LG zu abfälligen Äußerungen über trans Personen: Grenze zur Sch­mäh­kritik muss nicht immer über­schritten sein

07.07.2023

Drei verschiedene Fälle musste das LG Frankfurt zu abfälligen Äußerungen über transsexuelle Frauen entscheiden. Die Urteile fielen unterschiedlich aus, in einem ging es um einen Blog von Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt.

Die Pressekammer des Landgerichts (LG) Frankfurt am Main hat sich in drei Fällen mit möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen von transsexuellen Frauen befasst. Konkret geht es um drei unterschiedliche Äußerungen, gegen die sich die Frauen juristisch gewehrt haben. Die Urteile des LG fielen unterschiedlich aus, nicht immer war das Persönlichkeitsrecht verletzt.

Das Gericht stellte grundsätzlich klar: Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt vor, wenn der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Transperson gegenüber dem Recht auf Meinungsäußerung der Presse oder des Netzwerknutzers überwiegt. Es erklärte konkret: "Die geschlechtliche Identität ist Teil der zu achtenden Persönlichkeit eines Menschen. Jedoch ist nicht jede darauf bezogene, abwertende Äußerung per se unzulässig." In einem der Fälle ging es um einen von Ex-Bild-Chefredakteur betriebenen Blog.

Fall 1: "#DubistEinMann"

In diesem Verfahren (Az.2-03 O 228/23) hatte eine Transfrau und Aktivistin für trans Rechte auf Twitter um Unterstützung für das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz geworben. Eine andere Twitteruserin kommentierte dazu: "#DubistEinMann".

Für das LG Frankfurt ist diese Äußerung weder Bleidigung noch Schmähkritik. Es sei vielmehr ein bloße Meinungsäußerung, weil der wertende Charakter des Hashtags im Vordergrund stehe, so die Pressekammer. Klar zu erkennen sei zwar eine ablehnende und polarisierende Haltung zum Selbstbestimmungsgesetz und zur Transgeschlechtlichkeit im Allgemeinen, der Kommentar sei aber keine  Beleidigung.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Verwendung dieses Hashtags eine gesellschaftliche Auseinandersetzung spiegele. Das Hashtag-Zeichen verdeutliche das, denn das werde schließlich verwendet, um unter einem Schlagwort Diskussionen zu eröffnen, so das Gericht. Es sei auch nicht das erste Mal, dass "#DubistEinMann" auf Twitter genutzt werde. Obwohl das Wort "Du" die betroffenen transsexuellen Personen in besonders herausfordernder Form personalisiere, beziehe es sich hier nicht auf eine bestimmte, individuelle Person, so das LG. Die Verwendung dieses Hashtags sei im Ergebnis eine zulässige Meinungsäußerung im Rahmen der öffentlichen Diskussion.

Fall 2: "Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein"

Die klagende transsexuelle Frau in diesem Verfahren (Az. 2-03 O 204/23) war bereits zuvor gegen Ex-Bild-Chefredakteur Juilan Reichelt gerichtlich vorgegangen, der Äußerungen über sie verbreitet hatte. Später hatte sie dann aber doch auf Unterlassungsansprüche verzichtet. Das nahm Reichelt zum Anlass, einen Artikel über die Frau zu verfassen und auf seinem Blog zu veröffentlichen. Die Überschrift lautete: "Versuchte Abmahnung gegen Ansage: Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein."

Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin liege in diesem Fall vor, auch wenn die Grenze zur Schmähkritik noch nicht überschritten sei, entschied die Pressekammer. Der Begriff "Transe" sei umgangssprachlich abwertend und kein bloßes Kurzwort für eine transsexuelle Person. Die herabwürdigende Intention der Äußerung werde durch das Attribut "totalitär tickend" verstärkt. Die Komponente "zieht den Schwanz ein" stelle außerdem unmissverständlich eine Assoziation zum männlichen Geschlechtsteil her und richte den Fokus auf die Frage seines (Nicht-)Vorhandenseins, schloss das LG letztendlich.

Fall 3: Bezeichnung einer Transfrau als biologischer Mann

Die Transperson im dritten Verfahren (Az. 2-03 O 149/23) lebt nach Gerichtsangaben seit 40 Jahren als Frau. Es sei bekannt, dass sie ausschließlich einen weiblichen Vornamen nutzt, sich als Frau identifiziert und als solche angesprochen werden möchte. Auf einem Online-Portal wurde im Februar 2023 ein Artikel veröffentlicht, in dem kritisiert wurde, dass eine gemeinnützige Stiftung die Transfrau in einem Rechtsstreit gegen eine junge Biologin finanziell unterstützt hatte.

Die Biologin hatte geäußert, es gebe biologisch nur zwei Geschlechter. Die Autoren hatten die klagende Frau in ihrem Artikel zwar zunächst als "Transfrau" bezeichnet, später aber als "biologische[n] Mann" und schlussendlich als "über 60-jährige[n] Mann, der […] maßgeblich an dem Frauenhass beteiligt ist", dem die Biologin seit Monaten ausgesetzt sei.

Die Pressekammer hat nun klargestellt: Im Rahmen der freien Rede ist eine scharfe, aggressive Sprache zwar prinzipiell erlaubt. Auch Kritik am Verhalten der klagenden Frau sei erlaubt. Die Äußerung "über 60-jähriger Mann" könne im Gesamtkontext aber nicht als bloße neutrale Feststellung des biologischen Geschlechts verstanden werden. Die Wortwahl sei vielmehr ein bewusstes Stilmittel, um einen plakativen Kontrast zu der jungen, weiblichen Biologin herzustellen und die klagende Frau als frauenhassenden Mann zu beschreiben. Die Äußerung sei daher bewusst verunglimpfend gemeint und damit im Ergebnis persönlichkeitsrechtsverletzend.

cp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG zu abfälligen Äußerungen über trans Personen: Grenze zur Schmähkritik muss nicht immer überschritten sein . In: Legal Tribune Online, 07.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52180/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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