Die juristische Presseschau vom 31. März 2023: Geld für Digi­ta­li­sie­rung der Justiz / Anklage gegen Trump / Kri­mi­nal­sta­tistik vor­ge­s­tellt

31.03.2023

Marco Buschmann und die Länder nähern sich bei Finanzierung der Justizdigitalisierung an. Die zuständige Jury in Manhatten hat für eine Anklage gegen Donald Trump gestimmt. Innenministerin Nancy Faeser stellte die Polizeiliche Kriminalstatistik vor.

Thema des Tages

Digitalisierung der Justiz: Auf einem gemeinsamen Digitalgipfel in Berlin haben sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und die Landesjustizminister:innen im Streit um die finanzielle Ausstattung der Justiz angenähert. Mit den von Buschmann angebotenen Mitteln für die Digitalisierung der Justiz - 4 Jahre lang je 50 Mio. Euro - soll der Bund vor allem den großen Entwicklungsprojekten der Länder beitreten, wozu die Modernisierung des Grundbuchverfahrens, die Entwicklung eines bundesweiten Registerfachverfahrens und des bundeseinheitlichen gemeinsamen Fachverfahrens zählen. Außerdem werden Machbarkeitsstudien für weitere Vorhaben wie die Einrichtung einer Justizcloud oder die Einrichtung eines Justizportals für Onlinedienstleistungen der Justiz erstellt. Mittel für die bis 2026 umzusetzende Einführung der elektronischen Akte sind nicht vorgesehen. Der Bund-Länder-Digitalgipfel soll künftig mindestens einmal pro Jahr im Zusammenhang mit der Justizministerkonferenz stattfinden. Die Länder weisen darauf hin, dass die Ergebnisse des Digitalgipfels nicht die im Koalitionsvertrag vorgesehene Verstetigung des Pakts für den Rechtsstaat ersetzen könnten. Es berichtet LTO.

Rechtspolitik

Schwangerschaftsabbruch: An diesem Freitag tagt erstmals die im Ampel-Koalitionsvertrag vorgesehene Expert:innenkommission zur Prüfung von "Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches" und der "Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft". In zwei Arbeitsgruppen mit je neun Mitgliedern sind aus der juristischen Fachwelt vertreten: Die Rechtsprofessorinnen Frauke Brosius-Gersdorf, Liane Wörner, Bettina Weißer und Paulina Starski sowie die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes (DJB), Maria Wersig. Die taz (Dinah Riese) berichtet.

Bundestags-Wahlrecht: Auf beck-aktuell kritisiert Rechtsprofessor Matthias Rossi die kurzfristige Abänderung des ursprünglich von der Ampel vorgeschlagenen Bundestagswahlrechts. Verfassungsrechtliche Bruchstelle des nun beschlossenen Gesetzes sei die kompensationslose Streichung der Grundmandatsklausel. Anstelle einer Streichung hätte sie wahlweise mit einer Absenkung der Sperrklausel bzw. deren Regionalisierung, der Zulassung von Ersatzstimmen oder mit der Ermöglichung von Listenverbindungen kombiniert werden müssen.

Klimaschutz: Auf dem Verfassungsblog kritisiert der ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter Jan-Louis Wiedmann die vom Koalitionsausschuss angekündigte Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG). So komme es nach den bisherigen Äußerungen künftig nicht mehr auf das einmalige Überschreiten der zulässigen Emissionsmenge an, sondern auf das Überschreiten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, was ein klarer Rückschritt sei. Außerdem seien sektorenspezifischen Emissionsreduktionsziele nicht länger rechtsverbindlich.

