Ex-Generalbundesanwalt Harald Range verstorben: Auf­recht durchs Tor gegangen

von Maximilian Amos

03.05.2018

Der ehemalige Generalbundesanwalt Harald Range ist im Alter von 70 Jahren verstorben. Seine lange Karriere wurde vor allem vom Skandal an ihrem Ende geprägt. In der Öffentlichkeit hatte er selten einen guten Stand.

Es ist ein Phänomen, das sonst eher Politiker kennen: Dass ein Ereignis eine jahrzehntelange Karriere  derart prägt, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung schließlich nur noch darauf reduziert wird. So erging es aber auch dem ehemaligen Generalbundesanwalt Harald Range, der im Zuge der Ermittlungen gegen die Blogger von Netzpolitik.org im August 2015 in den Ruhestand versetzt worden war.

Am gestrigen Mittwoch ist Range im Alter von 70 Jahren plötzlich und unerwartet verstorben, wie die Behörde des Generalbundesanwalts mitteilte. Zu den Umständen seines Todes machte man keine weiteren Angaben, auch im Bundesjustizministerium wollte man sich auf LTO-Anfrage nicht weiter dazu äußern.

Was von Range bleibt, ist aber mehr als die Erinnerung an seine spektakuläre Entlassung. Range war ein prinzipientreuer Jurist, der sich nie zu schade war, auch öffentliche Kritik zu ertragen, wenn er sich im Recht wähnte.

"Harald Range war eine der großen Persönlichkeiten der niedersächsischen, aber auch der deutschen Justiz insgesamt", erklärte die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) in einer Mitteilung am Donnerstag. "Er war ein Jurist mit festen Prinzipien."

Schnörkellose Karriere

Blickt man auf seinen Lebenslauf, spiegelt dieser ein Stück weit auch seine Wirkung in der Öffentlichkeit wider: schnörkellos, pragmatisch und ein wenig bieder. 1948 in Göttingen geboren, studierte er dort und in Bonn Jura und Publizistik und trat nach Abschluss seines Referendariats 1975 als Richter in den niedersächsischen Justizdienst ein, bevor er drei Jahre später Staatsanwalt in Göttingen wurde, wo er auch als Pressesprecher fungierte. 1986 wurde er Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft in Celle, 1989 wechselte er ins niedersächsische Justizministerium. Im Juni 2001 wurde er schließlich Generalstaatsanwalt in Celle.

Dort machte er sich einen Namen mit seiner "Null-Toleranz-Strategie" gegenüber Hooligans, die er anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland entwickelte. Sie sah vor, dass ausländische Straftäter umgehend ausgewiesen werden sollten. Zudem erklärte Range der strukturellen Korruption den Krieg und richtete zu diesem Zweck Schwerpunktstaatsanwaltschaften ein.

Der nächste logische Schritt für ihn war schließlich der nach Karlsruhe. Doch dieser wäre ihm fast verwehrt geblieben. Unter der FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sollte 2011 auch ein Liberaler das Amt des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof antreten. Range verfügte zwar über das entsprechende Parteibuch, war aber hinter dem Stuttgarter Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl eigentlich nur die zweite Wahl. Als dieser aber seine Kandidatur zurückzog, nachdem klar wurde, dass er im Bundesrat keine Mehrheit finden würde, war der Weg für Range frei. 

NSA-Skandal kratzte auch an Ranges Image

Somit kam Range schließlich doch noch ins angestrebte Amt, gewissermaßen als "Notnagel", der wegen seines fortgeschrittenen Alters ohnehin nur eine Übergangslösung sein sollte. Der Mann mit randloser Brille, strengem Schnauzer und weißem Haar war stets ein Mann der leisen Töne, in Fernsehinterviews wirkte er oft eher bemüht als authentisch. Und so flog er oft unter dem öffentlichen Radar.

Als dann aber im Jahr 2013 die Enthüllungen von Edward Snowden den NSA-Skandal ins Rollen brachten, stand Range plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Von allen Seiten forderte man von ihm, Ermittlungen wegen amerikanischer Spionage in Deutschland aufzunehmen, doch Range sah keine Beweise. Später leitete er doch ein Verfahren ein, dieses wurde aber wieder eingestellt. Der Schlingerkurs verschaffte ihm keine Sympathien - etwas, worauf ein Strafverfolger aber auch nicht aus sein sollte.

2015 dann kam es zum Skandal, der schließlich Ranges Karriere beenden sollte. Auf Anzeige des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, leitete er ein Verfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat gegen die Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister vom Blog Netzpolitik.org ein. Ihnen wurde vorgeworfen, vertrauliche Dokumente des Verfassungsschutzes veröffentlicht zu haben, in denen es um Pläne zur stärkeren Überwachung des Internets ging.

Konfrontation mit Maas brachte Range zu Fall

Im Zuge dessen kam es zum öffentlich ausgetragenen Streit mit dem damaligen Justiz- und heutigen Außenminister Heiko Maas (SPD) um die Handhabung der Ermittlungen. Range wollte sich dem öffentlichen Ruf nach Pressefreiheit nicht beugen - er fasste die Angelegenheit mit Umsicht an und gab ein Gutachten in Auftrag. Es sollte klären, ob es sich bei den veröffentlichten Unterlagen tatsächlich, wie von § 94 Strafgesetzbuch gefordert, um Staatsgeheimnisse handelte.

Letztlich wurde das Gutachten aber doch noch zurückgezogen. Was im Vorfeld geschah, ist bis heute nicht en detail bekannt, im Wesentlichen gibt es zwei Versionen: Maas behauptet, in Abstimmung mit Range beschlossen zu haben, dass das Gutachten nicht mehr gebraucht werde. Range indes warf seinem Chef vor, politisch motivierten Einfluss auf die Ermittlungen genommen zu haben und sprach von einem "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz". Die Anordnung, auf das Gutachten zu verzichten, sei "rechtlich zweifelhaft" und der Justizminister wolle die Ermittlungen stoppen, "weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint", so Range damals.

Maas saß am längeren Hebel: Er entzog dem unbequem gewordenen Generalbundesanwalt öffentlich das Vertrauen und versetzte ihn in den Ruhestand. Über den zweiten großen Skandal seiner Karriere war Range damit gestolpert.

Mit der politischen Bühne, auf die er zuweilen gezerrt wurde, fremdelte Range sichtlich. Warum er dennoch die Konfrontation mit dem Justizminister gesucht hatte, erklärte Range später damit, dass er "nicht wie ein geprügelter Hund vom Hof schleichen, sondern aufrecht durchs Tor gehen" wollte. Auch das wird in Erinnerung bleiben. Nicht nur am Bundesgerichtshof, wo er dafür bei seiner Verabschiedung geradezu frenetisch gefeiert wurde. 

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Maximilian Amos, Ex-Generalbundesanwalt Harald Range verstorben: Aufrecht durchs Tor gegangen . In: Legal Tribune Online, 03.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28417/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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