Wegen Datenschutzbedenken haben zwei Versicherte verlangt, anstelle der elektronischen Gesundheitskarte ihrer Krankenkasse eine Papieralternative nutzen zu dürfen. Das BSG erteilte ihnen eine Abfuhr.
Gesetzlich Versicherte können von ihrer Krankenkasse keinen Papiernachweis als Alternative zur elektronischen Gesundheitskarte verlangen. Das geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) von Mittwoch hervor. Die Kasseler Richter entschieden in zwei Verfahren aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die gesetzlichen Regelungen zur elektronischen Gesundheitskarte stünden im Einklang mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und verletzten die Kläger auch in ihren Grundrechten nicht, so das BSG (Urt. v. 20.1.2021, Az. B 1 KR 7/20 R; B 1 KR 15/20 R)
Um Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch nehmen zu können, müssen Versicherte ihre Berechtigung mit der Gesundheitskarte nachweisen. Auf dem Chip sind Versichertendaten wie Name, Anschrift, Versichertenstatus und -nummer gespeichert.
Die beiden Kläger hatten unter anderem Datenschutzbedenken vorgebracht und sahen sich in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Die auf der Chipkarte gespeicherten Daten und die dahinter stehende zentralisierte Datenverarbeitung seien nicht sicher, argumentierten sie. In den Vorinstanzen hatten die Kläger verloren. Die Landessozialgerichte hätten es sich aber zu einfach gemacht, indem sie die Argumente als "bloße Vermutung und Mutmaßungen" abgetan hätten, sagte der Rechtsanwalt beider Kläger. Als Bürger erfahre man ja nichts von Verstößen - und wenn doch, dann sei es zu spät.
"Eine absolute Datensicherheit kann es nicht geben"
"Eine absolute Datensicherheit kann es nicht geben", entschied das BSG jedoch. Die DSGVO sehe einen "risikobasierten Ansatz" vor, Maßnahmen müssten mit Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der Risiken abgewogen werden. Auch der Eingriff in die Grundrechte durch die elektronische Gesundheitskarte sei gerechtfertigt. Die Karte verhindere Missbrauch von Sozialleistungen und diene der Abrechnung. Beides diene der finanziellen Stabilität der Kassen, die ein "überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" darstelle.
Rechtsprofessor Dr. André Niedostadek, Sozialrechtler an der Hochschule Harz, kommentierte das Urteil gegenüber LTO. Die Entscheidung sei "vor dem Hintergrund der DSGVO mit besonderer Spannung erwartet worden", aber im Ergebnis "nicht überraschend." Hervorzuheben ist seiner Auffassung nach jedoch der Hinweis des Gerichts in der Begründung, wonach es eine absolute Datensicherheit nicht geben könne. Damit biete die Entscheidung für den Sozialdatenschutz insgesamt mehr Orientierung, als man auf dem ersten Blick glauben könne, so Niedostadek.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Bundessozialgericht: . In: Legal Tribune Online, 20.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44049 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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