Epidemien: Rechtsanwalt Stephan Vielmeier kritisiert auf LTO den von Gallon/Hollo/Kießling vorgestellten Entwurf eines Epidemiegesetzes, der lediglich die Maßnahmen der Corona-Pandemie in Gesetzesform gieße. Der Entwurf folge ersichtlich dem Ziel maximaler Pandemiebekämpfung und nicht der Begrenzung der Staatsgewalt zum Schutze des normunterworfenen Bürgers. Erforderlich sei ein Richtervorbehalt bei konkreten Maßnahmen, um die Verhältnismäßigkeit zu sichern. Die Feststellung einer Epidemielage durch den Bundestag sollte (anders als im Entwurf) weiterhin vorgesehen werden. 

Whistleblowing: Die Bundestagsabstimmung über ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern ist vertagt worden. Im Ältestenrat verständigten sich die Fraktionen darauf, das Hinweisgeberschutzgesetz kurzfristig von der Tagesordnung für den Donnerstag abzusetzen, weil die Ampel-Koalition noch einen Versuch unternehmen will, sich mit der CDU/CSU-Fraktion zu einigen. Die SZ berichtet.

Dokumentation der Hauptverhandlung: spiegel.de (Alexander Preker) schildert ausführlich die Kritik an der von Justizminister Marco Buschmann (FDP) geplanten audio-visuellen Aufzeichnung strafrechtlicher Hauptverhandlungen. Der CDU-Abgeordnete Martin Plum fordert, dass erst die Technik vorhanden sein müsse, bevor die Gerichte zur Aufzeichnung verpflichtet werden. Mehrere Datenschutzbeauftragte der Länder äußern Bedenken gegen die Aufzeichnung von oft sehr persönlichen Aussagen. 

Justiz

IGH - Klimaschutz: Die UN-Generalversammlung hat am Mittwoch einstimmig ein unverbindliches Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zum Klimaschutz angefordert. Der IGH soll zwei Fragen beantworten: Welche völkerrechtlichen Klimaschutz-Pflichten haben die Staaten? Und welche Pflichten (etwa zum Schadenersatz) haben Staaten, die das Klima geschädigt haben? Das Gutachten wird in rund zwei Jahren erwartet. Die taz (Christian Rath) berichtet.

EuGH zu Beschäftigtendatenschutz: Der Europäischen Gerichtshof hat laut LTO (Alexander Cremer) angedeutet, dass § 26 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Datenverarbeitung in Beschäftigungsverhältnissen mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unvereinbar sein könnte. Die Entscheidung fiel auf Vorlage des Verwaltungsgerichts Wiesbaden. Im konkreten Verfahren geht es um eine Klage des Hauptpersonalrats der Lehrer:innen, die sich gegen die nicht eingeholte Einwilligung für Livestream-Unterricht im Zuge der Corona-Pandemie richtet. Das Bundesarbeitsgericht hatte bisher keine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Norm.

BVerfG – Vorratsdatenspeicherung: Das Bundesverfassungsgericht hat drei Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung als unzulässig abgelehnt. Nachdem im September der Europäische Gerichtshof die entsprechenden Regelungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) bereits für unionsrechtswidrig erklärte, haben die Beschwerdeführer:innen - u.a. der Verein Digitalcourage - ihre Beschwerdebegründung nicht aktualisiert und damit kein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis aufgezeigt. Drei weitere Verfassungsbeschwerden sind aber noch anhängig. Darunter ist  auch eine Beschwerde von 20 FDP-Poliker:innen inklusive dem heutigen Bundesjustizminister Marco Buschmann, die von Rechtsprofessor Heinrich Amadeus Wolff geschrieben wurde, der heute selbst dem zuständigen Ersten Senat angehört. Es berichten taz (Christian Rath) und LTO.

BVerwG zu Einsicht in Kohl-Akten: Nun berichtet auch LTO über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Journalistin Gaby Weber keinen Anspruch auf Zugang zu Akten des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl bzw. auf deren Wiederbeschaffung hat.

