Diktiersoftware: Das Ende des Bandsalats

von Henning Zander

09.07.2014

Das klassische Diktat verliert an Bedeutung. Immer mehr Kanzleien nutzen moderne Diktiersoftware – oft mit integrierter Spracherkennung. Das mühselige Abtippen für das Sekretariat entfällt. Doch bei Einführung eines solchen Systems heißt es erst einmal: Ruhe bewahren. Denn die Programme müssen auf die Stimme und die Aussprache trainiert werden.

Für kurze Zeit beschleicht einen das Gefühl: Hätte man vielleicht doch vorher eine Sprecherausbildung machen sollen? Doch dann setzt nach und nach der Aha-Effekt ein.

Die ersten Schritte mit einer Diktiersoftware, die mit Spracherkennung arbeitet, sind etwas langwierig. Bis sich die Software an die eigene Aussprache gewöhnt hat, kann es schon ein paar Stunden dauern. Die Worte sollten sehr deutlich ausgesprochen werden, in einem gleichmäßigen, nicht zu schnellen Tempo. Ungewöhnliche Worte und Abkürzungen werden nicht gleich erkannt. Doch hat man die Mühe erst einmal investiert, ist der zeitliche Gewinn gewaltig. Zeit, die Rechtsanwälte und ihre Mitarbeiter besser in andere Dinge investieren können.

Erst einmal kostenlos testen

Wer erst einmal üben möchte, wie eine Diktiersoftware nebst Spracherkennung funktioniert, kann dies ganz einfach kostenlos erledigen. Seit Windows Vista haben die Windowsversionen ein eigenes Modul für die Spracherkennung. Unter Windows 8 öffnet man die Spracherkennung über den Menüpunkt Zubehör. Hier muss man nur noch auf erleichterte Bedienung klicken und dann auf die Windows-Spracherkennung. Bei diesem Programm muss man allerdings viel Geduld mitbringen. Insbesondere die Eingabe von neuen Worten, die Buchstabe für Buchstabe diktiert werden müssen, bedarf starker Nerven, da die Buchstaben nicht immer gleich erkannt werden. Dennoch kann man hier erste Schritte gehen und sich mit der Technik vertraut machen.

Hat man sich mit dem Gedanken angefreundet, diese Technik zu nutzen, kann man sich überlegen, ob man sich für eine professionelle Software entscheidet. Marktführer ist hier die Firma Nuance mit den Produkten Dragon, einer eigenen Software für Diktate und Spracherkennung, und SpeechMagic, einem Programm, das sich in aktueller Kanzleisoftware wiederfindet.

Gute Software gibt es ab rund 100 Euro

Die Einsteigerversion des Programms Dragon Naturally Speaking ist schon für etwa 100 Euro erhältlich. Sinnvoll ist die Anschaffung eines Headsets, also Kopfhörer inklusive Mikrophon. Je besser das Mikrophon, desto effektiver arbeitet die Software. Bei der Benutzung sollte es immer den gleichen Abstand zum Mund haben, selbst solche Änderungen können das Ergebnis beeinflussen. Die Software kann Dokumente auslesen und dadurch den eigenen Wortschatz erweitern.

Die Zeitersparnis gegenüber herkömmlichen Diktaten liegt bei rund 30 Prozent, ist man mit der Software eingespielt, kann sie sogar drüber liegen. Die Fehlerquoten sind verhältnismäßig gering. Es bleibt aber nicht aus, dass der Schriftsatz noch einmal korrigiert werden muss. Sinnvoll ist es, sich vor der Nutzung mit den Formatierungsbefehlen zu beschäftigen. Wie werden Fußnoten gesetzt, wie werden bestimmte Begriffe gefettet, wie ist es mit der Großschreibung und wie können Fehler noch während des Diktates ausgebessert werden.

Die Version Dragon Naturally Speaking Legal ist mit einem umfassenden Rechtsvokabular ausgestattet. Diktate können am PC erstellt werden oder unterwegs über eine App. Es bleibt die Wahl: Will man die Diktate von einer Schreibkraft auswerten lassen, oder soll die Software den Text automatisch transkribieren und in einen Schriftsatz umwandeln? Über eine Vorlesefunktion kann man sich den bearbeiteten Text noch einmal vorlesen lassen. Dabei ist es möglich, vor- und zurückzuspulen. Der zusätzliche Service hat seinen Preis. Lizenzen kosten circa 1000 Euro.

Größere Kanzleien müssen auf die Integration in die Kanzleiprozesse achten

Spracherkennung ist das eine, die Integration in die Kanzleiprozesse das andere. Hier setzt etwa die Software HighSpeech der Firma Datatronic Beka Technologies aus Osnabrück an. Sie lässt sich nahtlos in das Programm Datev Phantasy integrieren.

Bei HighSpeech ergänzen sich ein digitales Diktiersystem und eine Spracherkennung. Der diktierte Text wird in einem Fenster angezeigt und kann dort korrigiert oder an das Sekretariat weitergeleitet werden. Die Software verfügt laut Herstellerangaben über ein Lexikon mit über 400.000 Begriffen.

Ähnlich funktioniert DiktaPlus von Annotext. Die Software fügt sich zum Beispiel in die Kanzleiprogramme RA Micro, AnNoText oder ReNoStar ein. Zum einen ist es möglich, ein Diktat zu verfassen, das dann in digitaler Form einer Schreibkraft zugestellt wird. Zusätzlich kann auch die Spracherkennung verwendet werden, wodurch bei der Bearbeitung eines Schriftsatzes noch einmal Zeit gespart wird. Über eine entsprechende App wird das Smartphone zum Diktiergerät.

Mobil diktieren

Wem dies schon ausreicht, wer auf die Anbindung an Kanzlei-Software und auch auf Spracherkennung verzichten kann, für den kann auch die Smartphone App Dictate + Connect interessant sein. Die Handhabung ist einfach, Diktate sind schnell erstellt und ebenso schnell verschickt. Gerade für sehr kleine Kanzleien kann diese Lösung interessant sein.

Doch egal, ob Kanzleisoftware oder App, ob mit oder ohne Spracherkennung. Fakt ist wohl eines: der alte Bandsalat hat ausgedient.

Tipps für das digitale Diktat

  • Zeit nehmen, um die Funktionen der Software kennenzulernen. Die Spracherkennung muss sich auf Stimme und Aussprache des Benutzers einstellen.
  • Gute Software gibt es schon für rund 100 Euro.
  • Gerade die Integration in Kanzleiprozesse ist ein wichtiger Punkt. Größere Kanzleien sollten hier auf Modullösungen setzen, die sich in gängige Kanzleisoftware einbinden lassen.





Zitiervorschlag

Henning Zander, Diktiersoftware: Das Ende des Bandsalats . In: Legal Tribune Online, 09.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12497/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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