Dieter Medicus verstorben: Erinn­erung an einen großen Geist

"Den Medicus" kannte wohl jeder Jurastudent – wenigstens dem Namen nach. Der berühmte Rechtswissenschaftler und Autor des zivilrechtlichen Standardwerkes ist im Alter von 86 Jahren in München verstorben. Ein Nachruf.

Ungezählten Jurastudenten bereiteten die Lehrbücher von Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Medicus den Weg durch das Zivilrecht. Und auch, wenn nur eine Minderheit sein in der aktuellen Auflage 519, in früheren Fassungen teils über 700 Seiten starkes "Bürgerliches Recht" tatsächlich von vorne bis hinten durchgearbeitet hat, so war "der Medicus" doch jedem ein Begriff und seit Jahrzehnten eine feste Größe der juristischen Ausbildungsliteratur.

Das Werk, welches 1968 erstaufgelegt wurde, ging aus dem Lehrkonzept der Universität Tübingen hervor, die seinerzeit einen möglichst umfassenden "Systematischen Kurs des Bürgerlichen Rechts" erstellen wollte. Medicus ordnete den  Stoff für sein Buch nach Anspruchsgrundlagen. Dieser Ansatz war damals keineswegs üblich, entpuppte sich jedoch nach Medicus' Worten bald als "Knaller", und wurde bis in die Gegenwart beibeihalten.

Schnelle und glanzvolle Karriere in der Wissenschaft

Dieter Medicus war als Sohn eines Chemikers am 9. Mai 1929 in Berlin-Steglitz geboren und studierte ab 1949 Rechtswissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität, zudem in Würzburg und Münster. Die Stationen seiner akademischen Laufbahn zählt Prof. Volker Beuthien in einer Schrift zu Medicus' 75 Geburtstag wie folgt auf:

Schüler des weltweit geachteten Römischrechtlers Max Kaser, Promotion über römisches Bürgschaftsrecht in Münster (1957), Habilitation über römisches Schadensersatzrecht in Hamburg (1962), nahezu postwendende Ernennung zum ordentlichen Professor an der Universität Kiel (1962), alsbaldige ehrenvolle Berufung an die renommierte Juristenfakultät der Universität Tübungen (1966) und (nach Ablehnung von Rufen an die Universitäten Innsbruck, Bern, Würzburg und Bonn) als Krönung der akademischen Laufbahn Annahme des Rufs an die Universität München (1978), der er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1994 die Treue hielt.

Petersen könnte "Bürgerliches Recht" fortführen

Doch auch nach seiner Emeritierung kann von einem Ruhestand im engeren Sinne des Wortes kaum die Rede sein: Vielmehr übernahm Medicus Lehraufträge an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zum Schuldrecht, für die ihm die Hochschule 2008 die Ehrendoktorwürde verlieh. Neben Aktualisierungen seiner Lehrbücher und seiner Kommentierungen im Münchener Kommentar und im Staudinger fertigte er zudem allein im Zeitraum zwischen 1999 und 2009 rund 50 Aufsätze sowie zahlreiche Urteils- und Buchbesprechungen an. Er leistete zudem Beiträge zur Reformierung des Schuldrechts im Jahr 2002.

Sein "Bürgerliches Recht" erscheint seit 2009 gemeinsam mit Prof. Dr. Jens Petersen von der Universität Potsdam, seit 2013 wird es ganz maßgeblich von diesem bearbeitet, obwohl es weiterhin Medicus' Namen an erster Stelle trägt. Für eine Auskunft, ob er das Werk auch in Zukunft weiterführen werde, war Herr Petersen am Montag nicht erreichbar.

Leise Töne und ironische Spitzen

Medicus zählte zur immer seltener werdenden Gattung von Professoren, die über tiefe und fundierte Kenntnisse des Römischen Rechts verfügten und zugleich akademisch absolut mit der Zeit gingen.

Freunde und Kollegen beschrieben ihn als einen Mann des klaren Wortes und der leisen Töne, der seine Gedanken stets sachlich und prägnant formulierte, dem akademischer Dünkel fremd war, und der auch in seiner Kritik stets höflich blieb und kaum ein härteres Wort fand als jenes, dass die Ausführungen des getadelten Kollegen einen "nicht gerade vom Stuhl rissen."

Bei allem juristischen Ernst mangelte es ihm nicht an einem gewissen, hintersinnigen Humor. Sein einstiger Schüler Maximilian Fuchs, heute selbst Professor an der Universität Eichstätt-Ingolstadt, berichtet in einer Schrift aus 2009, dass Medicus' Vorlesungen oft von einer feinen Ironie geprägt gewesen seien. Nicht selten hätten die Studenten seine Witze erst begriffen und zu lachen begonnen, als Medicus selbst in seinem Vortrag schon zwei Sätze weiter war.

Dieter Medicus wurde 86 Jahre alt.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden und Tanja Podolski, Dieter Medicus verstorben: Erinnerung an einen großen Geist . In: Legal Tribune Online, 15.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15859/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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