BSG zu Schulwegunfall/Trainsurfing: Das Bundessozialgericht hat in einem Fall aus Brandenburg geurteilt, dass die gesetzliche Schülerunfallversicherung auch dann greift, wenn Schüler:innen auf dem Heimweg von der Schule auf das Dach eines Regionalzuges klettern, einen Stromschlag erleiden, brennend vom Zug fallen und sich dabei schwere Verletzungen zuziehen. Weil es dem betreffenden 15-jährigen Schüler darum gegangen sei, im Freundeskreis "cool" zu sein, falle dieses Verhalten unter eine "spielerische Betätigungen von Schülern im Rahmen gruppendynamischer Prozesse".  Zuvor hatte das Sozialgericht Potsdam ähnlich geurteilt, in zweiter Instanz hatte das LSG Berlin-Brandenburg jedoch einen Wegeunfall verneint. Es berichten FAZ (Marcus Jung) und LTO.

BAG zu Kündigung von ungeimpfter Arzthelferin: Die Kündigung einer nicht gegen das Coronavirus geimpften Arzthelferin zum Schutz von Patient:innen im Krankenhaus ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts rechtmäßig. Die Arzthelferin aus Rheinland-Pfalz hatte erfolglos argumentiert, dass die Kündigung ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sei. Es berichten SZ und FAZ.

OLG Dresden – militante Antifa/Lina E.: Die taz (Konrad Litschko) berichtet über das Plädoyer der Bundesanwaltschaft im Prozess gegen Lina E. und andere. Darin habe es die Oberstaatsanwältin Alexandra Geilhorn als erwiesen dargestellt, dass E. die Rädelsführerin einer kriminellen Vereinigung gewesen sei, die massive Gewalt gegen Rechtsextreme verübt habe. Das Plädoyer soll am kommenden Mittwoch fortgesetzt werden. Die Verteidigung soll im April plädieren und ein Urteil wird Anfang Mai erwartet.

LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun: Im Prozess gegen den ehemaligen Wirecard-Chef Markus Braun hat weiter der Ex-Wirecard-Compliance-Chef Daniel S. ausgesagt. Er erhob dabei Vorwürfe gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die sich bei der Prüfung von Wirecard habe "bequatschen" lassen. Markus Braun habe intern bis zum Schluss zu beschwichtigen versucht. Die SZ (Johannes Bauer) berichtet.  

ArbG Bonn – Ulrike Guérot: Nachdem die Bonner Universität die umstrittene Politikprofessorin Ulrike Guérot wegen Plagiatsvorwüfen gekündigt hatte, wird es am 28. April einen Gütetermin am Arbeitsgericht Bonn geben. spiegel.de berichtet.

Extremistische Schöff:innen: An diesem Freitag endet in vielen Bundesländern die Frist zur Bewerbung als Schöff:in. Die FAZ (Helene Bubrowski) nimmt dies zum Anlass, die Anforderungen des Amtes vorzustellen, ebenso die Versuche der Länder, Extremist:innen fernzuhalten. 

Recht in der Welt

USA - Trump/Stormy Daniels: Nach einer Abstimmung der zuständigen Grand Jury in Manhattan wird der frühere US-Präsident Donald Trump nun wegen Schweigegeld-Zahlungen an die Ex-Pornodarstellerin Stormy Daniels angeklagt. Die bisher von der Staatsanwaltschaft unter Verschluss gehaltene Anklageschrift soll am Dienstag im Beisein von Trump verlesen werden. Daniels, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heißt, behauptet, 2006 eine Affäre mit Trump gehabt zu haben, für deren Geheimhaltung Trump ihr vor den Präsidentschaftswahlen 2016 dann 130.000 Dollar gezahlt habe. Der Geldfluss könnte gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen haben. Es berichten zeit.de und spiegel.de.

EGMR/Italien – Lampedusa: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Italien verurteilt, 2017 in Seenot geratene tunesische Geflüchteten auf der Insel Lampedusa unwürdig behandelt zu haben. Das Land muss nun jedem der vier Kläger 12.500 Euro zahlen. zeit.de berichtet.

