OLG Frankfurt zu mehrdeutigem Künast-Zitat: Fal­sche Worte in den Mund gelegt

28.04.2020

Das Zitat ist eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf, wenn es darum geht, jemanden zu kritisieren, so das OLG Frankfurt. Kann ein solches verschieden gedeutet werden, muss der Zitierende besondere Vorsicht walten lassen.

Wer eine mehrdeutige Äußerung öffentlich wiedergibt, ist verpflichtet, die eigene Deutung durch einen Interpretationsvorbehalt kenntlich zu machen. Geschieht das nicht, muss er die Äußerung unterlassen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss (v. 16.04.2020, Az. 16 U 9/20).

Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne) hatte sich gegen ein Bild gewehrt, das der beklagte Facebook-Nutzer gepostet hatte. Hintergrund des Bildes ist ein Zwischenruf von Künast aus dem Jahr 1986 im Berliner Abgeordnetenhaus im Zusammenhang mit der damaligen Pädophilie-Debatte bei den Grünen. Ihr war damals unterstellt worden, sich hinter Forderungen nach Straffreiheit für Sex mit Kindern zu stellen. Dies hatte sie zurückgewiesen.

Neuer Anlass für das Bild war dann ein Artikel auf Welt.de unter der Überschrift "Grünen-Politikerin Künast gerät in Erklärungsnot" aus 2015. "Klingt das nicht, als wäre Sex mit Kindern ohne Gewalt okay?", fragt der Autor in dem Artikel.

Der Facebook-Post hatte diese Aussage mit einem Foto von Künast und einer ihr in den Mund gelegten Aussage zur Zulässigkeit von Sex mit Kindern verwendet: "Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt".

Äußerung so gar nicht getätigt

Der Mann habe mit dem Bild aber den Eindruck erweckt, Künast wörtlich zu zitieren, so das OLG. Ein oberhalb des Bildes vorhandener Verweis auf den Welt-Artikel sei angesichts der Plakativität und Auffälligkeit der Darstellung nicht geeignet, der Darstellung ein abweichendes Verständnis zu geben, hieß es. Diese Darstellung beeinträchtige Künasts allgemeines Persönlichkeitsrecht.

Mit einem Zitat werde nicht eine subjektive Meinung des Kritikers zur Diskussion gestellt, sondern eine objektive Tatsache über den Kritisierten behauptet. "Deswegen ist das Zitat, das als Belegkritik verwendet wird, eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf", betont das OLG unter Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung. Hier sei der Eindruck, es handele sich um ein Zitat von Künast, bereits deshalb unzutreffend, weil sie die Äußerung in der dargestellten Form gar nicht getätigt habe.

Es komme laut Gericht darauf an, "was der Zitierte gemessen an seiner Wortwahl, dem Kontext seiner Gedankenführung und dem darin erkennbar gemachten Anliegen zum Ausdruck gebracht hat". Künast habe 1986 im Abgeordnetenhaus lediglich die Worte "Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist" geäußert. Diese seien für sich gesehen aber inhaltsleer und würden erst im Zusammenhang einen Sinn erhalten.

Eigene Deutung ist kenntlich zu machen

Zu den tatsächlich getätigten Äußerungen Künasts gebe es aber unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten, so das Gericht - eine inhaltliche Positionierung sei mit der Äußerung nicht zwangsläufig verbunden. Bei unterschiedlichen Deutungen sei der Zitierende verpflichtet, die eigene Deutung einer Äußerung durch einen Interpretationsvorbehalt als solche kenntlich zu machen, betont das OLG. Dies sei hier nicht geschehen.

Das vermeintliche Zitat Künasts beschäftigte die Justiz bereits in der Vergangenheit. Als Reaktion auf das Zitat hatten einige Facebook-Nutzer die Politikerin aufs schärfste beleidigt. Das Landgericht Berlin hatte zuerst entschieden, dass die Verbalattacken "keine Diffamierung der Person" darstellen. Später hielt das Gericht einige der Äußerungen dann doch für Beleidigungen, das Kammergericht stufte später weitere Kommentare als solche ein.

Der Frankfurter Medienrechtler Dr. Severin Riemenschneider, der Künast in dem Verfahren vertritt, begrüßte den Beschluss des OLG. Nach den gerichtlichen Erfolgen für Betroffene von Hate-Speech in der Vergangenheit sei "es sehr erfreulich, dass nun auch der wichtige Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt durch die Zurückweisung des Antrages der Gegenseite ein klares Signal gegen Hate Speech sendet", so Riemenschneider.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt zu mehrdeutigem Künast-Zitat: Falsche Worte in den Mund gelegt . In: Legal Tribune Online, 28.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41442/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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