Legal Voices – Die tägliche LTO-Presseschau: Abgeordnete kontrollieren – Berufungen zulassen – Rezeptbetrüger bestrafen

10.05.2011

Wer nimmt wie Einfluss auf den Gesetzgeber? Das sollte in der Demokratie bekannt sein, doch es gibt Probleme bei der Umsetzung, über die heute zahlreiche Zeitungen berichten. Außerdem in der Presseschau: Der Kampf um den "Willkürparagraphen" 522 ZPO, der Betrugsprozess gegen einen Berliner Apotheker und vieles andere.

Transparenz: Die Bürger sollen besser erkennen können, welchen finanziellen Einflüssen ihre Gesetzgeber, d.h. die Bundestagsabgeordneten, unterliegen. Deshalb werden die Transparenzregeln verschärft. Auch große Nebeneinkünfte sollen so künftig erkennbar sein. Die Organisation LobbyControl hat jedoch Schwachstellen der Reform aufgedeckt, über die heute u.a. SZ (Felix Berth) und FR (Steven Geyer) berichten. Dabei könne eine erhöhte Bagatellgrenze so ausgenützt werden, dass letztlich doch keine Transparenz entsteht

Weitere Themen – Rechtspolitik

Zivilprozess: Focus.de (Matthias Kowalsky) feiert die geplante Änderung von § 522 ZPO. Die Bestimmung wird als "Willkürparagraph" bezeichnet. Sie erlaube es Richtern, Berufungen gegen ihre Urteile "nach eigenem Ermessen zuzulassen oder abzuschmettern". Die CDU/CSU plane nur kleinere Korrekturen, so focus.de nach einer Sachverständigen-Anhörung. Alle anderen Parteien und die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wollten den Paragraphen aber ganz streichen.

Weitere Themen – Justiz

Islamistischer Terror: Der in Deutschland aufgewachsene Deutsch-Syrer Rami Makanesi wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt/M. wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida zu vier Jahren und fünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die milde Strafe nach dem kurzen Prozess beruhte auf einem Deal und einer umfassenden Aussage von Makanesi. Dies schildert der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) ausführlich und farbig.

RAF-Terror: Im Prozess gegen Verena Becker am OLG Stuttgart konnten sich die meisten der als Zeugen berufenen Ex-RAF-Mitglieder auf ein Zeugenverweigerungsrecht berufen, weil sie sich als Beteiligte der damaligen RAF-"Offensive 77" selbst belasten könnten, so das OLG. Nur die ehemaligen Rädelsführer Siegfried Haag und Roland Mayer müssen aussagen, weil sie bereits umfassend abgeurteilt wurden. Dies schildert die FAZ (Ulf Stuberger) im Feuilleton. Haag und Mayer haben gegen die angedrohte Beugehaft Rechtsmittel zum BGH eingelegt.

Kriegsverbrechen: Im Verfahren gegen in Deutschland wohnende Führer der kongolesischen Hutu-Milliz FDLR streben die Anwälte jetzt ein konkretes Normenkontrollverfahren an. Sie wollen, dass das OLG Stuttgart das deutsche Völkerstrafgesetzbuch dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegt, weil dort oft auf das "humanitäre Völkerrecht" Bezug genommen wird. Dies aber, so die Anwälte laut einem Bericht der taz (Dominic Johnson), verstoße gegen das Verbot der Strafbegründung durch Gewohnheitsrecht.

Kachelmann: Im Prozess gegen Jörg Kachelmann will das Landgericht Mannheim am 31. Mai das Urteil verkünden. Gestern war der letzte Sachverständige, der Rechtspsychologe Günter Köhnken, gehört worden, worüber u.a. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet. Der von Kachelmanns Verteidigung beauftragte Gutachter zweifelte massiv am Wahrheitsgehalt der Beschuldigung von Kachelmanns Ex-Freundin. Dem Bericht zufolge war nur noch offen, ob deren Aussagen bewusst oder unbewusst falsch waren.

Rezeptbetrug: Die taz (Astrid Geisler) berichtet über den Prozess gegen einen Berliner Apotheker. Er hat gestanden, Krankenkassen betrogen zu haben, indem er die Rezepte von Drogenabhängigen gegen Geld entgegennahm, dann aber die Medikamente, die er gegenüber der Kasse voll abrechnete, nicht herstellte. Die taz vermutet ein großes Dunkelfeld vergleichbarer Fälle.

Seilbahnunglück: Focus (Kurt-Martin Mayer) berichtet über Versuche von Überlebenden und Opfer-Angehörigen des Seilbahnunglücks von Kaprun (Österreich), höhere Entschädigungen vom Seilbahnbetreiber zu erhalten. Ein beauftragter Anwalt habe inzwischen Strafanzeige gegen Richter und Sachverständige des österreichischen Strafverfahrens gestellt, in dem die Seilbahn-Manager freigesprochen wurden. Laut Focus ermitteln jetzt deutsche und österreichische Staatsanwälte wegen Absprachen zum Zwecke des Betrugs an den Opfern.

Arbeitsrecht: Das Bundesarbeitsgericht wird am Donnerstag über die Klage eines Verwaltungsangestellten verhandeln, der wegen seiner NPD-Mitgliedschaft und -Aktivitäten vom Land Baden-Württemberg gekündigt worden war. In den Vorinstanzen hatte sich der rechte Angestellte erfolgreich gegen die Kündigung gewehrt, so die Darstellung bei zeit.de.

Notar-Tourismus: LTO (Patrick Nordhues) analysiert ein Urteil des OLG Düsseldorf von Anfang März. Danach sei die Beurkundung der Abtretung von Unternehmensanteilen auch dann wirksam, wenn sie – aus Kostengründen – von einem Schweizer Notar vorgenommen wurde. Dies sei früher in der Rechtsprechung zwar bereits anerkannt gewesen, nach einer Änderung des GmbH-Gesetzes aber in Zweifel geraten. Nun sei der kostensparende Weg in die Schweiz wieder sicher.

Sicherungsverwahrung: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von voriger Woche drohe Gutachter-Knappheit. Davor warnt laut Focus die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Die Vielzahl der von Karlsruhe verlangten Gutachten seien von den wenigen "ausgewiesenen Experten" bis Jahresende nicht zu schaffen. Auch in der nun aufgewerteten Therapie fehlten qualifizierte Kräfte.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Legal Voices – Die tägliche LTO-Presseschau: Abgeordnete kontrollieren – Berufungen zulassen – Rezeptbetrüger bestrafen . In: Legal Tribune Online, 10.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3231/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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