IGH/USA/Iran –  beschlagnahmte Guthaben: Der Internationale Gerichtshof hat eine Klage des Iran gegen die USA wegen der Beschlagnahme von knapp zwei Milliarden US-Dollar Zentralbank-Guthaben abgewiesen. Die Zentralbank sei kein Unternehmen und daher nicht durch das US-iranische Freundschaftabkommen von 1955 geschützt. Zugleich urteilte der IGH, dass die USA das Guthaben mehrerer Einzelpersonen und Unternehmen aus dem Iran unrechtmäßig beschlagnahmt habe und nun entschädigen müsse. Hintergrund ist eine Entscheidung des amerikanischen Supreme Courts aus dem Jahr 2016, wonach die als Vergeltung für mutmaßliche Terroranschläge eingefrorenen iranischen Vermögenswerte an die Opfer von Terrorangriffen der iranischen Regierung gezahlt werden sollen. zeit.de berichtet.

Russland – US-Journalist Evan Gershkovich: Im russischen Jekaterinburg ist nach Anordnung eines Moskauer Gerichts erstmals ein ausländischer Korrespondent wegen Spionagevorwürfen festgenommen und vom russischen Inlandsgeheimdienst in Untersuchungshaft gebracht worden. Evan Gershkovich, der für das Wall Street Journal arbeitet, wird vorgeworfen, für die amerikanische Regierung geheime Informationen über ein Rüstungsunternehmen gesammelt zu haben. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Ein Anwalt durfte bisher nicht zu Gershkovich. Die US-Regierung dementierten die Vorwürfe und forderte alle US-Bürger:innen auf, Russland zu verlassen. Es berichten FAZ (Friedrich Schmidt), SZ (Silke Bigalke), taz (Inna Hartwich) und spiegel.de.

Tadschikistan – Haft für abgeschobenen Oppositionellen: Der Mitte Januar aus Deutschland abgeschobene Tadschike Abdullo Shamsiddin ist in Duschanbe wegen des Vorwurfs des "Aufrufs zum Extremismus" zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Er ist ein Verwandter der wichtigsten Gegner von Diktator Emomali Rachmonow und hatte einen oppositionellen Social-Media-Post geliked. Die FAZ (Friedrich Schmidt) berichtet.

Sonstiges

Kriminalstatistik: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die jährliche Polizeiliche Kriminalstatistik  (PKS) vorgestellt. Danach hat sich die Zahl der Delikte im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um 11,5 Prozent auf mehr als 5,6 Millionen erhöht. Den starken Anstieg erklärte Faeser mit einem weitgehenden Wegfall der Corona-Maßnahmen und der damit einhergehenden Rückkehr ins öffentliche Leben, wodurch es auch wieder mehr Tatgelegenheiten gebe. Markant sind die Anstiege von Diebstählen um 20 Prozent und von Raubdelikten um 27 Prozent. Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen lag im vergangenen Jahr bei 37,4 Prozent. Die Zahl der tatverdächtigen Kinder stieg um rund 35 Prozent. Es berichten SZ, FAZ (Helene Bubrowski), Welt, spiegel.de und netzpolitik.org (Anna Biselli).

Robert Roßmann (SZ) kommentiert, dass sich der starke Anstieg von 11,5 Prozent relativiere, wenn man ihn mit dem Vor-Pandemie-Niveau im Jahr 2019 vergleiche: Dann liege der Anstieg nur bei 3,5 Prozent. Ungeachtet dessen zeige die Statistik jedoch einen erheblichen Handlungsbedarf bei den tatverdächtigen Kindern, bei den Messerangriffen und bei Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen auf.


Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des Mediums.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/tr/chr

(Hinweis für Journalist:innen)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. März 2023: Geld für Digitalisierung der Justiz / Anklage gegen Trump / Kriminalstatistik vorgestellt . In: Legal Tribune Online, 31.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51455/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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