Teilzeitpartner oder Workaholic?: Diver­sity – eine Frage der Kanz­lei­kultur

Interview von Dr. Anja Hall

04.03.2015

2/2 Abkehr vom Up-or-out?

LTO: Welche weiteren Maßnahmen bräuchte es, um die Frauen zu halten?

Engers: Zuallererst sollte sich eine Kanzlei überlegen, ob sie nicht vom Up-or-Out-Prinzip abgehen will. Frauen wollen die Sicherheit, dass sie nach einer Familienpause zurückkehren können – wenn sie diese nicht haben, dann gehen sie, und zwar meistens in den Staatsdienst. Und sie gehen dann schon recht früh, weil sie beim neuen Arbeitgeber einige Jahre arbeiten wollen, bevor sie Familie gründen.

Kanzleien brauchen also einen alternativen Karrieretrack, natürlich auch für die Männer.
Ob das aber gewünscht ist, sollte sich eine Kanzlei genau überlegen. Sie muss sich fragen: Brauchen wir die Workaholics? Vergraulen wir diese womöglich? Verstopfen die Nicht-Partner das System? Wird der Umsatz sinken?

LTO: Die vielzitierte Generation Y - gibt es die unter den Juristen überhaupt?

Engers: Ja, eindeutig. Die Bewerber sind viel herausfordernder. Sie sind zwar Teamplayer, fragen sich aber auch immer, wo ihr Nutzen bei einer Sache ist. Und sie sind sich ihrer Macht durchaus bewusst. Ich kenne einen Fall, wo ein First-Year-Associate eine Vier-Tage-Woche durchgesetzt hat. Der Partner hat eingewilligt, weil er ihn für einen wertvollen Mitarbeiter hält. Aber das Selbstbewusstsein muss man erst einmal haben, so etwas im Bewerbungsgespräch einzufordern!

LTO: Zweifellos eine gute Maßnahme für die persönliche Work-Life-Balance des Associates…

Engers: Manchmal überziehen die Associates allerdings auch, ohne dass sie ein Störgefühl hätten. Wenn etwa ein junger Anwalt einen Tiefgaragenstellplatz einfordert und dann noch entrüstet reagiert, wenn er dafür bezahlen soll. Oder wenn einer an einer Mandantenbesprechung in London nicht teilnimmt, weil er nicht so früh aufstehen will. Das ist alles schon vorgekommen. Und es sind Situationen, in denen die Führungskompetenz des Partners gefragt ist.

LGBT ist das nächste große Thema

LTO: Abgesehen von Gender Diversity – wie weit sind die Kanzleien ihrer Wahrnehmung nach mit anderen Diversity-Aspekten?

Engers: LGBT (Lesbian Gay Bisexual Transgender, d. Red.) ist im Kommen, und meiner Beobachtung nach muss man dabei Freshfields hervorheben, die sich intern gut aufgestellt haben und sehr anerkannt sind – auch dank des Managing Partners, der sich der Sache sehr annimmt. Eigene LGBT-Netzwerke in Deutschland haben übrigens auch Simmons&Simmons, Clifford Chance und White & Case.

Ich denke, es ist hier ähnlich wie bei der Gender Diversity: Wenn man die Partner fragen würde, würden alle sagen, dass sie kein Problem mit Schwulen und Lesben haben. Sie sagen ja auch alle, dass sie mit Frauen, die in Teilzeit arbeiten, kein Problem haben. Aber in der Realität sieht es leider oft anders aus. Ich erwarte, dass die Kanzleien jetzt vereinzelte LGBT-Maßnahmen einführen werden. Viele sind ja schon auf der Karrieremesse Sticks + Stones“ präsent, was ein guter Beleg für die Diversity-Bemühungen in diesem Bereich ist.

Allerdings: Wenn es gelingt, in einer Kanzlei eine diverse Kultur zu schaffen, dann sind solche Einzelmaßnahmen kein Thema mehr.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Engers.

Die Volljuristin Anna Engers startete ihre Karriere bei der PR-Agentur Hill & Knowlton, danach war sie viele Jahre für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Latham & Watkins zuständig. Ende 2011 machte Engers sich selbständig und gründete die Beratungsgesellschaft diventure, mit der sie viele (Groß-)Kanzleien zum Thema Diversity berät.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Teilzeitpartner oder Workaholic?: Diversity – eine Frage der Kanzleikultur . In: Legal Tribune Online, 04.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14843/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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