingeschlagen und ihm dabei Schnittverletzungen im Gesicht zugefügt und einen Finger abgetrennt haben. Als mögliches Motiv für die Tötungspläne nennt spiegel.de die Weigerung des Vaters, in eine Scheidung einzuwilligen. Der mitangeklagten Mutter wird vorgeworfen, sie habe von den Plänen gewusst und diese nicht verhindert.

AG Grevenbroich zu Klimaprotest/Gleisblockade: Eine Person aus der Szene der Klimaaktivisten ist vom Amtsgericht Grevenbroich zu einer neunmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden, weil sie sich mit einer weiteren Person an die Schienen des RWE-Braunkohle-Kraftwerks Neurath angekettet und damit den Betrieb stark beeinträchtigt hat. Wie LTO berichtet, hat die angeklagte Person die Tat zwar eingeräumt, sich davon aber nicht distanziert und sei zur Verhandlung angekettet an eine Freundin erschienen.

BVerfG-Corporate Design: LTO (Patrick Heinemann) befasst sich ausführlich mit der Neugestaltung des Außenauftritts des Bundesverfassungsgerichts. Insbesondere ziert jetzt ein neuer Bundesadler die Entscheidungen des Gerichts, der jedoch nach einhelliger Verfassungslehre mangels Beteiligung des Bundespräsidenten kein Hoheitszeichen, sondern allenfalls ein Logo darstellen könne. Das BVerfG sei das einzige Bundesgericht, das nicht mehr das 1921 gestaltete Wappentier verwendet.

BVerfG-Pressearbeit: Nun berichtet auch die Welt (Constanin van Lijnden) über die Ankündigung des Bundesverfassungsgerichts, "zunächst im zweiten und dritten Quartal 2023" auf ihre umstrittenen Vorabinformationen an Journalist:innen der Karlsruher Justizpressekonferenz (JPK) zu verzichten. Nachdem das Gericht nach Bekanntwerden der Praxis 2020 zunächst einstimmig beschlossen hatte, daran festzuhalten, sei die jetztige Kehrtwende "verwunderlich". Der Beitrag schildert auch die überwiegend positiven Reaktionen der Politik, insbesondere von AfD, CDU und Linken. 

Recht in der Welt

Indien – Oppositionsführer Gandhi: Vor einem Magistratsgericht hat der indische Oppositionsführer Rahul Gandhi Einspruch gegen seine Verurteilung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren eingelegt. Er wurde verurteilt, weil er den Namen des Premierministers Narendra Modis in einer Wahlkampfrede mit Diebstahl in Verbindung gebracht hatte. Sollte die Strafe bestätigt werden, dürfte Ghandi bei den nächsten Wahlen 2024 nicht antreten. Beobachter gehen laut SZ (David Pfeifer) davon aus, dass das Urteil politisch motiviert ist. Der LL.M-Kandidat Anmol Jain befasst sich auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) ausführlich mit dem Urteil.

Dänemark – Cum-Ex/Sanjay Shah: FAZ (Marcus Jung) und Hbl (René Bender/Sönke Iwersen) berichten, dass die dänische Regierung die Auslieferung des britischen Hedgefondsmanagers Sanjay Shah aus Dubai erwirkt hat. Ihm wird vorgeworfen, zentraler Drahtzieher zahlreicher Cum-Ex-Geschäfte zu sein. Auch am Landgericht Hamburg ist Ende November 2022 gegen ihn eine Anklage zugelassen worden.

Kosovo-Tribunal – Hashim Thaci: Bei spiegel.de (Jan Puhl) findet sich ein ausführlicher Hintergrundbericht zu dem Prozess vor einem Sondertribunal im niederländischen Den Haag gegen den früheren kosovarischen Präsidenten Hashim Thaci. Auch die taz (Erich Rathfelder) gibt nun einen Überblick über den Prozess.

Sonstiges

ChatGPT: Wie die FAZ (Marcus Jung/Roland Lindner) berichtet, streben deutsche Datenschützer derzeit kein Verbot des auf künstlicher Intelligenz (KI) beruhenden Chatbots ChatGPT an. Es sei schon fraglich, ob eine Zuständigkeit in Deutschland besteht, da der Hersteller Open AI keine Niederlassung in Deutschland habe. Die italienische Datenschutzbehörde hatte kurz zuvor die Anwendung im Land gesperrt.

KI und Haftung: Im Recht-und-Steuern-Teil der FAZ befassen sich die Anwält:innen Anna-Kristine Wipper und Francois Heynike mit den verschiedenen Haftungsrisiken beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). So erheben mittlerweile fünf europäische Aufsichtsbehörden gegen das amerikanische Unternehmen Clearwater AI Bußgeldforderungen wegen der Sammlung biometrischer Bilddaten zum Training von KI zur Gesichtserkennung in Höhe von insgesamt ca. 69 Mio. Euro. Auch gibt es bereits Entwürfe für eine EU-KI-Haftungsrichtlinie.

Strafrecht: Im Feuilleton der FAZ bespricht Rechtsprofessor Michael Pawlik das Buch "Strafsachen – Ist unser Recht wirklich gerecht?" der Rechtsprofessor:innen Elisa Hoven und Thomas Weigend. Er begrüßt dabei die Forderung, dass auch Kinder unterhalb der Strafmündigkeitsgrenze staatlicherseits das Unrecht der Tat eindringlich klargemacht werden muss. "Hauptmanko des Buches" sei jedoch der "Mangel an theoretischer Fundierung". Anstatt eine Annäherung an den Begriff der Gerechtigkeit zu wagen, begnügten sich die Autor:innen "weitgehend mit Appellen an 'unser Gerechtigkeitsgefühl'".


Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des Mediums.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/jpw/chr

(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Sie können die tägliche LTO-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. April 2023: Anklage gegen Trump verlesen / Wie weiter mit dem Wahlrecht? / Audi-Kronzeuge räumt Betrug ein . In: Legal Tribune Online, 05.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51487/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen